Reinhardt | Die Geschichte der Welt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2965, 144 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Reinhardt Die Geschichte der Welt

Völker, Staaten und Kulturen von den Anfängen bis heute
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-406-82955-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Völker, Staaten und Kulturen von den Anfängen bis heute

E-Book, Deutsch, Band 2965, 144 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-82955-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Geschichte der Menschen ist seit ihrer Sesshaftwerdung ein Mosaik aus Völkern und Reichen, die entstehen und vergehen, aus Religionen und Kulturen, die den politischen Niedergang überdauern – oder auch nicht. Trotzdem lassen sich, wie Volker Reinhardt zeigt, große Linien und Wendepunkte erkennen. Er erklärt, wie vor rund 5000 Jahren die ersten Reiche entstanden, welche Errungenschaften Bestand hatten, wo sich Wege friedlich oder kriegerisch kreuzten und wo es, etwa in Afrika und Südamerika, zu eigenständigen Entwicklungen kam. Als sich vor gut 500 Jahren Kaufleute, Könige und Konquistadoren von Europa aus aufmachten, die Welt zu erobern, begann eine Globalisierung von Wirtschaft, Kultur und Politik im Namen des Fortschritts und im Zeichen der Gewalt, die auch noch die vernetzte und polarisierte Welt der Gegenwart prägt.

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Wie schreibt man die Geschichte der Welt?
Wer die vor 37.000 Jahren gemalten Tierbilder in der Chauvet-Höhle gesehen hat, möchte Fragen stellen: Warum habt ihr das gemalt, zu kultischen Zwecken, um Wild zu verzaubern, aus Spaß oder zur Selbstvergewisserung und Selbstfindung? Es ist ein elementarer Wunsch des Menschen, in die Geschichte einzutauchen und auf Zeitreise zu gehen. Doch er ist fast so kühn wie der Wunsch nach Unsterblichkeit. Dass die Vergangenheit nicht wie die Mücke im Bernstein erhalten geblieben ist und nicht wiedererlebt werden kann, ist eine der vielen existenziellen Enttäuschungen des Menschen. Geschichtsschreibung war und ist daher ein Ersatz für etwas für immer Verlorenes: die Vergangenheit. Die drängendste Frage, die Menschen seit je an die Geschichte stellen, ist die nach dem Sinn: Wozu das verwirrende Spektakel aufsteigender und niedergehender Reiche, blühender und welkender Kulturen? Das macht Geschichte zu einer gefährdeten und gefährlichen Wissenschaft. Gefährdet ist sie, weil sie permanent Fragen beantworten soll, die sie nicht beantworten darf, wenn sie Wissenschaft sein will, etwa: Wie geht es weiter, in welche Richtung bewegt sich die Geschichte, was ist ihr Ziel? Und, untrennbar damit verbunden: Was müssen wir tun, damit die Geschichte dieses Ziel erreicht? Geschichte als Wissenschaft ist dazu verurteilt, zurückzublicken und zu erklären, wie und warum die Gegenwart das geworden ist, was sie ist. Seit den frühesten Mythen über den Ursprung der Welt haben sich verschiedene Modelle herausgebildet, um den Lauf der Geschichte zu deuten. Für Juden, Christen und Muslime steuert die Zeit auf ihr Ende und ein damit verbundenes Weltgericht zu, in dem nur die Gerechten auf Rettung hoffen dürfen. Mit dieser Endzeiterwartung war und ist häufig die Vorstellung von einem Niedergang und Verfall, vor allem in moralischer Hinsicht, verknüpft. Auch eine kreisförmige, von ewiger Wiederholung der Substanz bei wechselnden Erscheinungsformen im Einzelnen geprägte Bahn der Zeit war und ist vorstellbar, vor allem in den großen asiatischen Erlösungsreligionen. In der europäischen Aufklärung glaubten die einflussreichsten Historiker an einen zwar durch viele Rückfälle unterbrochenen und verzögerten, aber dennoch unaufhaltsamen Fortschritt. Dieser bestand für sie in der wissenschaftlichen Erfassung der Welt und im Aufstieg zu höheren Graden der Humanität. Um dieselbe Zeit brandmarkte der Genfer Gegen-Denker Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) die Zivilisation als Entfremdung des Menschen von sich und der Natur, konstruierte also einen zutiefst negativen Verlauf der Geschichte. Im 19. und 20. Jahrhundert verbreitete sich eine marxistische Spielart des Fortschrittsglaubens, nach der am Ende einer gesetzmäßigen Folge von Klassenkämpfen und Revolutionen eine egalitäre und befreite Gesellschaft steht. Im Gegensatz zu solchen endzeitlichen Modellen hat der italienische Historiker Francesco Guicciardini (1483–1540) Geschichte als Aufbruch ins Unbekannte verstanden, was sowohl die Übernahme von Rezepten und Lösungen der Vergangenheit wie Aussagen über die Zukunft kategorisch ausschließt. Das Zerstörerische, so Guicciardini, wird wie das Gute und mit diesem unauflöslich vermischt wiederkommen, aber nicht in Neuauflage, sondern in anderer, auch entgegengesetzter Gestalt. Obwohl sich diese Auffassung von Geschichte als Aufbruch ins Unbekannte als die einzig richtige erwiesen hat, wird sie bis heute auf breiter Front missachtet. Der Drang vieler Historiker, Ereignisse wie den Ukrainekrieg durch Vergleich mit früheren Krisen zu erklären und daraus politische Ratschläge abzuleiten, scheint übermächtig zu sein. Geschichtsschreibung ist gefährdet und gefährlich zugleich, weil in ihr Menschen über Menschen schreiben, was immer mit Parteinahme verbunden ist, die umso stärker (und offensichtlicher) wird, je näher die beschriebene Zeit der Gegenwart der Schreibenden steht. Historiker müssen sich dieser Gefahr bewusst sein und ihr entgegenwirken, aber gänzlich unterdrücken lässt sie sich nicht, denn auch und gerade die Geschichtswissenschaft ist immer vom Zeitgeist infiziert. Wissenschaftliche Geschichte gibt es daher immer nur in Annäherungen. Das hat viel damit zu tun, dass Geschichte mehr ist als die Rekonstruktion einer chaotischen Folge von Ereignissen. Wer Geschichte schreibt, muss Zusammenhänge erklären, Wendepunkte und treibende Kräfte definieren und Entwicklungsphasen voneinander abgrenzen, auch wenn sich die Geschichte als ein großes Fließen letztlich jeder Einteilung in präzise datierbare und definierbare «Epochen» entzieht. Mit einem Wort: Er muss Deutungen wagen. Es gibt verschiedene Ansätze, die globale Geschichte durch gemeinsame Merkmale ihres Verlaufs zu erfassen und zu klassifizieren, ohne daran Vorhersagen und Werte zu knüpfen. Ein großer Entwurf dieser Art ist das aus der europäischen Vergangenheit abgeleitete, aber bewusst auch auf außereuropäische Länder und Kulturen anwendbare Modell des neapolitanischen Kulturhistorikers Giovanni Battista Vico (1668–1744). Vico ging davon aus, dass die Menschen aller Erdteile gleich beschaffen sind und daher die historische Zeit mit denselben Etappen, allerdings in einem unterschiedlichen Rhythmus durchmessen: Zuerst kommt eine lange Phase der mystischen Zuschreibung aller großen Wirkungen an göttliche Mächte, dann eine Zeitspanne, in der sich aristokratische Individuen als Herren der Geschichte verstehen, und schließlich der Durchbruch zur Dominanz der Masse, die sich nach langer Bevormundung und Unterdrückung als die geschichtsgestaltende Kraft herausbildet und versteht. Globale Geschichtsdeutungen der Moderne wie Max Webers Entzauberung der Welt und Norbert Elias’ Prozess der Zivilisation stehen in Vicos Nachfolge. Will man Elias’ Begriff vom Prozess der Zivilisation auf die Geschichte der Welt beziehen, muss man ihn im Plural verwenden. Denn Zivilisationsprozesse verlaufen nicht nur in verschiedenen Räumen der Erde unterschiedlich, sondern auch innerhalb desselben Raumes und derselben Zeit in verschiedenen sozialen Gruppen. Zu dieser Erkenntnis gelangte schon der französische Philosoph und Historiker Voltaire (1694–1778) mit der scharfsichtigen Diagnose, dass einige Dutzend Kilometer von Paris entfernt die ländliche Bevölkerung in vormodernen, ja vorchristlichen Vorstellungswelten verhaftet lebt, während in der Hauptstadt die Aufklärung und mit ihr wissenschaftliches Denken Triumphe feiert. Eine solche Feststellung könnte im Jahr 2025 für viele Weltgegenden getroffen werden. Kontrovers diskutiert wird ohnehin, was als Maßstab für Fortschritt gelten soll. Der französische Soziologe Emmanuel Todd bemisst ihn an der Komplexität der Verwandtschaftsverhältnisse und Heiratsregeln. Moderne Gesellschaften mit ihren Kleinfamilien sind demnach viel «archaischer» als vermeintlich «traditionelle». Weltgeschichte und die kaum überschaubare Fülle ihrer Erscheinungsformen nach unterschiedlichen Verlaufsprozessen zu ordnen, zu sortieren und zu deuten, wie es im Folgenden geschieht, heißt ausdrücklich, auf Wertungen zu verzichten, nicht «Rückständigkeiten» oder Defizite auszumessen, sondern Diversität in all ihrer Vielfalt zu konstatieren. Zur Dynamik des historischen Wandels haben Austausch und Konkurrenz entscheidend beigetragen. Weltgeschichte ist immer auch eine Erzählung von Kommunikation, Handel und Migrationen und den damit verbundenen Anregungen und Bereicherungen, Austauschprozessen, Konflikten und Horizonterweiterungen, aber ebenso handelt sie von Eroberungen, Verdrängungen, Überlagerungen, Unterdrückungen und Vernichtungen. Die Weltgeschichte der Zivilisation und ihrer Prozesse ist daher immer auch eine Geschichte der Zerstörung gewachsener Lebensformen nach dem Gesetz des Stärkeren, so sehr das nach den ethischen Standpunkten des 21. Jahrhunderts auch zu bedauern ist. Versucht man schematisch, die Faktoren zu sortieren, die historischen Wandel bewirken, so entsteht der Staat ganz überwiegend im Interesse von schmalen Führungsschichten, die gegen den Widerstand der Masse ihre Macht steigern. Revolutionen gehen am häufigsten aus den Bestrebungen bislang blockierter Sekundäreliten hervor, die Anteil an dieser Macht oder diese Macht für sich allein wollen und sich zu diesem Zweck als Sachwalter der unteren Klassen ausgeben, die selbst nie an die Macht gelangen. Auch Religionen mit ihren Vorstellungen von einer universalen, im Übernatürlichen verankerten...


Volker Reinhardt ist Professor em. für Geschichte an der Universität Fribourg. Er hat bei C.H.Beck zahlreiche Bücher vorgelegt, u.a. „Die Macht der Schönheit. Kulturgeschichte Italiens“ (4. Aflg. 2022) sowie zuletzt „Esprit und Leidenschaft. Kulturgeschichte Frankreichs“ (2025). Für sein Lebenswerk wurde er 2020 mit dem Preis der Kythera-Kulturstiftung ausgezeichnet.



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