Röder | Die Seelen von Stambul | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 10, 440 Seiten

Reihe: Karl Mays Magischer Orient

Röder Die Seelen von Stambul

Der Sultan ohne Namen - Teil 1
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7802-1410-2
Verlag: Karl-May-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Sultan ohne Namen - Teil 1

E-Book, Deutsch, Band 10, 440 Seiten

Reihe: Karl Mays Magischer Orient

ISBN: 978-3-7802-1410-2
Verlag: Karl-May-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Kara Ben Nemsi erhält Besuch von zwei Fremden in Radebeul, die ihm eine Einladung zur Hochzeit von Sir Austen Henry Layard und einer gewissen Constanza Venessia überbringen. Dies kommt ihm merkwürdig vor, und als er auch noch einen verzweifelten Brief von seinem Freund Haschim erhält, macht er sich in geheimer Mission ein weiteres Mal auf nach Stambul. Dort geht Ungeheuerliches vor: Eine namenlose neue Macht greift um sich und übernimmt die Kontrolle über Bürger der Stadt. Gemeinsam mit alten und neuen Freunden bekämpft Kara erneut das Böse - in verschiedenen Welten.

Alexander Röder, geboren 1969, studierte Literaturwissenschaften und Kulturforschung. Er lebt heute in Marburg. Mit seinem ersten historischen Roman 'Der Mönch in Weimar', der das Treffen zwischen Goethe und dem Gothic-Novel-Autor M.G. Lewis schildert, war er 2014 auf der Shortlist für den SERAPH der Phantastischen Akademie e.V. in der Kategorie 'Bestes Debüt'. Für 'Karl Mays Magischer Orient' verfasste er bisher den vierteiligen Zyklus um den Mächtigen Al-Kadir und die Rückkehr des Schut, einen Beitrag zum Episodenroman 'Sklavin und Königin' sowie den daran anknüpfenden Band 'Auf der Spur der Sklavenjäger'.

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Alexander Röder
Erstes Kapitel
Rückkehr nach Stambul
Die Stadt hatte sich verändert. Oder war ich es, der sich verändert hatte? Ich stand an der Reling des Dampfers, als er im Hafen anlegte. Hinter mir stieg dünner grauer Rauch aus dem Schornstein in den matten Himmel, vor mir sah ich den Dunst der Kamine von Stambul. Die Luft war drückend, es mochte bald ein Gewitter geben. Die Hitze des beginnenden Monats August lag schwer über dem Bosporus, ohne Hoffnung auf kühlende Winde vom Schwarzen Meer. Das trübe Wasser des Hafens war brackig und verdreckt, und über den Dunst von fauligen Algen wehte der schwere Odem der Metropole. Die winzigen Wellen zwischen dem eisernen Rumpf des Dampfers und der steinernen Kaimauer tanzten wie die Wogen der Menschen an Land, die hin und her eilten, dabei Packen und Waren trugen und laut durcheinanderriefen. Aus den angelegten Schiffen und Booten traten die Passagiere zum Landgang und die Schauerleute, um die Ladung zu löschen. Über den Fischerboten schwärmten und kreischten die Möwen. All dies schien mir fahrig und wirr, sogar bedrohlich, nach meinen ruhigen Wochen in der Heimat, in denen ich fleißig geschrieben hatte und eifrig gewandert war, in Gelassenheit und Einsamkeit. Nach der Stille von Stube und Wald und der sächsischen Gemütlichkeit brach die ungestüme Wildheit des Orients auf mich ein, als wäre es das erste Mal, dass ich dergleichen erlebte. Hier in Stambul trafen sich Abendland und Morgenland, und nicht allein, weil die Stadt in zwei Teilen auf zwei Kontinenten lag. Eine Landreise über den Balkan machte den Übergang zwischen diesen beiden Weltteilen allmählich erfahrbar, die Schiffspassage hingegen endete mit plötzlichem Sturz. An Bord ging man im Okzident, dann folgten gleichförmige Tage auf See, und im Orient ging man von Bord. Dies musste jeden Reisenden verblüffen, ja erschrecken. Ein Ehepaar aus Schweden ging an mir vorüber und grüßte zum Abschied: „Farväl! En trevlig och lyckad vistelse!“ „Auch Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Leben Sie wohl!“ Ich hatte die beiden flüchtig kennengelernt, da ich nähere Reisebekanntschaften gemieden hatte, doch nicht so strikt, dass ich als Sonderling aufgefallen wäre. Ich hatte einen falschen Namen angegeben und eine falsche Identität vorgespielt, was ich geübt beherrschte. Ich war freundlich, aber unverbindlich. Unauffällig. Ich fürchtete Spione, die mich entlarven könnten. Es rächte sich, dass ich im Abendland als Schriftsteller und im Morgenland als Abenteurer und Kämpfer für Gerechtigkeit weithin bekannt war. Ich musste mich tarnen, als wenig erfahrener, wenig gereister Mann, der die weite Welt kaum kannte. Hier an der Reling ließ ich meinen sachte staunenden Blick schweifen, als sähe ich Stambul oder gar überhaupt einen orientalischen Hafen zum ersten Mal. Das Spiel fiel mir leicht: Tatsächlich drangen die Eindrücke sehr heftig auf mich ein, Warum fühlte ich derart? Ich, der ich den Orient über Jahre am eigenen Leib erlebt hatte und später im Geist noch einmal, als ich meine Erlebnisse niederschrieb. Ich glaubte mich stets ganz und gar vom Orient durchdrungen und somit gegen alle Verwunderung oder Abscheu gefeit, gewissermaßen fühlte ich mich selbst als Teil des Orients, meines Wesens wegen und meiner Profession. Wie konnte es also sein, dass ich hier, angesichts der Stadt Stambul, eine ungekannte Unsicherheit spürte, die mich mit weißen Knöcheln die Reling umklammern ließ? Es musste die dreifache Botschaft sein, die ich erhalten hatte. Die Nachricht von einer Hochzeit, welche keine Freude, sondern Sorge auslöste, war ohnehin bedenklich. Die Kunde von der Bedrohung einer ganzen Weltgegend und der Gefahr, in der ein enger Freund sich befand, musste auch den tapfersten und zuversichtlichsten Mann erschüttern. Und nun empfand ich auch die Rückkehr nach Stambul nicht als glückliche Wiederkunft, wie sie jenem verheißen wird, der in Rom eine Münze in den Trevibrunnen wirft. Mir schien, dass die Stadt und ihre Menschen mir nichts Gutes wollten. „Obacht!“ – „Fort da!“ – „Aufpassen!“ – „Schneller!“ – „Aus dem Weg!“ All die Rufe, die von der Kaimauer zu mir heraufdrangen, schienen mir zu gelten. Kein freundliches Willkommen. Dabei war mir all dies vertraut: Ich war vor Jahren zum ersten Mal nach Stambul gekommen, mit meinen Gefährten Halef und Sir David, auf der Spur von Verbrechern, den Entführern und Mördern Abrahim-Mamur und den Brüdern El Amasat. Im Laufe dieses Abenteuers hatten wir den Schurken namens Schut kennengelernt und zur Strecke bringen können. Vermeintlich aber nur, denn später kehrte ich zurück, um mit den gleichen Freunden den üblen Magier Al-Kadir zu stellen und dessen Bruder, just jenen wiederauferstandenen Schut. Letzteren besiegten wir endgültig, den anderen erst Monate später, als wir in den Bergen des Kaukasus hinüber in die Geisterwelt wechselten und dort mit Hilfe der weisen Marah Durimeh den machtgierigen Zauberer vernichten konnten. Nun sah ich zum dritten Mal Stambul vor mir. Erneut als Ausgangspunkt eines Kampfes gegen Verbrecher und das Böse. Der Feind war eine unbekannte Macht, die noch unheilvoller und gefährlicher war, als es der Schut und Al-Kadir je gewesen waren. Und diese wiederum ließen die Schurken Abrahim-Mamur und El Amasat wie schäbige Straßenräuber und Messerstecher erscheinen. Das dritte Mal in Stambul. Aller guten Dinge sind drei, sagt man im Volksmund, wenn man die deutsche Sprache spricht. The third time is the charm, hätte Sir David gesagt. Und damit nicht den bezaubernden französischen charme gemeint, sondern britischen Pragmatismus. Der englische Ausdruck setzt darauf, dass beim dritten Anlauf eine Unternehmung gelingt. Ende gut, alles gut. Doch der Kampf gegen das Verbrechen und das Böse endet nie, das Böse ist ewig und auf einen Verbrecher folgt der nächste. Aber die Verbrechen zu verhindern, welche das Böse gebiert, ist ein Erfolg. Das war das gute Ding im deutschen Sprichwort. Der charm in der englischen Redewendung ist der französischen charme in seiner alten Bedeutung als Zauberspruch. Wie passend! Meine Rückkehr nach Stambul war auch meine Rückkehr in den magischen Orient. Und so löste ich den Klammergriff um die Reling und führte die rechte Hand zu meiner Westentasche mit dem Talisman darin: dem magischen Sechseckring, dem Musaddas, der mich die Dinge in ihrer wahren Gestalt sehen ließ, falls sie von Zauberei verschleiert wurden. Und wieder spürte ich jene Gabe, die ich nach dem magischen Schachduell gegen Al-Kadir errungen hatte: Gefahren zu spüren, die nicht von dieser Welt waren. Und mit meinen wachen Sinnen und meiner Menschenkenntnis war ich gewappnet, allen Dunst von Zweifeln und Ängsten zu durchdringen, auch die Täuschungen und Schliche der Gegner. „Viel Erfolg bei Ihren Geschäften“, brummte eine Stimme im Vorübergehen. Es war ein beleibter Tuchhändler aus dem Elsass, mit dem ich kurz ins Gespräch gekommen war. Ich selbst hatte mich als Privatier aus Karlsbad ausgegeben und dabei den böhmischen Akzent passabel nachgeahmt. Schließlich liegt Karlsbad bloß einen Katzensprung auf der anderen Seite meines geliebten Erzgebirges. Und um meine Flunkerei noch näher an die Wahrheit zu bringen, hatte ich erzählt, in Istanbul geschäftliche Kontakte mit örtlichen Tabakhändlern knüpfen zu wollen, da ich aus Liebhaberei eine kleine Tabak-Trafik eröffnen möchte. Der türkische Tabak sei ja so beliebt und gelobt wie die türkischen Teppiche und Seidenstoffe, nach denen es den Tuchhändler gelüstete, und dieser hatte genickt. Auf meinen Reisen rauche ich jeweils jenen Tabak, der lokal angebaut wird. Es geht mir also im Wilden Westen nichts über eine Zigarre aus Virginia, aber davon schwieg ich. Ich schwärmte dem Mann aus dem Elsass vor, wie sehr ich mich freute, den süßen Orienttabak vor Ort zu genießen, statt importierte Ware zu rauchen. Dass ich zu diesem Zeitpunkt, wie auch jetzt, eine Dresdner Zigarette zwischen den Fingern hielt, unterstrich meine Worte. Insgeheim freute ich mich auf Tschibuk und Nargileh, reinen Tabak ohne Papier drumherum. „Ihnen ebenso“, gab ich zurück und winkte mit der Zigarettenhand. Dann nahm ich einen letzten Zug und warf die halb in Rauch aufgegangene Erinnerung an die Heimat über die Reling. Ich atmete tief den Geruch des Hafens ein, schmeckte dem letzten Rest von klarer Meeresbrise nach, die ich während der Passage genossen hatte, und dachte an die Waldluft von Sachsen, an meinen Schreibtisch am offenen Fenster, durch das die Gartendüfte drangen. Dann vergaß ich all dies, und schon spürte ich über dem Odor des Brackwassers und der Algen den Rauch der Kohlenfeuer, über dem Kebab briet, und den Rußgeruch der orientalischen Öllampen – die ätherische Schärfe der Gewürze des Orients und die stechenden Dünste der Maultiere und der Menschen – das Rosenwasser und das Räucherwerk. Ich fühlte von Ferne die elektrischen Kräfte des nahenden Gewitters und die mystischen Energien der Zauberei, das Klirren von Klingenstahl und die donnernden Schüsse von Gewehren. Alles war mir Omen und Erwartung. Der Kampf und das Abenteuer konnten beginnen. Ich schritt die Reling hinab und ließ den Blick schweifen. Auf den Steinen der Mole angekommen, packte ich mein Gepäck fester, als würde ich darum fürchten. Dann ging ich mit leicht schwankendem Gang weiter, als beträte ich nach meiner ersten längeren Seereise wieder den ungewohnt festen Boden. Ich bemühte mich, dieses Schauspiel dezent aufzuführen, um die vermuteten Spione nicht durch eine...


Alexander Röder, geboren 1969, studierte Literaturwissenschaften und Kulturforschung. Er lebt heute in Marburg. Mit seinem ersten historischen Roman "Der Mönch in Weimar", der das Treffen zwischen Goethe und dem Gothic-Novel-Autor M.G. Lewis schildert, war er 2014 auf der Shortlist für den SERAPH der Phantastischen Akademie e.V. in der Kategorie "Bestes Debüt". Für "Karl Mays Magischer Orient" verfasste er bisher den vierteiligen Zyklus um den Mächtigen Al-Kadir und die Rückkehr des Schut, einen Beitrag zum Episodenroman "Sklavin und Königin" sowie den daran anknüpfenden Band "Auf der Spur der Sklavenjäger".



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