Pogodda | Medientechnologie und Affekt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 305 Seiten

Reihe: ISSN

Pogodda Medientechnologie und Affekt

Kameras, ihre Anwendung und die Poetik des Irakkriegsfilms

E-Book, Deutsch, 305 Seiten

Reihe: ISSN

ISBN: 978-3-11-060815-1
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Wie verändern medientechnologische Geräte wie Digitalkameras oder MP3-Player die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen und empfinden? Zwar ist die Rede von der Affektivität medialer Erfahrung in den Medien-, Kultur- und Sozialwissenschaften allgegenwärtig, doch befassen sich nur wenige Ansätze damit, welchen Einfluss die Technik auf unser Sehen, Hören und Fühlen nimmt.
Diese Studie untersucht den Zusammenhang von Medientechnologie und Affekt auf Ebene der poetischen Muster audiovisueller Bilder: Hier lässt sich greifen, wie technische Apparate die inszenatorischen Strategien der Affizierung bestimmen. Filmanalytische Methoden werden dazu mit praxeologischen Ansätzen verknüpft. Die konkreten Anwendungsweisen der technischen Apparate – hier der Amateurkameras durch US-amerikanische Soldaten im Irakkrieg – werden auf ihre Konsequenzen für die Erzeugung raumzeitlicher Darstellungsmodi in Genre- und Dokumentarfilmen untersucht.
In der entwickelten Perspektive lassen sich auf neuartige Weise technische und ästhetische Aspekte audiovisueller Bilder aufeinander beziehen. Zugleich eröffnet sich ein neuer Zugriff auf deren Historizität als je historisch spezifische Akte der Bilderzeugung und audiovisuellen Artikulation.
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Teil I: Medientechnologie, Affekt und praxeologisch perspektivierte Filmanalyse
2 Zwischen Technikmaterialismus und ästhetischer Erfahrung
2.1 Medientechnologie und Affekt: zum Forschungsstand
Die Frage nach dem Zusammenhang von Medientechnologie und Affekt ist in der aktuellen medienwissenschaftlichen Forschung im Grunde allgegenwärtig, wenn auch mehr oder weniger implizit: Die mediale Bedingtheit von Affekten, an die Körperlichkeit medialer und ästhetischer Erfahrung geknüpft, wird seit einigen Jahren als „Leitfrage“ filmtheoretischen Denkens diskutiert.1 Im Anschluss vor allem an das affekttheoretische Denken von Gilles Deleuze und die neo-phänomenologische Filmtheorie von Vivian Sobchack wird die Erfahrung des Filmsehens als ein grundlegend verkörpertes und affektives Ereignis konzipiert, das sich weniger als Reaktion auf die Repräsentationen oder semiotische Prozesse von Bildinhalten vollzieht, sondern vielmehr auf das technische Wahrnehmungsdispositiv des Films zurückgeht.2 Die vorliegende Arbeit möchte an diesen Theoriezweig anknüpfen und wird ihn daher im zweiten Teil des Kapitels eingehender beleuchten. Zugleich muss angesichts dieses sehr breiten Diskurses die Perspektive deutlich verengt werden. Die theoretische Konzeptualisierung der technischen Bedingtheit verkörperter und affektiver Filmerfahrung bildet zwar eine wichtige Grundlage, steht jedoch nicht im Zentrum des Interesses der theoretischen Auseinandersetzung. Das Interesse ist spezifischer: Wie lässt sich in einer historischen Betrachtung die Funktion ganz konkreter medientechnischer Apparate der Unterhaltungselektronik für das affektive Erleben des Zuschauers beschreiben? Wie etwa verändern unterschiedliche Kameratypen dieses affektive Erleben? Es geht also nicht darum, das Kino als ein abstrakt bleibendes technisches Dispositiv zu konzipieren, das am Ende hinter der Wahrnehmungserfahrung der audiovisuellen Bilder verschwindet, sondern um die Frage, wie die veränderten technischen Bedingungen audiovisueller Bildproduktion in diesen Bildern sichtbar werden und wie dies veränderte affektive Erfahrungsqualitäten bedingt.3 Die Frage lautet also nicht: Wie bedingt das filmische bzw. mediale Dispositiv per se die affektive Erfahrung des Zuschauers, sondern: Wie führt in einer ganz konkreten historischen Situation ein ganz konkreter Apparat zu einer ganz konkreten, veränderten affektiven Qualität der Zuschauererfahrung? Wie etwa verändert eine Mobiltelefonkamera die konkreten Ausdrucksmuster und affektiven Qualitäten des Bildes und damit die Erfahrung des Zuschauers? Der medientechnische Apparat wird hier also als eine empirische Größe in einer historischen Perspektive auf seine affektiven Funktionen befragt. Bisher sind medientechnische Apparate in einem ähnlich empirischen Verständnis in erster Linie Gegenstand der Kommunikationswissenschaft und der Mediensoziologie: Dort wird der Einfluss digitaler Medientechnik auf das Kommunikationsverhalten in verschiedenen Kontexten untersucht.4 Allerdings werden die medientechnischen Apparate dabei weitgehend als Kommunikationskanäle und Werkzeuge der Übertragung von Inhalten oder als Gegenstand sozialer Praktiken betrachtet, wobei die Funktion am Ende stets an der Repräsentationsleistung festgemacht wird. Affekte spielen dabei kaum eine Rolle. Zugleich bekommt die Frage nach der Affektivität und Emotionalität medialer Kommunikation in der Mediensoziologie, ebenso wie in praktisch allen kultur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen, immer mehr Gewicht.5 Auch hier aber stehen in der Regel die repräsentierten Inhalte im Mittelpunkt: Affekte werden als Effekt der Narration oder Repräsentation untersucht, wobei wiederum die technischen Kommunikationsgeräte als Träger der Inhalte in den Hintergrund treten. Die Arbeiten orientieren sich an psychologischen und kognitionstheoretischen Emotionskonzepten, in denen Emotionen als psychologische Zustände der Zuschauer verstanden werden, die sich als eine Reaktion auf den kognitiven Nachvollzug der Handlung des Films herstellen.6 Auf der einen Seite steht also die Forschung zum Zusammenhang von Medientechnik und kommunizierten Inhalten und daran geknüpften medialen Praktiken, auf der anderen Seite diejenige zum Zusammenhang von kommunizierten Inhalten und Affekt bzw. Emotion. Beide Seiten arbeiten sich an der Analyse der Repräsentationen und Informationsflüsse ab. Nach den konkreten Zusammenhängen der Medientechnik mit der Affektivität und Emotionalität der Zuschauer wird dabei bisher kaum gefragt, ebenso wenig wie nach den körperlich-sinnlichen Aspekten audiovisueller Kommunikation. Die technischen Apparate verbleiben im Status von Werkzeugen und Informationsvermittlern, ohne dass ihren eigenen, ganz technisch-materiellen Eigenschaften dabei Bedeutung beigemessen wird. Jonathan Crary dagegen nimmt in einer kunsthistorischen Untersuchung visueller „Betrachtungstechniken“ seit dem 19. Jahrhundert eben solche Ausdruckspotenziale analoger und digitaler Bilder in den Blick, die nicht auf der Repräsentationsleistung gründen, sondern durch die Apparaturen der Bilderzeugung ebenso wie durch den physiologischen Wahrnehmungsapparat des Zuschauers konstruiert werden und als künstlich hergestellte visuelle Räume beschrieben werden können.7 Allerdings entwickelt Crary dieses Konzept in Rückbindung an erkenntnistheoretische Diskurse, womit es kaum Anschlussmöglichkeiten für Fragen nach der Affektivität der Zuschauererfahrung bietet.8 Affektivität und Körperlichkeit in ihrem Verhältnis zu technischen Apparaten stehen wiederum im Zentrum des Interesses einer jüngeren Strömung der Medienwissenschaft, welche die unmittelbare Interaktion von Apparaten und Körpern in den Mittelpunkt stellt und damit eine Brücke schlagen möchte zum Forschungsbereich des „affective computing“ in der Psychologie und der Informatik.9 Der Affekt wird hier nicht als eine Eigenschaft ästhetischer Darstellungen gedacht, sondern in dem relationalen Gefüge verortet, in welchem menschliche Körper zu ihrer technisierten Umwelt in Verbindung stehen. Die Funktion der Medientechnik besteht dabei in erster Linie in der Organisation dieser relationalen Gefüge, also der Beziehungen von Körpern und Umwelten in ihrem unmittelbaren Kontakt. Marie-Luise Angerer etwa beschreibt diese Umwelten als technologisch strukturierte Milieus, in denen Körper in jeweils spezifischer Weise mit der Technik buchstäblich verschalten sind.10 Hierbei wird ein funktionales Verhältnis der Technik zu den Körperfunktionen und -sinnen konzipiert: Die Körper selbst werden an die technischen und digitalen Operationen der Apparate angeschlossen. Die Interessen dieses Forschungszweigs liegen denen der vorliegenden Arbeit auf den ersten Blick nahe und es scheinen durchaus konzeptuelle Parallelen darin auf, vor allem was die Relationalität von Affekten oder die verkörpernde Dimension der Nutzung medialer Technologien betrifft. Allerdings findet die Ästhetik medialer Darstellungen darin wenig Berücksichtigung: Die Betrachtungen beziehen sich stets auf die unmittelbare Verbundenheit von Körpern und Maschinen, wobei etwaige produzierte und rezipierte Bilder und Töne als expressive Größen ausgeblendet werden. Für die hier anvisierte Entwicklung des Begriffs der Anwendungsweise auf Grundlage einer Ausdruckstheorie des filmischen Bildes bietet er deshalb keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt. Es bliebe zu klären, inwiefern das audiovisuelle Bild als ästhetisches Konstrukt als ein Akteur innerhalb der technisierten Umwelten gedacht werden könnte, wie etwa Angerer sie beschreibt, und wie dadurch die beiden Forschungsperspektiven in Resonanz gebracht werden könnten. Dies wäre als ein eigenes Forschungsvorhaben an anderer Stelle zu verfolgen. Des Weiteren wird in einer ähnlichen Perspektive in der Medienwissenschaft unter dem Begriff der Medienästhetik diskutiert, inwiefern die technische Materialität medialer Apparaturen und kybernetischer Prozesse selbst eine bestimmte Form der Ästhetik ausbildet.11 Damit wird nicht weniger als eine Neubewertung des Ästhetischen in Zeiten hochtechnisierter Lebensumwelten angestrebt, in der Medientechnologien nicht mehr als „Artikulations- und Äußerungsmaschinen“ gefasst werden, sondern ihre „maschinischen“ Organisationsleistungen und Subjektivierungseffekte in den Blick geraten.12 Aspekte der Affizierung werden zwar implizit mitgedacht, sind aber auch hier nicht auf die Ästhetik medialer Darstellung bezogen. Hier ist anzumerken, dass in diesem Diskurs unter dem Begriff der Medienästhetik eine gänzlich andere Dimension des Medialen diskutiert wird als in dem Forschungszweig, an den diese Arbeit anschließen möchte und der sich ebenfalls dieses Begriffes bedient. Zwar teilen beide Diskurse ein zentrales Interesse, nämlich die Bestimmung des Ästhetischen technischer Medien vom Paradigma der Repräsentation abzulösen. Allerdings wird in der oben angesprochenen Forschungsrichtung zu diesem Zweck das...


Cilli Pogodda, Freie Universität Berlin, Berlin.

Cilli Pogodda
, Free University, Berlin, Germany.


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