Rellstab | HENRIETTE | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 122 Seiten

Rellstab HENRIETTE

Eine Geschichte unserer Tage
1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-0327-7
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Geschichte unserer Tage

E-Book, Deutsch, 122 Seiten

ISBN: 978-80-272-0327-7
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In seinem Werk 'HENRIETTE' entführt uns Ludwig Rellstab in die Welt des 19. Jahrhunderts, in der die junge Henriette ihren Platz in der Gesellschaft sucht. Der Roman besticht durch seinen detaillierten historischen Hintergrund und den einfühlsamen Schreibstil des Autors, der die Leser in die Gedankenwelt seiner Protagonistin eintauchen lässt. Rellstab gelingt es, die gesellschaftlichen Normen und Einschränkungen dieser Zeit gekonnt darzustellen und thematisiert gleichzeitig zeitlose Fragen nach Identität und Selbstbestimmung. Mit 'HENRIETTE' schafft der Autor ein Werk, das nicht nur als literarisch herausragend, sondern auch als historisch bedeutsam betrachtet werden kann. Ludwig Rellstab zeigt sich hier als Meister seines Fachs, der gekonnt die Zwänge und Freiheiten seiner Figuren zur Geltung bringt. Ludwig Rellstab, selbst ein angesehener Schriftsteller und Historiker seiner Zeit, greift in seinem Roman 'HENRIETTE' auf sein umfangreiches Wissen über die Epoche des 19. Jahrhunderts zurück. Als Zeitzeuge und tiefgründiger Denker bringt er eine einzigartige Perspektive in das Werk ein, die es zu einem fesselnden und außergewöhnlichen Leseerlebnis macht. Rellstabs Hingabe zur historischen Genauigkeit und seine feinfühlige Darstellung der menschlichen Psyche machen 'HENRIETTE' zu einem Werk, das nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Für Leser, die sich für historische Romane und psychologisch komplexe Charaktere begeistern können, ist 'HENRIETTE' von Ludwig Rellstab ein absolutes Muss. Tauchen Sie ein in die Welt des 19. Jahrhunderts und begleiten Sie Henriette auf ihrer Reise zu persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung. Rellstabs Werk begeistert nicht nur durch seine sprachliche Finesse, sondern auch durch seinen tiefgründigen Inhalt, der noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis bleibt.

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3. Kabale und Liebe.


Wir machen einen Morgenbesuch bei der schönen Caroline, die als erste Sängerin bisher der Liebling der Residenz gewesen war. Mein Gott, in welchem Zustande treffen wir die Unglückliche an! In Thränen aufgelöst, das schöne Gesicht in ihr Tuch verbergend liegt sie matt auf der Chaiselongue und scheint mehr von ihrem Kummer zu träumen als darüber zu denken. Ein reizender Anblick, wenn er nur nicht so schmerzlich wäre. Wer pocht? Es ist Auguste, Carolinens Freundin, die erste Liebhaberin des Theaters. „Guten Morgen, geliebteste Freundin,“ ruft sie mit ihrer bezaubernden Stimme — „aber ums Himmels willen, was ist Dir? Was hast Du? Du bist ja ganz entstellt?“

Wie Auguste, du fragst noch? Du heuchelst selbst eine ruhige heitere Miene? Geh, Geh! Was sollen wir uns gegen einander verstellen. Glaubst Du, ich halte Deine Heiterkeit für natürlich?

Aber meine liebe Caroline, was sollte mir denn fehlen, ich bin so vergnügt. —

„Ich bin ja so selig, so glücklich, so fröhlich!“ O Du falsche Freundin! Man sieht, daß Du eine Schauspielerin bist. Ach ich bin freilich nur eine Sängerin, die bringen es nicht so weit in der Verstellungskunst.

Liebe, ich begreift Dich nicht.

Das ist mir zu arg. Nein für so falsch, so ohne Zutrauen gegen deine beste Freundin, hatte ich Dich nicht gehalten. — Riegle die Thür zu, daß uns niemand hören kann. — Auguste, willst! Du mich wirklich glauben machen, der gestrige Abend brächte Dich nicht aus Deinem Gleichmuth?

Ach Du meinst den Triumph der kleinen Sängerin, die, wie heißt sie doch gleich, Henriette, glaube ich. Was thut das mir? Wir haben so verschiedene Fächer . —

Aber ihr habt nicht so verschiedene Liebhaber. Glaubst Du, daß Dir die Deinigen treu sind? — Ha, hab ich den reizbaren Fleck getroffen? Sieh wie Du roth und blaß wirst. Auguste, komm an meine Brust, sey offen gegen mich; wir wollen unsern Herzenskummer gegen einander ausschütten. Ich bin in Verzweiflung (Sie weint.)

Ja Caroline, ich muss gestehen, auch ich habe Erfahrungen gemacht. O wir unglücklichen Frauen! O, die falschen leichtsinnigen Männer!

Caroline. So gefällst Du. mir, so bist Du meine Leidensgefährtin. Laß uns gegenseitig alles erzählen, und dann überlegen, was zu thun ist. Schon vorgestern, stell Dir vor, kam kein einziger meiner täglichen Verehrer zu mir. Alle waren sie in die Probe gegangen, wo die Henriette zum erstenmal sang.

Ach, mein Leiden fing schon einen Tag früher an. Denke Dir, ich spiele die Julie. In den Sperrsitzen sehe ich meine alten treuen Verehrer, die Räthe, Wicke und Hemmstoff und den Abbe. Sie wenden kein Auge von mir. Jede meiner Bewegungen, ich machte den stummen Knaben, wurde beklatscht. Aber im zweiten Akt, was geschieht? Das Gerücht verbreitet sich, die neue Sängerin sey angekommen, sie sitze oben im ersten Rang. Von dem Augenblick an sind alle Perspective, die bis dahin auf mich gezielt hatten, nach der Loge gerichtet. Kein Mensch achtet mehr auf mich, und die größten Effecte meiner Rolle gingen unbeachtet vorüber. Ich war außer mir!

Nun höre mein Schicksal. Vorgestern, wie gesagt, kam niemand. Aber gestern! Schon um Eilf ließ sich der Major Longtrain bei mir melden. Ich empfing ihn mit den Worten: Schon so früh Herr Major? Ein recht willkommenes unverhofftes Ereigniß. Ich vermuthete Sie erst um Zwölf! O meine schöne Caroline, erwiderte er, wer kann die Zeit erwarten, zu Ihnen zu kommen. Apropos, werden Sie heut im Theater seyn? Die neue Sängerin ist ganz bezaubernd.

Wie, das sprach er so rasch hinter einander fort?

Das war eben mein Aerger! Ich merkte ihm auch an, daß er zerstreut war, und endlich bricht er gar schon nach einer Viertelstunde auf, er den ich sonst nie los werden konnte!

Unerhört!

Sein Wagen hielt vor der Thür. Unter einem Vorwand schicke ich meine Jungfer herunter, schärfe ihr aber ein, abzulauschen, wohin der Major fahren will. Und denke Dir, er bestellte den Kutscher nach der A... Straße No. 70., wo sie wohnt.

Richtig! Als ich vorbeiging, sah ich den Wagen dort halten.

Um welche Zeit war das?

. Gegen zwei Uhr.

. O ich Unglückliche, so ist er dritthalb Stunden bei ihr gewesen, und bei mir eine Viertelstunde! Das überlebe ich nicht, und wenn er der einzige gewesen wäre! Aber gleich nach ihm fuhr der Lord Monday vorbei, grüßte herauf, und fuhr weiter. Abends in der Loge sagte er mir, er habe einen delicieusen Vormittag bei der allerliebsten Henriette verlebt. Der Baurath Rahmer, der sonst gar kein Visitenmacher ist, macht sich ebenfalls das abscheuliche Vergnügen, mir zu erzählen, daß er anderthalb Stunden bei ihr zugebracht habe. Der trippelfüßige Graf Sellin, der Justiz-Rath Udorf, der Banquier Rehlinger, sein langer Sohn mit der Brille und dem Carbonari Mantel, alle diese sind auch dort gewesen, denn mein Bediente hat den ganzen Morgen vor ihrem Hause stehen und mir rapportiren müssen, wer aus und ein ginge. Ach! Ich könnte noch ein Dutzend nennen, wenn michs nicht so angriffe!

Glaubst Du denn, daß es mir um ein Haar besser gegangen ist? Meinst Du, ein einziger meiner Anbeter habe sich bei mir sehen lassen? Selbst Brückbauer, der sonst so ungemein zuvorkommend gegen mich war, scheint mich beinahe nicht zu kennen. Aber was das Schlimmste ist, heut Abend, wo ich im Opernhause auftrete, wird es leer seyn; denn jetzt um 1 Uhr, als ich mich im Büreau erkundigte, war noch kein Drittel der Sperrsitze verkauft. O wir Unglücklichen! Alles läuft nach ihr.

Aber was zu thun? Was kann uns retten? Wie könnten wir die Feindin bekämpfen?

Höre, mir fällt etwas ein. Mag sie uns auch hier in der Stadt eine Zeitlang verdunkeln, denn ewig wird es hoffentlich nicht dauern, so wollen wir ihr doch auswärts den Triumph schmälern, so viel wir können. Es müssen Kritiken gegen sie erscheinen.

Richtig, herrlich Auguste Und Gedichte auf uns.

Vortrefflich! Ich will meinen ganzen Einfluß dazu in Bewegung setzen.

Laß uns einmal unsere Bekanntschaft mustern. An wen können wir uns wohl wenden?

Da ist z. B. der Recensent Schillibold Avecca; der muß mir eine Kritik gegen die Henriette schreiben. Er könnte z. B. sagen: „Er würde sehr gern etwas an ihr loben, wenn er nur nicht bei ihrem Spiel und Gesang eingeschlafen wäre.“

Recht so! Aber wir müssen sie recht gründlich und musikalisch durchhecheln lassen; dazu paßt niemand besser als der Redakteur Quark. Kennst Du ihn.

Nein, wer ist er?

Er giebt hier eine Zeitung heraus, und hat eine verrückte Oper geschrieben, eigentlich ein Capriccio fürs Orchester.

Ach jetzt besinne ich mich. Geht er nicht immer in Schuhen und weißen Strümpfen so hübsch einwärts vor sich hin?

Richtig, derselbe: in einem Caffesurrogatfarbenen Ueberrock. Man muß ihm einige Artigkeiten sagen, so ist er in unserm Dienst.

Das sind aber noch nicht genug Leute. Du must noch mehrere vorschlagen, besonders auch Dichter, um Verse auf uns machen zu lassen.

Da fällt mir eben einer ein; der ist wahrlich zu brauchen, ein intimer Freund vom Redakteur Quark, der Critikus und Poet Rennstein.

Den kenn ich ja gar nicht.

O besinne Dich nur, ein dicker Jüngling mit einem Schnurrbart und einer großen Brille.

Auguste. Ach ja, ich entsinne mich jetzt. Er thut etwas weise, und rümpft über alles die Nase.

Caroline. Derselbe; doch läßt sich mit der Nase eben nicht viel rümpfen, da sie etwas breit gerathen, ist. Das ist ein Mann, wie wir ihn brauchen. Er und Quark sind vertraute Freunde; sie könnten in der musikalischen Zeitung etwa eine Reihe von Critiken und Gegenkritiken drucken lassen, in welcher einer zwar dem andern im Ganzen immer Recht giebt, jedoch stets etwas hinzufügt, was der andere zu tadeln vergessen hat.

Herrlich! Und solch ein Streit macht Aufsehen. Könnte man nun noch außerdem die Person dieser Henriette, und einige unserer ungetreuen Anbeter lächerlich machen, so nähme das Publikum den lebhaftesten Antheil. Denn nichts hört man so gern mit an, als wenn über andere gespöttelt wird, oder zwei sich heftig zanken.

Du bringst mich auf den rechten Gedanken. Rennstein muß eine kritische Fehde mit irgend einem Lobhudler anfangen.

Wahrhaftig, ich weiß auch schon ein Blatt dazu, es kommt jetzt eine neue Zeitschrift von Saffian heraus.

Wie? eine Zeitschrift von Saffian? Wie ist das zu verstehen?

Je nun der Redacteur heißt Saffian, ein äußerst witziger, scharfsinniger Kopf. Das Blatt heißt die Höllenpost. Diese Post soll der übermüthigen Henriette schlechte Neuigkeiten bringen!

Mädchen, Du entzückst mich. O sie soll auch empfinden, was es heißt, gekränkt werden. Doch liebe Auguste, trotz aller dieser Anstalten geschieht noch nicht genug. Erstlich müssen noch mehrere Schriftsteller von Gewicht für uns arbeiten, und zweitens muß...



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