Buch, Deutsch, 226 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 215 mm, Gewicht: 332 g
Unternehmen zwischen Wettbewerb und kultureller Verantwortung
Buch, Deutsch, 226 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 215 mm, Gewicht: 332 g
ISBN: 978-3-593-38763-5
Verlag: Campus
Das verantwortungsbewusste Sozial- und Umweltverhalten von Unternehmen wird immer wichtiger und gilt als Ausweis für nachhaltiges Management. Kulturverträgliches Verhalten als Kriterium von Nachhaltigkeit ist jedoch nahezu unbekannt. Simeon Ries weist am Beispiel verschiedener Länder nach, inwiefern Unternehmensführung selbst eine kulturelle Leistung ist, die durch die Integration in Landeskulturen Wettbewerbsvorteile und Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen schafft.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Unternehmenskultur, Corporate Governance
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaft und Gesellschaft | Kulturwissenschaften Kulturpolitik, Kulturmanagement
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management Unternehmensführung
Weitere Infos & Material
Einleitung
1. Historischer und theoretischer Hintergrund - Stand der Entwicklung der Dimension Kulturverträglichkeit im Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden und dem Corporate Responsibility Rating
1.1. Entwicklung des Kriteriums "Kulturverträglichkeit" durch die Projektgruppe Ethisch-Ökologisches Rating (EÖR)
1.2. Theoretische Grundlage des von der Projektgruppe EÖR verwendeten Paradigmas der Nachhaltigkeit
1.3. Fazit
2. Das Rating der "Kulturverträglichkeit" im Corporate Responsibility Rating (CRR)
2.1. Aufbau und Struktur der Ratings im CRR und die Arbeitsweise der oekom research AG
2.2. Die Dimension Kulturverträglichkeit im CRR
2.3. Indikatoren der Dimension Kulturverträglichkeit im Unternehmensrating
2.4. Indikatoren für Kulturverträglichkeit in den Länderratings der oekom research AG
2.5. Nachhaltigkeitskultur und Interkulturalität
3. Unternehmerische Perspektiven der Kulturverträglichkeit
3.1. Wer sind wir? Wohin wollen wir? Wie gelangen wir dorthin? Einführung in Aufgaben und Struktur des Strategischen Managements
3.2. Designvorgabe oder Prozessentwicklung? Referenzmodelle des Strategischen Managements
3.3. Die Membran des Unternehmens zu Markt und Gesellschaft: Marketing Management als Werkzeug kultureller Entwicklung
4. Rückbindung der Wirtschaft in gesellschaftliche Aufgaben - Kulturverträglichkeit als Wettbewerbsvorteil
4.1. Ressourcen und Kompetenzen sind die Grundlage künftiger Wettbewerbsvorteile
4.2. Kernkompetenzen bestimmen Identität und Angebot des Unternehmens
4.3. Gesellschaftliche Entwicklung als Hintergrund Strategischen Managements
4.4. Fazit: Kulturverträglichkeit erschließt den Zugang zum Aufbau künftiger Markt- und Lebensbedingungen
5. Zur wechselseitigen Verträglichkeit von Nachhaltigkeit, Kulturen und Unternehmen - Ein Resümee
6. Literatur
7. Abkürzungsverzeichnis
8. Anhang
8.1 Struktur des Social Cultural Ratings (SCR)
8.2 Struktur des Environmental Ratings (ER)
8.3 Theoretische Parameter der Nachhaltigkeitskultur des Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens
Der Einfluss unternehmerischer Tätigkeiten auf die Kulturen wird seit den 1990ern unter dem Stichwort "Nachhaltigkeit", im angelsächsischen Raum unter Corporate Social Responsibility, CSR, diskutiert und zunehmend professionell analysiert. Im Vorhaben, Unternehmen auf ihre Nachhaltigkeit hin zu bewerten, wird der Blick auf drei Dimensionen gelenkt: die Verträglichkeit unternehmerischer Tätigkeit mit ökologischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten. Für unternehmerisches Handeln im Kontext immer prägnanter werdender internationaler wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer, pazifistischer und kultureller Herausforderungen eröffnen die Prinzipien der Nachhaltigkeit die Möglichkeit, innovativ an der Gestaltung künftiger Verhältnisse in Wirtschaft und Gesellschaft mitzuwirken. Zu ihrem spezifischen Aufgabenfeld gehört es dabei, innovative Wege zu finden, wie wirtschaftliche Erfolgsindikatoren jenen der Umwelt-, Sozial- und Kulturverträglichkeit beigeordnet werden können.
Im ökonomischen Kontext der Unternehmen offenbart "Nachhaltigkeit", dass die Kostenallokation nicht auf buchhalterische und bilanzielle Posten beschränkt ist. Heute wird davon ausgegangen, dass externe Gruppen durch die Aktivität einzelner Unternehmen als auch in der Gesamtheit wirtschaftlichen Handels finanziell belastet werden: Ressourcenverzehr und Umweltschäden belasten den jeweiligen Staatshaushalt; im deutschen System trägt die Solidargemeinschaft der Versicherten die Folgen gesundheitlicher Schäden durch Stress und Belastungen in Unternehmen. Die Auswirkungen auf die Kulturen lassen sich finanziell nur bedingt beziffern, weil deren Veränderungen sehr große Zeiträume umfassen. Trotzdem: die Einschränkung der kulturellen Vielfalt, zum Beispiel auch individueller Lebensentwürfe, führt zu einer Engführung kultureller Gestaltungsoptionen - mit deutlichen Konsequenzen für die Qualität ökonomischer Entscheidungen des Managements von Unternehmen. Für das Risikomanagement von Unternehmen und Gesellschaften sind Kreativität und Poetik notwendig. Sind deren kulturelle Grundlagen und Ausdrucksformen eingeschränkt, führt dies zu defizitären Entscheidungsfindungen, deren Kosten nicht abzuschätzen sind.
Nachhaltiges Wirtschaften vermeidet diese Externalisierung von Kosten, oder legt sie offen, wodurch sich die Spielregeln des heutigen Wettbewerbs wesentlich verändern. In diesem Sinne beschreibt und fordert die Projektgruppe Ethisch-Ökologisches Rating der Universität Frankfurt (Main) im Mai 2008 "Politische Leitplanken für nachhaltige Märkte und nachhaltigen Wettbewerb".
Thema und Fragestellung dieser Arbeit haben auf den ersten Blick einen theoretischen Charakter: die Entwicklung von Rahmenbeschreibungen und Modellen für die Verbesserung einer wissenschaftlich ausgearbeiteten Kriteriologie zur Bewertung der "Kulturverträglichkeit" von Unternehmen. Bereits Anfang der 1990er hat sich die "Projektgruppe Ethisch-Ökologisches Rating" (EÖR) der Universitäten Frankfurt (Main) und Stuttgart Hohenheim dieser Frage angenommen und 1996 den "Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden" (FHL) veröffentlicht. Die Gruppe bestand aus Personen, die sich angesichts von Zerstörung der Umwelt und Unterdrückung der Armen aktiv für die Überwindung konkreter und systemischer Ausbeutung einsetzten. Aus dieser zivilgesellschaftlichen politischen Praxis formulierten sie mit der sprachlichen Neuschöpfung "Bio-Überlebenssicherheit von Mensch und Mitwelt" ein visionäres Ziel. Sie stellten sich der Aufgabe, die Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf der Schnittstelle von Gesellschaft und Wirtschaft zu bewerten. Dieser Sitz im Leben ließ die Autoren nach sehr konkreten und realen Lösungen und deren Umsetzung suchen. Damit strebten sie auf eine verbesserte kulturelle Nachhaltigkeit von Unternehmen und auf einen konstruktiv geführten Dialog aller beteiligten gesellschaftlichen Kräfte. Als Ergebnis ihrer wissenschaftlichen Forschungen stellten sie im FHL eine umfassende Kriteriologie vor, die seitdem von der oekom research AG, München, als Ratingsytem (Corporate Responsibility Rating, CRR) umgesetzt wird.
Die Suche nach einer tragfähigen Beschreibung der Dimension Kulturverträglichkeit orientiert sich im Rahmen dieses Buches exemplarisch an der Entwicklung und Vertiefung des FHL und seiner praktischen Umsetzung im CRR, weil es bis heute das umfassendste Instrumentarium zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen im deutschsprachigen Raum darstellt.
In den vergangenen Jahren wurden sowohl die Indikatoren des CRR als auch deren theoretische Grundlagen im FHL sukzessive durch die wachsende Erfahrung der Analyse börsennotierter Unternehmen mit neuen Fragestellungen konfrontiert. Die Verbesserung insbesondere von Fokus und Präzision der Kriterien führte zu eine doppelten Anpassung: Auf der praktischen Ebene wurde eine Standardisierung der aussagekräftigen Indikatoren und deren Bezug auf einzelne Branchen vorgenommen. Durch die wachsende Anzahl der analysierten Unternehmen konnten die Bewertung der Nachhaltigkeit spezifiziert und die Bestimmung der ausschlaggebenden Indikatoren vorangetrieben werden. Die Erfahrung der Bewertung von Unternehmen im CRR regte die Weiterentwicklung der Kriterien des FHL auf der theoretischen Ebene an. Im November 2000 widmete sich in Frankfurt ein internationales Symposium dem Thema "Intercultural responsibility of the ethical assessment of enterprises according to the criteria of cultural, social and environmental sustainability". Chancen und Grenzen der Dimension "Kulturverträglichkeit" wurden aus den unterschiedlichen Perspektiven exemplarischer Kulturen aller Kontinente beleuchtet. Die Diskussionen bestätigten die Bedeutung dieser Dimension; eine einheitliche Definition konnte jedoch aufgrund eben der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Kontexte nicht gefunden werden.
Grundlage des FHL ist die Beschreibung der Nachhaltigkeitskultur, die die "Bio-Überlebensicherheit" gewährleistet. Sie beschreibt Modelle nachhaltiger Wirtschaft und konstruktiven Wettbewerbs und ordnet Unternehmen in das damit etablierte Spannungsfeld ein: Die Entscheidung zwischen neo-liberalen Markttheorien und deren Instrumenten auf der einen, und denen der Kultur der Nachhaltigkeit und ihrer Ausprägungen auf der anderen Seite ist nicht nur durch wirtschaftliche Ziele bestimmt, sondern vor allem durch eine dezidiert ethische, weil handlungsorientierende Komponente. Wie zu zeigen sein wird, hat die Dimension "Kulturverträglichkeit" bislang eine doppelte Ausrichtung: Sie untersucht den Einfluss von Firmen auf diejenigen nationalen und regionalen Kulturen, in denen diese unternehmerische Aktivitäten unterhalten. Als Modell der Nachhaltigkeitskultur verweist sie auf die Eigenständigkeit der Kulturen und stellt sie in den interkulturellen Kontext.
Es steht außer Frage, dass Unternehmen einen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung ihrer Umgebung haben. Die ethische Bewertung der Kulturverträglichkeit lässt sich jedoch nicht darauf beschränken, die Intensität der kulturellen Einflussnahme zu analysieren. Vielmehr richtet sie das Augenmerk auf Art und Ziel der Intervention. Deshalb ist ein Unternehmen nicht gleich kulturverträglich, wenn es wenig oder keinen bestimmbaren Einfluss auf nationalen Kulturen hat. Kulturverträglichkeit verweist vielmehr auf die Einbindung in die kulturelle Entwicklung eines Landes oder eines Volkes, durch die die "Bio-Überlebenssicherheit von Mensch und Mitwelt" ermöglicht wird. Wirtschaftliche, soziale, politische und hegemoniale Systeme und Verhältnisse sind das Materialobjekt der Kulturen, in deren Rahmen die Nachhaltigkeitskultur etabliert werden soll. Kulturell verträgliche Unternehmen weisen eine Nähe zu den Paradigmen der Nachhaltigkeit auf und organisieren aktiv einen eigenen Beitrag zur Entwicklung der politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse ihrer Umgebung.
Im kirchlich-pastoralen und missiologischen Zusammenhang zeige ich den Ansatz der Foucault-Schwestern im brasilianischen Mato Grosso auf, nach dem bereits der interessenfreie Kontakt von Vertretern unterschiedlicher Kulturen zur Veränderung der Gastkultur führt. Die Ordensfrauen leben seit über vierzig Jahren im Dorf des Indiostammes der Tapirapé, teilen deren Lebensbedingungen und kulturelle Entwicklung im Kontakt mit der verfassten brasilianischen Gesellschaft. Als anerkannte Gäste der Gemeinschaft tragen sie zur ökonomischen und sozialen Sicherung des Stammes bei. Ihre Erfahrung zeigt, wie allein das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft die kulturelle Integrität der Gemeinschaft beeinflusst. Diese Erkenntnis hat grundsätzliche Auswirkungen auf die Lebens- und spirituelle Arbeitsweise der Ordensfrauen:
"When we discussed at night the reasons for the strange missionary attitude of the Christians in the Tapirapé village, it was explained that it was an example of the daily practice of the principles of lifestyle and evangelizing presence of the missionaries in the religious communities created by father Charles de Foucault- a rare, intriguing silent presence, whose inspiration is the non-public life of Jesus of Nazareth. A testimony of Christian experience based on the unlimited respect towards the ways of living and being of the welcoming societies, wether tribal or not. An active involvement in human rights issues regarding the people, communities and peoples with whom one lives. A respectful exemption from any conversion activity, more public and motivated that the mere live presence of the missionary as the witnessing testemonial of a Christian life. There is nothing to preach about - and this very word does not apply - because there is no other to convert. Only the meanings and values of the destiny and cultural vocation of each person or group of others".
Dieser Ansatz im monastischen und evangelisatorischen Kontext ist aufgrund der spezifischen Motivation und persönlichen Option nicht einfach auf unternehmerische Aktivitäten und deren Einfluss übertragbar. Er zeigt jedoch auf, wie die Relation von eigenem Interesse und der Einbindung in die kulturelle Entwicklung der Gastkulturen aktiv zu definieren ist. Dabei nehmen soziale und ökologische Themen in der spezifisch kulturellen Prägung eine zentrale Rolle ein. Unternehmen mit internationalen Aktivitäten treffen ebenfalls auf einen vergleichbaren kulturellen, sozialen und ökologischen Kontext und müssen ihre eigene Position und ihren Beitrag dazu beschreiben und umsetzen. Wie später zu zeigen sein wird, öffnet sich zurzeit die befristete Gelegenheit zur aktiven Beteiligung an der Entwicklung der Nachhaltigkeitskultur und zur Etablierung eines Wettbewerbsvorteils.
Die im FHL zugrundegelegte Theorie findet ihre Ausdrucksform im CRR, wie es von der oekom research AG durchgeführt wird. Es erhebt den Anspruch, neben der ökologischen und sozialen auch die kulturelle Nachhaltigkeit von Unternehmen zu bewerten. Wenngleich Thema und Anliegen eine konstitutive und wesentliche Bedeutung haben, erscheint es angesichts der Komplexität der Dimension des Begriffs "Kulturverträglichkeit" schwierig, der Bewertung ein definiertes Set von Indikatoren zugrunde zu legen. Dies umso mehr, als das Verständnis von Kulturverträglichkeit des FHL mindestens eine doppelte semantische Zielrichtung hat: die Definitionen und Konnotationen der Kulturverträglichkeit auf der einen, und die der interkulturellen Phänomene auf der anderen Seite. Die Definition der Nachhaltigkeitskultur im FHL gibt das Ziel und die Aufgabe für alle Kulturen vor, das es mit einer eigenen semantischen Wortschöpfung umschreibt: die "Bio-Überlebenssicherheit von Mensch und Mitwelt". Dieser Begriff kann in andere Sprachen und Kulturen übertragen werden. Im vorwiegend buddhistisch geprägten Bhutan zum Beispiel orientiert sich das offizielle nationale Ziel nicht allein am Bruttosozialprodukt, sondern am "Gross National Happiness" - dem Glück der Bewohner des Landes: "In translation, this means that economic development, a goal for much of humanity, is only a means to the real goal of happiness". Dies führt in Bhutan zu einer besonderen Politik in Bezug auf den Aufbau der Tourismus-Industrie:
"As a traditional society existing in modern times, we are a living culture. And we hope that our tourism will be an exchange of the human experience and not just a business… We would like our guests to truly understand our country and people. Our stories tell of who we are. Why is it that we want to preserve our traditions and our values? What are the challenges we face in a rapidly changing world? […] We request that they (the foreigners) not only understand Bhutan's aspirations, but that they help us to achieve the visions that have made Bhutan an example of balanced ecology, sustainable growth and happy people".
Wirtschaftsunternehmen, die sich als Partner zum Gestalten einer solchen nachhaltigen Entwicklung verstehen, können daraus ableiten, dass sie die eigenen Ziele mit jenen eines größeren Kontextes - und nicht nur eines definierten Marktes - produktiv in Übereinstimmung bringen. Das Unternehmensrating zielt auf eben jene Korrelation zwischen unternehmerischen Entscheidungen und überwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Deshalb stellt das zweite Kapitel der theoretischen Grundlage des FHL mit der Bewertung von Unternehmen seine praktische Umsetzung im CRR gegenüber. Nach Analyse von Struktur und Formulierung ausgesuchter Unternehmens-, Branchen- und Länderratings lässt sich festhalten, dass in allen Dimensionen Indikatoren verwandt werden, die in der Summe dazu verhelfen, die Nähe eines Unternehmens zu den Paradigmen der Nachhaltigkeit einzuschätzen. Die Komplexität der Dimension "Kulturverträglichkeit" findet im CRR ihren Widerhall darin, dass sich in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, nämlich die Umwelt-, Sozial- und Kulturverträglichkeit kulturrelevante Indikatoren feststellen lassen. Dies mag erklären, warum eine umfassende systematische Bewertung kultureller Nachhaltigkeit nur schwer umzusetzen ist. Die Anzahl der kulturellen Indikatoren ist in der Dimension Umweltverträglichkeit aufgrund ihrer Relevanz für die Themen der Nachhaltigkeitskultur am höchsten. Kombiniert mit den Aussagen des Branchenratings erschließt das Unternehmensrating CRR die im direkten Vergleich mit anderen Unternehmen relative Nähe zur Nachhaltigkeitskultur. Weil sie sich als Korrektiv für die Übermacht ökonomischer Ziele verstehen, stehen die Indikatoren tendenziell im Wettbewerb mit der klassischen Umsetzung wertschöpfender Prozesse. Auch wenn die theoretische Grundlage davon ausgeht, dass sich wirtschaftliche Interessen mit dem Aufbau nachhaltigen Wirtschaftens auf breiter Basis vereinen lassen, laufen die Indikatoren Gefahr, eine negative Gleichung zu bestärken, nach der nachhaltiges Wirtschaften potenziell Gewinne reduziert.
Die Auswertungen der Indikatoren können als Grundlage von Maßnahmen zur Korrektur nicht nachhaltiger Wirtschaftsweisen genutzt werden. Maßnahmen zur Koppelung nachhaltigen Wirtschaftens mit einer gesteigerten oder zumindest stabilen Wertschöpfung stehen nicht im Fokus, weil die Nachhaltigkeitskultur als Gegenentwurf zum Primat der Wirtschaft vor der Gesellschaft und der Instrumente obstruktiven Wettbewerbs verstanden wird. Als Regulativ wird angesichts der Strukturen in der Weltwirtschaft den Staaten nur eine geringe Bedeutung eingeräumt. Der moralische Druck soll mit den Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage ausgeübt werden - was nur bedingt dazu beiträgt, Einzelunternehmen als Akteure zum Aufbau der Nachhaltigkeitskultur zu bewegen.
Die Indikatoren des Länderratings schließlich orientieren sich an den Parametern des Unternehmensratings und untersuchen offizielle Verfassungsgrundlagen, das politische Klima und die messbaren ökologisch relevanten Emissionen. Allerdings unterliegen Indikatoren wie das "Recht auf gewerkschaftliche Vertretung" explizit kulturellen Prägungen, die im Bereich der Kulturforschung zu einer entsprechenden Clusterung geführt haben. Dadurch besteht die Möglichkeit, interkulturelle Themen aufzugreifen und mit der Erfahrung von Unternehmen abzugleichen. Diese können auf die Ergebnisse intensiver Forschung zurückgreifen.
Der Schwerpunkt des FHL und des CRR bleibt im Verlauf meiner Überlegungen mit der Nachhaltigkeitskultur eng verbunden. Es geht also nicht um eine rein deskriptive Analyse nationaler kultureller Gegebenheiten, sondern um eine erneute Einschätzung der Nähe und Distanz zu der dem FHL zugrunde liegenden Nachhaltigkeitskultur.
Die Ratings haben in der Dimension "Kulturverträglichkeit" eine hohe Aussagekraft über die Neigung eines Unternehmens, sich den Parametern der Nachhaltigkeitskultur anzunähern. Aufgrund der Schwierigkeit, einheitliche und vergleichbare Informationen von Unternehmen zu erheben, muss bei der Bewertung der Kulturverträglichkeit von einzelnen Indikatoren auf das gesamte Unternehmen und die Branche geschlossen werden. Die persönliche Erfahrung und Einschätzung der Analysten und des Teams definieren die Qualität der Bewertung.