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E-Book, Deutsch, 168 Seiten
Schall / Tesky / Auch-Johannes Musik & Kunst bei Demenz
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-041434-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aktivieren, Kommunizieren, Lebensqualität fördern
E-Book, Deutsch, 168 Seiten
ISBN: 978-3-17-041434-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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1 Das Krankheitsbild der Demenz
1.1 Häufigkeit und Symptomatik
Dank besserer Lebensbedingungen und der Fortschritte in der Medizin ist die durchschnittliche Lebenserwartung in den letzten Jahren deutlich gestiegen – was erfreulich ist. Doch gilt dies in erster Linie nur für die westlichen Industrieländer, was wiederum weniger erfreulich ist. Dort aber, wo die Menschen älter werden, werden sie zumeist auch gesünder älter. Allerdings erhöht sich mit dem Zuwachs an Lebenszeit parallel einhergehend die Wahrscheinlichkeit für einige alterstypische Erkrankungen, zu denen allem voran die Demenz gehört. Momentan leben in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenz; die Dunkelziffer ist vermutlich sogar höher. Abrechnungsdaten der Krankenkassen bestätigen, dass mindestens 10,5?% der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre eine Demenzerkrankung haben (Nerius et al. 2020). Frauen sind etwas öfter betroffen als Männer, »vor allem aufgrund der höheren Lebenserwartung und des damit einhergehenden höheren Anteils weiblicher Personen in den höchsten Altersgruppen« (DGN und DGPPN 2023, S. 12). Es gibt unterschiedliche Prognosen über die künftige Entwicklung demenzieller Erkrankungen, doch gehen alle davon aus, dass deren Zahl sich in den kommenden Jahrzehnten drastisch erhöhen wird. Teils ist von fast einer Verdopplung der Demenzfälle bis zur Mitte des Jahrhunderts die Rede (DAlzG 2022). Dabei ist jede Demenz und deren Verlauf ebenso einzigartig, wie auch jeder Mensch in seiner Persönlichkeit und Lebensentwicklung individuell verschieden ist. Was ist aber unter »Demenz« zu verstehen? Das Wort an sich hat einen lateinischen Ursprung und lässt sich in etwa mit »Verlust von Geist« übersetzen. Oft werden im allgemeinen Sprachgebrauch die beiden Begriffe »Alzheimer« und »Demenz« synonym verwendet (vgl. Pantel 2017). Doch sind sie keinesfalls deckungsgleich. Demenz ist zunächst einmal nur die Bezeichnung für ein Syndrom, d.?h. eine Kombination von Symptomen, die für alle Demenzformen mehr oder weniger zutreffen. Alzheimer oder die Alzheimer-Krankheit ist dagegen die häufigste und wohl bekannteste Ursache einer Demenz (? Kap. 1.2). Allen Demenzen ist jedoch gemein, dass sie durch krankhaft fortschreitende (degenerative) Abbauprozesse im Gehirn gekennzeichnet sind, die zum zunehmenden Verlust von Nervenzellen (Neuronen) und Nervenverbindungen (Synapsen) führen. Man spricht in diesem Zusammenhang deswegen auch von einer neurodegenerativen Erkrankung. Die sicht- und spürbaren Folgen dieser Abbauprozesse zeigen sich in spezifischen Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen, die sich im Verlauf der Krankheit weiter verstärken, sodass die erkrankten Menschen immer mehr auf Hilfe und Unterstützung im Alltag angewiesen sind. Zu den typischen Demenzsymptomen gehören vorrangig folgende: Nachlassen des Gedächtnisses (u.?a. Merkfähigkeit, Faktenwissen, biografisches Gedächtnis) Sprach- und Kommunikationsprobleme (Verständnis und Sprechen) Beeinträchtigungen des logischen Denkens und der Urteilsfähigkeit Verwirrung und Orientierungslosigkeit Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben und sozialen Aktivitäten Veränderungen von Stimmung und Verhalten (z.?B. Unruhe, Aggressivität, Depression) Die Mehrzahl aller Demenzerkrankungen lässt sich den sog. primären oder hirnorganischen Demenzen zuordnen. Bei diesen Formen kommt es, wie bereits erwähnt, zu chronisch voranschreitenden und bisher unheilbaren neurodegenerativen Prozessen im Gehirn. Bei einem kleinen Teil der Erkrankungen (ca. 10?%) handelt es sich dagegen um sekundäre oder nicht hirnorganische Demenzen (vgl. Georges et al. 2023). In diesen Fällen liegt eine üblicherweise behandelbare Krankheit (z.?B. Stoffwechselstörungen, Infektionen, Depression) oder andere schädliche Einflüsse (z.?B. Mangelzustände, Dehydration, Medikamentenintoxikation) vor. Wird die Ursache therapiert, bilden sich die demenziellen Symptome in der Regel wieder zurück. Aus diesem Grund sind bei Demenzverdacht umfassende medizinische und neuropsychologische Untersuchungen sowie eine differenzialdiagnostische Abklärung, also der Ausschluss von Erkrankungen mit ähnlicher bzw. nahezu identischer Symptomatik, enorm wichtig (vgl. DAlzG 2018). 1.2 Formen primärer Demenzen
Die Auslöser für primäre (neurodegenerative) Demenzen sind äußerst vielfältig, was durchaus problematisch für eine richtige Diagnosestellung sein kann. Wie bereits erwähnt, ist die häufigste Ursache, auf die etwa zwei Drittel aller Demenzen zurückzuführen sind, die Alzheimer-Krankheit. Daneben existieren viele weitere Formen, die jeweils andere krankheitsphysiologische Ursachen haben und seltener auftreten, wie z.?B. die vaskuläre, frontotemporale oder Lewy-Körperchen-Demenz (? Abb. 1): »Eine exakte Bestimmung der Anteile der spezifischen Demenzformen ist aufgrund der zahlreichen Entstehungsfaktoren und Symptome sowie der uneinheitlichen Diagnostik bei Demenzerkrankungen erschwert. Autopsie-Studien legen nahe, dass bei den meisten von Demenz betroffenen Personen am Ende des Lebens eine Mischform aus Alzheimer- und vaskulärer Demenz vorliegt.« (Georges et al. 2023, S. 33). Die wichtigsten Demenzarten werden im Weiteren kurz skizziert. Abb. 1:Die wichtigsten Demenzformen im Überblick (durchschnittliche Häufigkeitsangaben nach Georges et al. 2023) Alzheimer-Demenz
Die am häufigsten vorkommende – in 50 bis 70?% aller Fälle – und am besten untersuchte Demenzform ist die Alzheimer-Demenz mit der Alzheimer-Krankheit als Ursache (Georges et al. 2023). Benannt ist sie nach dem deutschen Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer, der die Erkrankung im Jahr 1907 erstmals beschrieben hat (vgl. Pantel 2017). Bei dieser Form der Demenz kommt es zu abnormen Eiweißablagerungen im Gehirn, den sog. Plaques. Diese Alzheimer-Plaques behindern die Versorgung der Nervenzellen und führen dazu, dass diese und ihre synaptischen Verbindungen zugrunde gehen. Die Konsequenz ist eine progressive kortikale Atrophie, worunter ein fortschreitender Verlust von Hirngewebe zu verstehen ist (DGN und DGPPN 2023, ? Abb. 2 und ? Abb. 3). Das massive Absterben der Nervenzellen äußert sich bei Patienten mit Alzheimer-Demenz zunächst im Verlust des Kurzzeit-, später auch des Langzeitgedächtnisses. Im weiteren Verlauf kommen zusätzlich Orientierungsschwierigkeiten, Sprach- und Denkstörungen sowie Veränderungen der Persönlichkeit hinzu. Die Betroffenen leiden an Aphasie, können also Dinge nicht mehr richtig benennen, oder werden unfähig, einfache Handlungen auszuführen (Apraxie). All diese Probleme verstärken sich im Laufe der Erkrankung und machen die Bewältigung des Alltagslebens zunehmend schwieriger, ob es nun um das Ankleiden, Essen und Trinken oder die Körperpflege geht (Haberstroh et al. 2016). Im Spätstadium der Demenz tritt zudem oft Harn- und Stuhlinkontinenz auf. Abb. 2:Gesundes Gehirn (links) vs. Gehirn mit fortgeschrittener Alzheimer-Demenz und ausgeprägter Hirnatrophie (rechts) in Draufsicht (© Arbeitsbereich Altersmedizin, Goethe-Universität Frankfurt) Abb. 3:Querschnitt je einer Hemisphäre eines gesunden Gehirns (links) vs. eines Gehirns mit fortgeschrittener Alzheimer-Demenz und ausgeprägter Hirnatrophie (rechts) in Frontalansicht (© National Institute on Aging) Vaskuläre Demenz
Die vaskuläre (gefäßbedinge) Demenz kommt ebenfalls relativ häufig vor (ca. 15?%, Georges et al. 2023). Ausgelöst werden die degenerativen Vorgänge im Gehirn in diesem Fall durch viele kleine Infarkte und/oder Schlaganfälle aufgrund durchblutungsbedingter Störungen kleiner Blutgefäße. Dies hat eine Mangelversorgung des Nervenzellgewebes zur Folge, woraufhin es dann abstirbt. Die Symptome variieren je nachdem, welche Teile des Gehirns betroffen sind. Typischerweise treten bei den Erkrankten jedoch recht unmittelbar Defizite in den höheren kortikalen Funktionen auf (z.?B. Aufmerksamkeit, Denkvermögen, Gedächtnis, Konzentration und Verarbeitungsgeschwindigkeit) und zeigen einen stark fluktuierenden zeitlichen Verlauf. Bei der Alzheimer-Demenz verschlechtern sich diese Funktionen eher schleichend, aber kontinuierlich über einen längeren Zeitraum. Nicht selten ist außerdem eine Kombination aus Alzheimer- und vaskulärer Demenz, die sog....