Sammet | Erwarte nichs, erhoffe alles | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Sammet Erwarte nichs, erhoffe alles

Gedanken eines Hobbymönchs
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7365-0470-7
Verlag: Vier Türme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Gedanken eines Hobbymönchs

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-7365-0470-7
Verlag: Vier Türme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wir werden geboren und am Ende sterben wir. Dazwischen liegt ein Leben, das wir gestalten wollen. Es soll sinnvoll, glücklich und erfüllt sein. Das Christentum hatte immer den Anspruch, Antworten darauf geben zu können, wie das gelingen kann. Glaube und Christentum sind jedoch aus vielfältigen Gründen ziemlich aus der Mode gekommen. Dadurch gerät leider auch der Schatz an Antworten in Vergessenheit. In vielen Klöstern wird dieser Schatz jedoch nach wie vor bewahrt. Und selbst für kirchenferne Menschen sind Klöster auch heute ein Sehnsuchtsort, an dem sie sich auf die Suche nach dem "Mehr" in ihrem Leben begeben. Jürgen Sammet ist Oblate der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und somit ein "Hobbymönch". Für ihn steht fest: Moderne Lebensentwürfe und christlicher Glaube müssen sich nicht widersprechen. Und Religion kann auch heute noch Antworten auf die Fragen nach einem erfüllten Leben geben. Gerade die Regel des heiligen Benedikt eröffnet einen Weg, sich diesen Schatz für die eigene Lebensführung zu erschließen. Wie das konkret aussehen kann, zeigt der Autor in diesem Buch.
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Erfolg, Glück und Leben in Fülle Um einen geklärten Begriff von Glauben zu gewinnen, sind wir jetzt tief in die Erkenntnistheorie abgetaucht. Wer bis hierher durchgehalten hat: Danke für die Geduld! Grundfrage dieses Buches ist aber die Frage nach dem gelingenden Leben. Was hat nun der Glaube damit zu tun? In den Erfahrungen der Selbsttranszendenz erlebe ich Fülle. Diese Momente der Fülle haben die Kraft, mein Leben zu transformieren, sie verändern mich und lassen mich eine neue Perspektive auf das Leben gewinnen. Selbsttranszendenz ist nun aber so ziemlich das Gegenteil von dem, was manche Glücksratgeber versprechen, denn es geht eben nicht um Selbstoptimierung und Ego-Steigerung, sondern darum, von diesem Selbst Abstand zu gewinnen und anderes in den Mittelpunkt zu stellen: »Ergriffensein von dem, was uns unbedingt angeht.« Der Zusammenhang von Glück und Glaube findet seinen Ausgang also nicht in der unmittelbaren Nützlichkeit von Religion, nicht in der Frage »Was bringt mir Religion?«, sondern in Erfahrungen der Selbsttranszendenz. Glück und Zufriedenheit ergeben sich dann indirekt, fast als Nebeneffekt. Wer Glück direkt anstrebt, ist auf dem besten Weg, es gründlich zu verfehlen. Vielleicht ist aber auch die Frage falsch gestellt. Vielleicht geht es am Ende gar nicht darum, »glücklich« zu sein, sondern um so etwas wie ein »Leben in Fülle«? Dazu eine Geschichte: Stellen Sie sich vor, ein Mann – nennen wir ihn Hubert, er könnte aber auch ganz anders heißen – sitzt zu Hause vor dem Fernseher und schaut sich gerade eine neue Serie an. Im letzten Video-Call haben sich seine Arbeitskollegen intensiv über diese Serie unterhalten. Da er sie noch nicht gesehen hatte, fühlte er sich ein wenig außen vor. Umso mehr freut er sich schon darauf, bei der nächsten Unterhaltung mitreden zu können. Und obwohl er die Serie eigentlich ganz unterhaltsam findet, fühlt er sich irgendwie unruhig. Sollte er vielleicht nicht doch lieber in seinem Buch weiterlesen? Oder noch einmal versuchen, ob er Emma, eine gute Bekannte, erreicht, damit sie sich heute Abend treffen können? Aber dann könnte er ja nicht mehr bei seinen Kollegen mitreden. Er beschließt, sich erst einmal eine Tüte Chips und ein Bier zu gönnen. Vielleicht hilft das ja. Als die Tüte leer und die Unruhe immer noch da ist, dämmert es ihm langsam: Es könnte auch Hunger sein. Ihm fällt ein, dass es nicht besonders viel war, was er heute gegessen hatte. Da er außer Chips und abgelaufenem Joghurt nichts im Haus hat, beschließt er, sich auf die Suche nach etwas Richtigem zu machen. Leider ist es schon recht spät, und es haben nicht mehr viele Lokale auf. Fastfood möchte er nicht, weil er weiß, dass das bei ihm nicht lange anhält und er bald wieder Hunger bekommen wird. Irgendwann kommt er an einem Restaurant vorbei, in dem gerade eine ausgelassene Feier stattfindet. Es duftet herrlich nach Essen, und er bleibt vor dem Lokal stehen. Ein freundlicher älterer Herr erklärt ihm, dass er gerade mit Freunden seinen runden Geburtstag feiert, und lädt ihn ein, hineinzukommen. Drinnen erwartet ihn ein köstliches Büffet, von dem er sich großzügig bedient. Ja, er hatte wirklich großen Hunger, stellt er fest! Gesättigt und zufrieden bemerkt er erst jetzt die besondere Atmosphäre des Festes: Eigentlich kennt er Geburtstagsfeiern eher als Saufgelage mit Wolfgang-Petri-Untermalung. Hier dagegen wirkt alles sehr leicht und heiter: die Menschen, die Musik, die Unterhaltungen. Als er die Tanzfläche betritt, ist ihm das nicht wie sonst peinlich, sondern er bemerkt sogar eine leichte Gänsehaut auf seinen Armen: Wie schön, dass ich mit diesen Leuten hier sein darf. Und als später alle dem Geburtstagskind noch ein gemeinsames Lied singen, stimmt er freudig ein. Erst im Morgengrauen begibt er sich auf den Heimweg. Und obwohl er müde ist, fühlt er trotzdem eine große Freude und Ruhe. Von was die Serie eigentlich handelte und was er sich alles vom Buffet genommen hat – daran kann er sich gar nicht mehr so recht erinnern. »Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir« – so beschrieb Augustinus schon vor 1500 Jahren die Situation des Menschen. Außer, dass wir heute mit dem »dir« nicht mehr automatisch Gott verknüpfen, hat sich daran nicht wirklich viel verändert. Das Phänomen einer unbestimmten, existenziellen Unruhe kennt wohl jeder – »Ich bin heute irgendwie schlecht drauf, weiß aber gar nicht, warum«. Entsprechend suchen wir nach Möglichkeiten, wie wir dieser Unruhe Herr werden können. Manche versuchen sich davon mit allerlei Aktivitäten abzulenken. Andere wiederum finden etwas, womit sie ihre Unruhe kurzzeitig stillen können. Sie sind zufrieden mit dem Buffet, welches das Leben ihnen bietet. Und dann gibt es diejenigen, die bemerken, dass ihr Hunger nur der Anlass für ihre Suche gewesen ist und dass es eigentlich darum geht, ihr individuelles Bedürfnis in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Diese Vorgehensweisen entsprechen den drei »Glücksstrategien«: die Suche nach Erfolg, Wohlfühlglück und Leben in Fülle. Die offensichtlichste Spielart der Suche nach Erfolg ist der Konsum von Gegenständen. Gegenstände zu besitzen und zu konsumieren, ist in den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs die große Verheißung auf ein glückliches Leben geworden. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern beinahe für alle Länder, die sich auf der Basis des Kapitalismus von einem armen zu einem Schwellenland oder einer Industrienation entwickeln. »Wenn ich mir nur endlich dieses Auto / dieses Haus / diese Uhr / dieses Kleidungsstück kaufen kann, dann werde ich glücklich.« Leider ist dem in den allermeisten Fällen nicht so. Gegenstände versprechen Resonanz, lösen dieses Versprechen – sieht man vielleicht von einem kurzzeitigen Shoppgingglück ab – aber nicht ein. Wir arbeiten, um uns Dinge kaufen zu können, die wir nicht brauchen. Wir arbeiten noch mehr, um uns noch mehr Dinge kaufen zu können, die wir noch weniger brauchen. Das ist eine gewaltige Verschwendung von Lebenszeit. Glücklich macht es jedoch nicht. Jedenfalls nicht auf Dauer. Das bestätigen auch die Ergebnisse der Glücksforschung: Das sogenannte Easterlin-Paradox besagt, dass die subjektive Lebenszufriedenheit nur sehr schwach mit dem Einkommen korreliert. Es wurde bereits 1974 von dem Ökonomen Richard Easterlin formuliert, der über 25 Jahre lang den Zusammenhang von Glück und Einkommen in den USA untersuchte. Obwohl sich das Durchschnittseinkommen in diesen Jahren fast verdoppelt hatte, ist die Lebenszufriedenheit nahezu gleich geblieben (vgl. Easterlin 2021). Das Easterlin-Paradox wurde in vielen weiteren Untersuchungen bestätigt. Zuletzt hat der Soziologe Martin Schröder berechnet, dass gerade einmal »5 Prozent der eigenen Lebenszufriedenheit durch den materiellen Lebensstandard erklärbar ist« (Schröder 2020, S. 94). Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass das natürlich nicht für alle Einkommensstufen gleichermaßen zutrifft, denn Armut macht unglücklich und muss unter allen Umständen bekämpft werden. Viel zu viele Menschen leben immer noch in Not, Leid und Hunger. Für sie geht es nicht um die Frage des guten Lebens, sondern darum, überhaupt in menschenwürdigen Verhältnissen leben zu können. Wenn ich nicht weiß, wie ich meine Familie ernähren soll, wirken Fragen nach dem persönlichen Lebensglück schnell wie zynische Wohlstandssorgen. Mehr noch: Die Soziologin Eva Illouz warnt in ihrem sehr lesenswerten Buch »Das Glücksdiktat« vor der Ideologie des »Glücksversprechens« (vgl. Illouz 2019), derzufolge die Verantwortung für das Glücklichsein ausschließlich beim Einzelnen liegt und nicht auch in gesellschaftlichen Strukturen. Die Frage nach dem individuellen Glück darf die Frage nach sozialer Gerechtigkeit nicht überdecken. Sonst wird Glück leicht zum Schmiermittel menschenverachtender Ökonomie. Armut macht unglücklich, aber Reichtum deshalb nicht glücklich. Die materielle Situation ist wichtig für die Lebenszufriedenheit, aber eben nur bis zu einem bestimmten Punkt. Um herauszufinden, wo dieser Punkt liegt, hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann 450.000 US-AmerikanerInnen befragt. Das Ergebnis: Bei einem Jahreseinkommen von 75.000 Dollar (umgerechnet 64.000 Euro) erreicht die persönliche Lebenszufriedenheit ihren Höhepunkt. Danach bringt auch eine Steigerung des Einkommens nur noch marginale Zuwächse an Glück (vgl. Kahnemann und Deaton 2010). Der Grund dafür ist der sogenannte »abnehmende Grenznutzen«: Diese bereits 1854 von Hermann Gossen formulierte Theorie besagt: Je mehr wir von einem Gut konsumieren, desto mehr nimmt der Nutzen, der dieses Gut für uns hat, immer weiter ab. Wenn ich es mir nur einmal im Jahr leisten kann, essen zu gehen, ist das ein ganz besonderes Highlight. Wenn ich mehr verdiene und jeden Monat ein Restaurant besuchen kann, werde ich das sicherlich als Steigerung meiner Lebensqualität empfinden. Habe ich aber noch mehr Geld zur Verfügung und gehe zum Beispiel jeden dritten Tag in ein Restaurant zum Essen, zeigt sich höchstwahrscheinlich das Phänomen des abnehmenden Grenznutzens. Auswärts Essen zu gehen ist nichts Besonderes mehr. Ich habe mich daran gewöhnt und sehe es als selbstverständlich an. Die Theorie des abnehmende Grenznutzen gilt auch und gerade für jene Bereiche, für die wir bereit sind, viel Geld auszugeben: Wohnraum, Innenausstattung, Verkehr, Urlaub, Bekleidung. Viel bringt nicht viel. Eigentlich ist dieses Treiben leicht zu durchschauen. Dennoch machen wir mit und hören nicht auf, in Konsum und Geld unser Glück zu suchen. Diese Ambivalenz...


Jürgen Sammet ist Dr. phil und Diplom-Pädagoge, Organisationsberater, Lernbegleiter und Hochschuldozent mit Themenschwerpunkt: Neue Formen der Zusammenarbeit und des Lernens in Organisationen. Seit 2007 unterstützt er die Abtei Münsterschwarzach als Organisationsberater, wo er seit 2012 Oblate (Hobbymönch) ist.



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