Pöhlmann | Rechte Esoterik | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Pöhlmann Rechte Esoterik

Wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-451-82532-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-451-82532-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sie sind auf den "Querdenken"-Demonstrationen zu finden und überfluten mit ihren Botschaften die sozialen Netzwerke. Sie haben ihre eigenen Kirchen, ihre eigenen Bauernhöfe und ihre eigene "Germanische Neue Medizin". Von der Anastasia-Bewegung bis zu QAnon: Rechte Esoteriker gewinnen immer mehr Zulauf. Nicht nur in Deutschland. Der Weltanschauungsexperte Matthias Pöhlmann, exzellenter Kenner der Szene, nennt die historischen Wurzeln und zeigt: Was auf den ersten Blick als harmlose Spinnerei erscheint, birgt immensen gesellschaftlichen Sprengstoff.
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Vorwort
Im Frühsommer 2021 zeigten sich die Sicherheitsbehörden in Deutschland besorgt. Die seit 18 Monaten anhaltende Pandemie habe, wie es hieß, die Szene der Rechtsextremen deutlich gestärkt. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2020 sprach Bundesinnenminister Horst Seehofer Mitte Juni 2021 von „einem Alarmzustand“ und „einer besonderen Sicherheitslage, die ein dickes Problem“ sei. Besonders über die Corona-Proteste hätten Rechtsextreme Anschluss an das „bürgerliche Spektrum“ gefunden. Insgesamt sei das Personenpotenzial im Rechtsextremismus erneut leicht angestiegen und liege nun bei rund 33 000 Personen – über 13 000 davon seien gewaltorientiert. Rechtsextremistische Straftaten hätten sich um fünf Prozent erhöht. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen legte im Juni 2021 erstmals einen „Sonderbericht zu Verschwörungsmythen und Corona-Leugnern“ vor. Darin wurde auf die ernste Gefahr für Gesellschaft und Demokratie hingewiesen. Betroffen sei besonders die Mitte der Gesellschaft, die von allen Seiten „online“ angegriffen werde, von rechts ebenso wie von links, von Corona-Leugnern und von Islamisten. Erschreckend sei die Massivität von Verschwörungsmythen, Falschnachrichten, Wissenschaftsfeindlichkeit, Homophobie und Misstrauen. Teile der Corona-Leugner-Szene befänden sich demzufolge in einem Prozess der Radikalisierung, was sich besonders in den Diskursen und in den von der Szene ausgehenden Handlungen ausdrücke: „Veranstaltungen und Kundgebungen werden genutzt, um aggressiv gegen Sicherheitskräfte und Medienvertreter vorzugehen. Politiker und Wissenschaftler werden in den sozialen Netzwerken in massiver Art und Weise verunglimpft. Durch einzelne Akteure werden sie sogar zu ‚Feinden‘ und ‚Verrätern‘ erklärt, die man töten dürfe. […] Die Szene ist heterogen und befindet sich in dynamischen Veränderungsprozessen. Es wird deutlich, dass sich die ursprüngliche Skepsis gegen staatliche Pandemiemaßnahmen mehr und mehr zu einer grundlegend demokratiefeindlichen und sicherheitsgefährdenden Haltung entwickelt hat.“[1] Die ebenfalls im Juni 2021 präsentierte „Mitte“-Studie der Universität Bielefeld, die seit vielen Jahren im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung rechtsextremse und demokratiefeindliche Einstellungen untersucht, konnte hingegen Erfreulicheres berichten: So habe das Vertrauen in die Demokratie insgesamt zugenommen, doch gebe es Graubereiche, in denen sich die gesellschaftliche Mitte nicht eindeutig positioniere oder abgrenze. Die Autoren sehen in ihr vielmehr – so der Titel der Studie – „die geforderte Mitte“.[2] Zwar sehe sie sich mit einem antidemokratischen Populismus konfrontiert, doch lasse sich beobachten, dass die Ablehnung des Antisemitismus insgesamt abgenommen habe. Im Blick auf die Corona-Demos stellte Andreas Zick, Co-Herausgeber der Studie, fest: „In den Zeiten der Pandemie kommen auch Hetze und Gewalt aus den Reihen von Anticoronademonstrationen dazu. Es sind Demonstrationen, die für esoterische, sektiererische, fundamentalistisch friedensorientierte, selbst ernannte quer denkende, impfgegnerische, rechtspopulistische, rechtsextremistische und andere Gruppen durch Verschwörungserzählungen einen Hort des Widerstandes bieten.“[3] Verschwörungsmythen gewinnen in Krisen- und Übergangszeiten an Konjunktur. Sie sind kein neues Phänomen. Sie sind Symptom wie auch Reaktion inmitten einer müden wie wütenden „Corona-Gesellschaft“.[4] Im Nebel der Pandemie kamen vielfältige Verschwörungsmythen in Umlauf. „Rechtsalternative Medien“ von Ken Jebsen (KenFM), Boris Reitschuster und Esoteriker Heiko Schrang (Schrang TV) konnten zu Beginn der Pandemie enorme Zuwachsraten verzeichnen. Rechtsesoterische Verlage wie der Amadeus Verlag zählten ebenfalls zu den Profiteuren der Corona-Krise. Die staatlich verordneten Corona-Maßnahmen trieben seit Frühjahr 2020 viele Menschen auf die Straße. So fand landauf, landab eine Vielzahl von Hygiene-Demonstrationen statt, begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot. Die Motive der Demonstranten waren oft unterschiedlich, sodass schon bald von einer bunten Misstrauensgemeinschaft die Rede war. In der Tat offenbarte sich das Spektrum der Teilnehmer als sehr heterogen: Beim näheren Hinsehen fiel auf, dass unter den Demonstrierenden neben vielen unzufriedenen Bürgern, Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremen und Reichsbürgern auch Esoteriker auszumachen waren. Esoterik und Extremismus – wie passt das zusammen? Die Esoterikszene gilt herkömmlich eher als unpolitisch. Esoteriker, so die landläufige Auffassung, lassen sich meist einem linken, alternativ-spirituellen Spektrum zuordnen. Doch der Schein trügt. Es gilt zu differenzieren. Der Journalist Andreas Speit diagnostiziert in der Bundesrepublik derzeit eine „neue Lebensreformbewegung“, die er nach der ersten (Mitte des 19. Jahrhunderts) und zweiten (ab den 1960er Jahren) als die dritte kennzeichnet: „Sie sucht nach alternativen Wegen und geht sie auch: Nachhaltigkeit, recyceln, aufarbeiten und sharen sind im Trend.“[5] Die weltanschaulich-religiöse und esoterikaffine Orientierung dieses alternativ-spirituellen Milieus kommen in Speits Buch Verqueres Denken mit Anthroposophie und Anastasia-Bewegung in den Blick. Die Berührungsflächen von Esoterik und rechtsextremen Einstellungen reichen – wie sich zeigen wird – jedoch weit darüber hinaus. Esoterische Weltdeutungen neigen zu Verschwörungstheorien und einem Schwarz-Weiß-Denken. Sie sind gegenüber einem rational bestimmten Weltverhältnis kritisch eingestellt. Esoterik war von jeher technik-, fortschritts- und institutionenkritisch geprägt. Heutige Esoterik ist Ausdruck einer Sehnsucht nach Verzauberung inmitten einer als rational, kalt empfundenen und geheimnisentleerten Welt. Die Offenheit gegenüber stark antiaufklärerischem Gedankengut und die dezidiert „antidogmatische“ Haltung der Esoterikszene schaffen Einfallstore für extremistisches Gedankengut. Die Entwicklungen und Angebote in der Esoterikszene habe ich seit Beginn der Pandemie intensiv und aufmerksam verfolgt. Als teilnehmender Beobachter besuchte ich mehrere Corona-Demos in München – begleitet von einem inneren Unbehagen: Die Teilnehmer dieser Querdenker-Demos hielten den Sicherheitsabstand oft nicht ein und trugen keinerlei Mund-Nasen-Schutz. Größere Protestveranstaltungen wie in Berlin und Leipzig konnte ich über mehrere, oft parallel verlaufende Live-Streams verfolgen. Zuletzt war ich am 1. August 2021 bei der groß angekündigten, von den Gerichten untersagen Querdenker-Demonstration in Berlin, wo sich 5000 Protestierende mit 2200 Polizisten ein gefährliches Katz- und Maus-Spiel in den Straßenzügen lieferten. Für aufmerksame Beobachter war von Anfang an die bunte Mischung von Esoterikern, Verschwörungsideologen und Rechtsextremisten stark irritierend, die über Transparente, Symbole und Fahnen ihrem Unmut freien Lauf ließen. Unter den Teilnehmern befanden sich auch besorgte Bürger, Eltern mit Kindern und Personen, die sich keiner der zuvor genannten Szenen zuordnen ließen. Über die Hintergründe dieses offensichtlich neuartigen Schulterschlusses von Esoterikern, Verschwörungsgläubigen und Rechtsextremen wurde viel gerätselt. Es handelt sich keineswegs um ein neues oder überraschendes Phänomen. Seit mehreren Jahren lassen sich personelle Vernetzungen und Querfrontstrategien rechter Esoteriker beobachten, die jetzt in gewisser Weise Früchte tragen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Verschwörungsideologen, die in den vergangenen Monaten zunehmend das öffentliche Bild bestimmten. Kirchlichen und staatlichen Fachstellen zufolge ist der Beratungsbedarf zu Verschwörungstheorien während der Corona-Krise enorm gestiegen. Im Mai 2021 berichtete die Bundesstelle für Sektenfragen in Wien über ihre Beratungsarbeit und konstatierte dabei, dass die Betroffenen sich bereits zuvor für Esoterik und entsprechende Praktiken interessiert hätten. Manche seien darüber intensiv mit Verschwörungstheorien in Berührung gekommen. Die Bundesstelle vermutete: „Es scheint große Überschneidungen dieser Felder zu geben.“[6] Über die Gründe für solche Überschneidungen soll es in diesem Buch gehen. Inzwischen ist eine Vielzahl an Veröffentlichungen zu Verschwörungstheorien und zum Umgang mit Verschwörungsgläubigen erschienen.[7] Der Fokus wird in dieser Publikation ein anderer und auf die Berührungspunkte zwischen beiden Bereichen gerichtet sein. Infolge einer zunehmenden verschwörungsideologischen Politisierung alternativ-spiritueller Weltdeutungen ergeben sich zahlreiche Vernetzungen, Überschneidungen und Querfrontstrategien rechter Esoterik. Rechte Esoterik ist kein neues Phänomen. Seit der Pandemie befindet sie sich wieder im Aufwind. Seit der Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 nahmen die Überlappungen zwischen der Esoterik- und der rechten Szene deutlich zu. Daran haben Verschwörungsmythen einen wichtigen Anteil. Sie bilden den Kitt zwischen rechtspopulistischen, antidemokratischen, antisemitischen Auffassungen, die, oft in codierter Sprache, verbreitet werden. Inzwischen gibt es mehrere einzelne Akteure und Gruppen, die auf dem Wege einer alternativen Spiritualität verschwörungsideologisches und rassistisches Gedankengut verbreiten. Mit der Corona-Pandemie haben sich für rechte Esoteriker neue Knotenpunkte, Allianzen sowie vielfältige Anschluss- und Verbreitungsmöglichkeiten ergeben, die...


Matthias Pöhlmann, Dr. theol., geb. 1963 in Hof/Saale, von 1999 bis 2011 wissenschaftlicher Referent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin, anschließend Gemeindepfarrer in Germering bei München; seit 2014 Kirchenrat und Landeskirchlicher Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, München. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Religions- und Weltanschauungsfragen.



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