Reinhardt | Die Geschichte der Schweiz | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 512 Seiten

Reinhardt Die Geschichte der Schweiz

Von den Anfängen bis heute
2. Auflage 2014
ISBN: 978-3-406-62207-6
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Von den Anfängen bis heute

E-Book, Deutsch, 512 Seiten

ISBN: 978-3-406-62207-6
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Volker Reinhardts lange erwartete große Geschichte der Schweiz verbindet auf eindrucksvolle Weise die politische Entwicklung der Eidgenössischen Konföderation mit der Geschichte ihrer Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. So entsteht ein einzigartiges historisches Panorama von der Antike bis heute. Kein anderes Land ist so vielfältig wie die Schweiz: Auf kleinstem Raum zählt man 26 Kantone mit weitgehender Autonomie, 4 Amtssprachen, 2 Konfessionen sowie unterschiedliche Klimazonen.
Volker Reinhardt geht der Frage nach, wie es zu der Konföderation von so unterschiedlichen Gebieten kommen konnte und warum diese trotz dauernder Kriege ein gemeinsames historisches Bewusstsein ausgebildet haben. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Kultur. Zwingli und Calvin, Rousseau und Pestalozzi, Max Frisch, Alberto Giacometti und viele andere Schweizer Künstler und Intellektuelle haben weit über die Landesgrenzen hinaus gewirkt. Die Schweiz ist ebenso bodenständig wie weltoffen: Gerade diese Spannung, so zeigt das Buch, macht Erfolg und Faszination des Landes aus.

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Einleitung
Ärgernis Schweiz: Im Frühjahr 2009 verglich der damalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück die Eidgenossen mit räuberischen Indianern, gegen die er die Kavallerie ins Feld schicken wollte. Am Ende stürmten die berittenen Truppen der Europäischen Union nicht die Festungen der Steuerhinterzieher in Zürich, Basel und Genf. Doch dafür fand sich die Eidgenossenschaft auf einer sogenannten grauen Liste derjenigen Länder wieder, die eine konstruktive Zusammenarbeit mit fremden Fiskus-Fahndern vermissen ließen – zusammen mit den Cayman-Inseln und anderen «Steuerparadiesen». Im November desselben Jahres wurde ein Gesetzesvorschlag, wonach der Bau von Minaretten an Moscheen verboten werden sollte, an der Wahlurne mit klarer Mehrheit angenommen, und das, obwohl die von fünf Parteien gestellte Regierung, der Bundesrat, die Ablehnung der Initiative empfohlen hatte. Sonderfall Schweiz: Für 2009 hat der Bund einen Überschuss von fast zwei Milliarden Franken erwirtschaftet, während die Verschuldung der meisten EU-Länder astronomische Höhen und nicht selten mehr als zehn Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts erreichte. Im selben Jahr wurde die Eidgenossenschaft zum Hauptauswanderungsland der Deutschen, speziell für Akademiker und andere hoch qualifizierte Spezialisten. Im Boulevardblatt Blick war daraufhin von Netzwerken deutscher Professoren die Rede, die die hoch dotierten Posten an eidgenössischen Universitäten auf undurchsichtigen Kanälen verschoben. Blättert man in der Chronik der laufenden Ereignisse zurück, häufen sich die irritierenden Vorkommnisse. Vor fast zwanzig Jahren stellte die Schweiz bei der Europäischen Union einen Aufnahmeantrag, der seitdem ruht – mangels Mehrheit in der Bevölkerung. Ende 1992 wurde selbst der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum an der Wahlurne verworfen. Stattdessen handelte die Eidgenossenschaft über den Anschluss zum Schengen-Raum hinaus zwei bilaterale Vertragspakete aus, die sie in Sachen Personenfreizügigkeit und Arbeitsmarkt einem EU-Land gleichstellen. In den Augen vieler Europäer lief das auf eine «light»-Mitgliedschaft hinaus: mit den Privilegien, doch ohne die Nachteile und Lasten. Ganz ähnlich fiel die Haltung zur Weltgemeinschaft der Vereinten Nationen aus. Noch 1986 wurde ein Beitritt per Volksabstimmung verworfen, und zwar unter Verweis auf die schweizerische Neutralität; diese hatte jedoch 1920 kein Hindernis dafür gebildet, der Vorläufer-Organisation der UNO, dem Völkerbund, beizutreten. Erst 2002 ließen sich diese Bedenken in einem neuerlichen Plebiszit mehrheitlich zerstreuen. Allerdings rief die stärkste Partei im Parlament, die Schweizerische Volkspartei, auch diesmal dazu auf, mit «Nein» zu stimmen – die Schweiz dürfe sich keinen fremden Herren unterwerfen. Fremde Herren? Zu Hause waren die Schweizer Männer lange Zeit allein die Herren, zumindest politisch. Erst im Februar 1971 votierte eine Mehrheit der männlichen Stimmbürger dafür, den Frauen die politischen Rechte auf Bundesebene zu verleihen. Derselbe Antrag war zwölf Jahre zuvor noch in 19 von 22 Kantonen negativ beschieden worden; in den drei französischsprachigen Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt stimmte schon damals die Mehrheit für die politische Gleichberechtigung der Geschlechter. Am Ende hatte diese 123 Jahre auf sich warten lassen. Schweizer Männer durften schon 1848 wählen und gewählt werden. Zu diesem Zeitpunkt war die Eidgenossenschaft die einzige Demokratie Europas. Doch warum dann diese Verzögerung beim Frauenstimmrecht? Seit 1938 hat die Schweiz vier offizielle Landessprachen: Französisch in der «Romandie» zwischen Genf, Neuenburg, Sion/Sitten und Fribourg/Freiburg, Italienisch im Tessin und in Teilen Graubündens, wo zudem Rätoromanisch gesprochen wird, Deutsch in den übrigen Landesteilen. Dazu gibt es de facto zweisprachige Kantone wie Freiburg, Wallis und Bern. Wie kann ein Land mit vier Sprachen funktionieren? Eine erste Antwort lautet: Um zu funktionieren, muss es kommunizieren. Ein Preis der Vielsprachigkeit heißt daher: übersetzen, vom Parlament bis zu den Medien. Die drei Hauptsprachgruppen haben selbstverständlich «ihre» Fernsehsender mit jeweils zwei Programmen, einzelne Beiträge werden auch auf Rätoromanisch ausgestrahlt. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage des Proporzes in Wirtschaft, Politik und Kultur: Wer stellt Führungskräfte in der Post, in der Nationalbank, im Hochschulrat, in den Akademien – und natürlich im Bundesrat? Hier ist eine Virtuosität der Verteilung gefordert, die Minderheiten zufrieden stellt, ohne die Mehrheit zu vergraulen. Doch reicht die hohe Kunst, jeder Sprach- und Kulturgruppe das Ihre zukommen zu lassen, nicht aus, um ein Land zusammenzuhalten. Dazu ist das Gefühl vonnöten, gemeinsam eine Nation zu bilden – was wiederum die Frage nahe legt, wie dieses Nationalbewusstsein in einem Land mit vier Sprachen und unterschiedlichen kulturellen Traditionen entsteht. Der Blick in die Medien legt Antworten nahe: Schweizer Goldmedaillen bei den Olympischen Winterspielen 2010 waren den Nachrichtensendungen aller Nationalsprachen eine erste Meldung wert; Roger Federer, der von allen Champions des weißen Filzballs die meisten Grand-Slam-Tennisturniere gewann, ist ohne Zweifel sprachgrenzenübergreifend der populärste Eidgenosse; und am Nationalfeiertag, dem 1. August, steigen in der Romandie mindestens ebenso viele Feuerwerkskörper in den Sommernachtshimmel wie in der «alemannischen» Schweiz. Andererseits fallen Volksabstimmungen in den Landesteilen weiterhin sehr unterschiedlich aus. Mit vorhersagbarer Regelmäßigkeit votiert die Romandie gegen allzu «ökologisch» angehauchte Initiativen; in Orten mit starken «grünen» Bewegungen wie Zürich fallen die Abstimmungen hingegen umgekehrt aus. Andererseits ergeben sich im Westen starke Mehrheiten für eine europäische Öffnung, der sich die Innerschweiz ebenso konsequent verschließt. Warum fällt ein solches Land nicht auseinander? Immerhin gibt es ja Alternativen. Warum haben sich die Tessiner nicht Italien, die romands nicht Frankreich, die Deutschschweizer nicht Deutschland angeschlossen? Und auch die Frage, wie sie überhaupt zusammen gekommen sind, harrt einer Antwort. Dasselbe gilt für die Frage, ob sich die multikulturelle Schweiz in einem Kontinent behaupten kann, der gleich zweifach andere Wege geht. Schließlich hat sich in Osteuropa nach dem Zerfall der sogenannten sozialistischen Staaten der aus dem 19. Jahrhundert stammende Grundsatz «eine Ethnie mit einer Sprache in einem Staat» weitgehend durchgesetzt, oft mit Greueln und Blutvergießen. Auf der anderen Seite haben 27 Staaten einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Souveränität an die Europäische Union abgetreten, die seit 2009 mit dem sogenannten Lissaboner Vertrag eine eigene Verfassung hat. Beiden Lösungen – der Aufsplitterung nach «Sprachnationen» wie dem supranationalen Zusammenschluss – verweigert sich die kleine Schweiz. Woher kommt dieser Wille zur Andersartigkeit und Eigenständigkeit? Wenn Europa offensichtlich für die Schweiz kein Vorbild ist, wäre zu fragen, ob die Schweiz ein Modell für Europa sein kann. Immerhin behaupten konservative Politiker im Nationalrat regelmäßig, die bessere Alternative zur viel geschmähten «Brüsseler Hyperbürokratie» zu bieten. Womit zu prüfen wäre, worin diese besteht und ob sie für andere Länder taugt. Ein Blick auf das eidgenössische Institutionengefüge lässt weitere Abweichungen hervortreten. Wenn wie in der Schweiz die meisten großen Parteien zusammen die Regierung bilden, bleibt wenig Raum für Opposition; zudem hat der Ausgang der Wahlen zum Nationalrat, der Abgeordnetenkammer des Parlaments, in der Regel keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Zusammensetzung der obersten Exekutive. Diese Eigentümlichkeit des eidgenössischen Politsystems lässt sich ganz unterschiedlich erklären. Besonders «helvetophobe» Stimmen verkünden, dass die Schweiz ein Land mit einem «Gemeinschaftskomplex» oder gar mit totalitären Tendenzen sei, nach der simplen Rechnung: keine Gegenkraft zu den Herrschenden, keine wirkliche Demokratie. Für konservative Lobredner hingegen hat die Schweiz die perfekte Volksherrschaft schlechthin, mit der Begründung: Wo alle an einem Strang ziehen, herrscht demokratische Harmonie. Für diesen Konsens spricht, dass auch die Vertreter und Vertreterinnen von politischen Strömungen, die der obersten Exekutive nicht angehören und daher Verletzungen von demokratischen Minderheitenrechten besonders wachsam registrieren, ihrerseits an die Tür der Bundesregierung pochen – so die Grünen im September 2009 bei der Besetzung des durch den Rücktritt Pascal Couchepins frei gewordenen Bundesratssitzes, allerdings erfolglos. Besitzt die Schweiz also die Zauberformel für politische Grundübereinstimmung bei gleichzeitiger Vielstimmigkeit der Meinungen und Ideologien? «Zauberformel» hieß seit 1959 der Verteilungsschlüssel, nach dem Liberale (FDP), Christlich-Konservative (CVP) sowie Sozialdemokraten (SP) zwei Bundesräte stellten, während der weiter rechts...


Volker Reinhardt, geb. 1954, ist Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg.



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