Röser | Auf der Spur des unbekannten Gottes | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Röser Auf der Spur des unbekannten Gottes

Christsein in moderner Welt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-451-82568-2
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Christsein in moderner Welt

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-451-82568-2
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Worum geht's hier eigentlich? Um Kirche, um Strukturen, um Pfründe? Oder vielleicht doch um Gott? Um das, was das letzte Ziel, der letzte Sinn der Existenz ist und sein kann. In diesem Sinn will das Buch einen Gegenakzent setzen gegen die geläufigen, im Grunde bereits totgerittenen kirchlichen Unterhaltungsthemen. Die kritische Rückfrage begibt sich auf die Spur des unbekannten Gottes im Kontrast zu den konventionellen Glaubensvorstellungen, die Gott als den irgendwie Bekannten nahelegen. Daraus ergeben sich Perspektiven für ein modernes, zukunftsorientiertes und zukunftsfähiges Christsein. Für eine Religiosität, die sich dem Faktum eines prozesshaften, entwicklungsoffenen Universums von Materie und Geist, Unbelebtem und Belebtem aussetzt. Das Buch will ermutigen, Sinn und Geschmack fürs Unendliche zu finden vor dem radikal gewandelten Horizont des dritten Jahrtausends: ehrlich, kritisch, befreiend.

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I. Das Neue
Das Rätsel ist des Lebens Quell
„Niemand hat Gott je gesehen.“ Selbst ein „Offenbarungstheologe“ wie der Verfasser des Johannesevangeliums muss das gleich zu Beginn seiner frohen Botschaft vom Jesus-Gottessohn eingestehen (1,18). Die poetische Eröffnungsrede über das Wort, das am Anfang bei Gott, ja selber Gott war, mag christliche Leser und Hörer zutiefst ergreifen. Wer, was Gott sei – niemand weiß es wirklich. Diese grundlegende Wahrheit lässt sich nicht überspielen. Das berührende sinnliche Bild vom Leben, das dem Logos innewohnt und zum Licht der Menschen wird, treibt bei aller Strahlkraft das Denken und Empfinden bloß noch mehr ins Rätselhafte. „Das Licht leuchtet in der Finsternis“, heißt es. „Und die Finsternis hat es nicht erfasst“ (1,1–5). Die philosophisch-spekulativ weit ausgreifende Vorrede zur großen Gottesoffenbarung mündet erst einmal in einer großen, auch religiösen Ernüchterung, will aber dennoch die ebenso große Hoffnung nicht aufgeben, dass es in dieser Welt eine Spur vom Höchsten, eine Kunde vom Heiligsten gibt. Auch der Autor des ersten Johannesbriefs räumt ein: „Niemand hat Gott je geschaut“ (1 Joh 4,12). Der Verfasser sucht den Ausweg aus seiner Ratlosigkeit, die jedoch auf das Gottesgerücht, auf die Gottesvermutung nicht verzichten möchte, in mitmenschlicher Nähe: „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet.“ Ist das alles? Im Lauf der Christentumsgeschichte wollten sich die gelehrten Gottesmänner – und einige Gottesfrauen – damit nicht zufriedengeben. Von Anfang an nicht. Das Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen aus über zweitausend Jahren, der sogenannte Denzinger, umfasst inzwischen über 1800 Seiten mit gut 5000 Ziffern. Mit jeder neuen mehr oder weniger verbindlichen Entscheidung des obersten Lehramts wird das voluminöse Buch ständig erweitert. Der sogenannte Weltkatechismus der katholischen Kirche bringt es auf mehr als 800 Seiten und fast 3000 Absätze. Unüberschaubar ist die Menge dogmatischer Lehrbücher und Traktate, die Fülle theologischer Bibliotheken, die den Schatz des Glaubens in seiner vielfältigsten Widersprüchlichkeit gesammelt haben und aufbewahren für unbestimmte Zeiten. Das alles also wissen wir über Gott? Das alles sollen wir glauben, für wahr halten? Die gewaltige Glaubenskrise unserer Zeit und insbesondere des Christentums wurzelt womöglich gerade darin, dass zu viele allzu lange allzu viel über Gott und von Gott zu kennen vorgaben. Dabei sind unter dem Druck der rationalen Welterkenntnis wie der emotionalen Welterfahrung, angesichts der Rätselhaftigkeit von Sein und Zeit, Leben, Liebe und Tod, Werden und Vergehen viele einst vermeintlich sichere Wahrheiten über „ihn“ brüchig geworden. Dies umso heftiger, je mehr die Natur- und Humanwissenschaften einen Erkenntniserfolg nach dem anderen verbuchen, weil sie gelernt haben fortzuschreiten, indem sie bisherige Ansichten, Einsichten und Verstehensmodelle als ungenügend, wenn nicht falsch, ausweisen, korrigieren und stets verbesserte Paradigmen vorlegen. Sie entzaubern die Welt mit immer neuer Verzauberung durch Wissen, um so nochmals tiefer ins Spiel der Fragen, ins faszinierende Reich des Nicht-Wissens einzudringen. Das Glaubensverständnis hingegen scheint festzustecken im Immergleichen. Es meint – vor allem in den mit Autorität verkündeten Lehraussagen –, die definitive Wahrheit genau erfasst und für alle Zeiten verbindlich festgelegt zu haben. Gerade diese Anmaßung des perfekten religiösen Wissens, die Arroganz, den rechten Glauben auf ewig längst zu besitzen, kennzeichnet das Kernproblem der mittlerweile heftig wackelnden Offenbarungsreligion Christentum. Das ist allerdings nicht die einzige Ursache dafür, dass sich die Kirchen – inzwischen auch außerhalb der wohlhabenden Zonen der Erde – ungebremst leeren, dass sich die Leute massenhaft vom Christentum verabschieden. Nicht immer geht das einher mit einem Abschied von Gott oder von der Ahnung, dass es irgendetwas Höchstes, und sei es eine universale Energie hinter allem, geben könnte. Der Psychologe und Psychotherapeut Allan Guggenbühl vermutet, dass noch andere Gründe bei der Entfremdung eine Rolle spielen, allem voran die spirituelle Dürftigkeit im organisierten religiösen Betrieb. Die Kirchen würden ihr Eigentliches, das Heilige, das Innerliche, vor lauter Geschäftigkeit auf verschiedensten Gebieten dramatisch vernachlässigen, wenn sie es nicht bereits aufgegeben haben. Stattdessen versuchen sie, weltlichen Service und Projekte anzubieten, „die möglichst anschlussfähig, politisch korrekt und bedürfnisorientiert sind und auf einer profanen Einstellung“[1] gründen, verpackt in ein Übermaß an ethischen Mahnungen und Warnungen vor allem sozialer Art. Die „sakrale Energie“ sei aus dem Raum der Kirche verschwunden. „Sie bietet keinen magischen Ort, wo man zu Gott Kontakt aufnehmen und auf seine Botschaften hoffen kann, sondern verliert sich in konkreten Aufgaben. Sie will sich mit Dienstleistungen für gute Sachen profilieren, statt das spirituelle Potenzial der Menschen zu nutzen.“ Doch die Menschen wollen nicht noch mehr vom stets Gleichen hören, das sie auch von anderswoher bekommen. Sie wollen nicht „Mainstream-Sühneleistungen übernehmen, sondern sich, wenn überhaupt, mit der Frage nach Gott auseinandersetzen“. Religiöse Tiefe werde gesucht, ist Guggenbühl überzeugt. Man brauche keine „moralischen Höhenflüge“. Die Menschen bei ihren Alltagsproblemen und Anliegen abzuholen, sei zweifellos wichtig. Aber tragend sei, „sich immer wieder der großen offenen, existenziellen Frage zu stellen: Was bedeutet Gott?“. Wenn sich Gott in den Kirchen nicht mehr finden lasse, bleiben sie leer. „Nur Gott kann die Kirche retten.“ Der französische Philosoph und Politologe Olivier Roy ortet in der sogenannten Säkularisierung den entscheidenden geistesgeschichtlichen Faktor der Abwendung vom Christentum. Sie ist in den westlichen Gesellschaften weit fortgeschritten. Die Folge sei eine umfassende „Dekulturierung“ der Religion. Parallel zur verschärften Trennung von Religion und Staat, Glauben und Politik schwindet der Einfluss religiöser Institutionen und Autoritäten auf die Gesellschaft. „Aufgaben wie Bildung oder Gesundheitswesen sind in die Hände des Staats oder des Privatsektors übergegangen.“[2] In Europa haben sich die Kirchen weitestgehend aus dem „Management der Gesellschaft“ zurückgezogen beziehungsweise zurückziehen müssen, weil ihnen das Vertrauen von unten entzogen wird. Die Entzauberung der Welt durch die Wissenschaften, durch fortgesetzte Aufklärung und Entmythologisierung vieler Lebensbereiche geht allerdings einher mit neuen Mysterien, die das Dasein auch wieder verzaubern. Das wird aber kaum mehr aufs Religiöse bezogen. Für Olivier Roy heißt das nicht zwingend, dass die Menschen zu Atheisten würden. „Aber die Bedeutung der Religion in unserem Leben und Alltag nimmt ab, noch wenn wir uns weiterhin als Glied einer religiösen Gemeinschaft definieren. In dieser Hinsicht bedeutet Säkularisierung eher eine Marginalisierung denn eine Exklusion der Religion.“ Jedenfalls leben wir in säkularen Gesellschaften in dem Sinn, „dass Religion allenthalben aus der Leitkultur verschwunden ist“. Roy verweist auf die beiden Vorgänger des jetzigen Papstes, der zu diesen Glaubens- beziehungsweise Unglaubensentwicklungen noch wenig gesagt hat, vielleicht weil er aus einem vermeintlich ungebrochenen volkstümlichen Glaubensumfeld Lateinamerikas kommt, das allerdings mittlerweile ebenfalls zerbröckelt und sich den globalen Säkularisierungstendenzen anschließt. Anders als Franziskus I. hätten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. klar erkannt, „dass Europa keine christliche Kultur mehr sei“. Olivier Roy beobachtet eine klare Tendenz in den Bevölkerungsschichten unter sechzig beziehungsweise in den besten Jahren: „Das religiöse Terrain diversifiziert sich, Säkularismus und Atheismus bieten einer jungen Generation, die sich gegen patriarchale Machstrukturen auflehnt, neue Optionen. Diese jungen Menschen unterstellen sich nicht mehr traditionellen religiösen Hierarchien, sondern diskutieren über die Fragen, die sie beschäftigen, im Internet.“ Ist Gott dabei der „Altbekannte“ hinter uns? Überholt? Oder kann er der menschlichen Neugierde in einer Welt voller Rätsel und wahrscheinlich nie durchschaubarer letzter Geheimnishaftigkeit womöglich zum Ganz-Neuen vor uns werden? Lob der Neugier
Was gibt’s Neues? Was ist geschehen? Wer geht mit wem, wer hat wen verlassen? Der Mensch ist neugierig, jeden Tag neu. Von den kleinen und großen Erregungen durch „News“ leben Einzelne wie ganze Gesellschaften und Kulturen. Egal ob die Botschaften echt sind oder fake, ob Faktum oder Gerücht – die Medien, darunter vor allem die sogenannten sozialen Netzwerke, senden uns per Massenkommunikation im Sekundentakt alle möglichen und unmöglichen Nachrichten aufs Smartphone, Tablet, auf den Bildschirm. Wer sehen will, kann sehen, wer hören will, kann hören und sich seinen Reim darauf machen oder aber das übernehmen, was ein Mainstream ihm vorgibt. Ohne Neugier gäbe es kein Erkennen, keine Kultur, weder Kunst noch Wissenschaft, weder Liebe noch Hass. Ohne Neugier wäre sogar Sex, die angeblich stärkste Triebfeder im und zum Überleben, langweilig. Erst wenn wir vor Neugier sterben, können wir wirklich leben. Doch Neugier...


Johannes Röser, nach Studium der Theologie in Freiburg und Tübingen Journalist, seit 1981 bei CHRIST IN DER GEGENWART, von 1995 bis 2021 Chefredakteur und seitdem Herausgeber. Johannes Röser ist Verfasser und Herausgeber zahlreicher Bücher.



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