Schilder / Brandenburg | Transkulturelle Pflege | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Schilder / Brandenburg Transkulturelle Pflege

Grundlagen und Praxis
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-17-033078-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen und Praxis

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

ISBN: 978-3-17-033078-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



This volume in the ?Gerontological Care= series is concerned with basic matters involving transculturalism that are relevant to society as a whole and also to nursing science, as well as practical nursing issues. Existing models, approaches and challenges are presented, and the implications for nursing management, nursing education and nursing practice are described. Case studies illustrate the handling of transcultural matters in everyday nursing care. With a foreword by Nausikaa Schirilla and an afterword by Hürrem Tetcan-Güntekin.
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Geleitwort
Nausikaa Schirilla       Die US-amerikanische Care-Ethikerin Joan Tronto bezeichnet Care – also zugewandte Sorge, zu der auch die Pflege gehört – als eine gesellschaftliche Praxis, die Anteilnahme, Unterstützung, Versorgen und die Reaktion auf das Versorgen umfasst. Das Ideal von Care wird erfüllt, wenn durch aktives Handeln, in der Pflege respektive professionelles Handeln, konkrete Bedürfnisse befriedigt werden. In der transkulturellen Pflege geht es darum, so die Herausgeber in der Einleitung zu diesem Band, in der Pflege »kultur«sensibel auf die durch Migration entstandene neue Vielfalt in unserer Gesellschaft zu reagieren. Mit theoretischen, pflegepädagogischen und praktischen Beiträgen werden die verschiedenen Facetten von Transkulturalität und pflegerischen Ansätzen in der Kranken – und Altenpflege eruiert. Wenn Pflege aber – so könnte nun gefragt werden – sich ohnehin dadurch auszeichnet, dass sie auf Bedarfe und Bedürfnisse reagiert, wie Tronto sagt, warum braucht es dann bezüglich der Migranten ein eigenes transkulturelles Konzept der Reaktion auf Bedürfnisse – reicht es vom Modell her nicht einfach, Pflege als spezifische Reaktion auf individuelle Bedürfnisse zu verstehen? So einfach sind die Verhältnisse weder in der Pflege noch in der Migrationsgesellschaft und daher braucht es diesen lobenswerten Band. Einerseits agiert die Pflege in einem Spannungsfeld von Faktoren ökonomischer, politischer und anderer Dimension und darin ist ihr eigenes Ethos – das auch noch kontrovers diskutiert wird – nur ein Element unter vielen. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Andererseits wird in vielen, insbesondere aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten, Migration unter dem Integrationsparadigma diskutiert. Integration wird oft so verstanden, dass sie eine Bringschuld auf Seiten der Zugewanderten darstellt und diese sich an eine deutsche Mehrheitskultur anzupassen hätten, was immer dies auch bedeuten mag. Unabhängig von real stattfindenden Anpassungsprozessen unterstellt diese Position eine Homogenität sowohl der Migrationsbevölkerung als auch von Mehrheitsdeutschen, die in der Realität in sehr unterschiedliche Lebensstile, soziale Gruppen, Ansichten, Werteorientierungen etc. ausdifferenziert sind. Dieser Gedanke unterstellt, Zugewanderte seien »Andere« und kein Teil der Gesellschaft und transportiert damit letztlich ein völkisches Gesellschaftskonzept, das einem demokratischen Selbstverständnis widerspricht. In demokratischen Konzepten stehen Bürger und Bürgerinnen im Fokus und nicht die soziale, ethnische u. a. Herkunft von Menschen. Wie in der Einleitung von Michael Schilder und Hermann Brandenburg gezeigt wird, ist Migration in Deutschland eine Normalität. In den letzten Jahrzehnten haben sich die unterschiedlichsten Identitätsformen und Selbstbezeichnungen für Menschen mit Migrationshintergrund herausgebildet. Die Migrationsforschung sieht in diesen vielfältigen Selbstbildern wie z. B. Neue Deutsche oder Postmigranten einen Kampf um Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft, die ihre aktuelle Vielfalt noch nicht oder nicht immer in ihr Selbstverständnis aufgenommen hat. Empirische Studien zeigen ferner, dass zumindest Teile der Migrationsbevölkerung in ihrem Zugang zu Bildung, Gesundheit und sozialer Unterstützung signifikant benachteiligt sind. Sekundärauswertungen belegen wiederum, dass diese Benachteiligungen zwar auch mit sozioökonomischem Status, Demographie etc. zusammenhängen, aber mit diesen Faktoren alleine nicht hinreichend erklärt werden können. Der Medizinethiker Ilhan Ilikic argumentiert, dass sprachliche Barrieren und darüber hinaus auch kulturelle Barrieren den Zugang zu und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen beeinträchtigen. Diese beziehen sich unter anderem auf ein kulturell-religiös beeinflusstes Verständnis von Intimität, Scham, Pflege und auf die Ausübung religiöser Pflichten und Speisevorschriften. Ferner geben zahlreiche Konfliktsituationen im Gesundheitswesen Anlass zu medizinethischen Debatten, beispielsweise zu Fragen wie Patientenautonomie, »best interest« der Patienten, Leidenslinderung, Umgang mit Tod und Trauer. Wenn für diese Konfliktsituationen kein angemessener Umgang gefunden wird, tragen sie ebenso dazu bei, Zugang zu Gesundheitsleistungen und damit auch den Gesundheitsstatus zu beeinträchtigen. Dies ist unmittelbar für die Pflege relevant. Kulturelle Aspekte spielen dabei zwar nicht die einzige, aber eine nicht unwesentliche Rolle. In den Ansätzen zur Beseitigung dieser Ungleichheiten werden vor allem Konzepte der interkulturellen Öffnung im Gesundheitswesen, inter- oder transkulturelle Pflege und interkulturelle Teamkonzepte in der Pflege propagiert. Diese Modelle werden in dem vorliegenden Band theoretisch und praktisch expliziert, insbesondere in den Beiträgen von Eckardt Koch, Jonas Staudt, Gabriella Zanier und der Forschergruppe des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Es ist hervorzuheben, dass es dabei nicht um die Inszenierung eines Wohlfühlmultikulturalismus geht, sondern um Zugangsgerechtigkeit und demokratische Teilhabe. Das Konzept der Zugangsgerechtigkeit nach Irene Becker und Richard Hause stellt die Frage, ob alle Mitglieder einer Gesellschaft gleichberechtigten Zugang zur materiellen Sicherung, gesundheitlichen Versorgung, zu Bildung und Weiterbildung, Hilfe etc. haben. Die empirische ethische Perspektive fragt nach Zugangsmöglichkeiten zu Leistungen oder Ressourcen aufgrund von Rechten auf verschiedenen Ebenen, die in der Verfassung oder diesen zugrundeliegenden internationalen Rechtsnormen wie die Menschenrechtserklärungen geregelt sind. Transkulturelle Pflege ist anwendungsorientiert, als ein domänenspezifisches Konzept für das Gesundheitssystem zur Umsetzung von Zugangsgerechtigkeit zu verstehen. Damit stehen weniger die Fragen der Interkulturalität oder Kommensurabilität von Kulturen im Vordergrund, wie auch die Beiträge von Stefan Heuser und Michael Schilder zeigen, sondern empirische Aspekte der Funktionsweise von bestimmten Modellen zur Überwindung von Zugangsbarrieren und Fragen zur Interdependenz unterschiedlicher Differenzen. Migrantinnen und Migranten erscheinen unter dieser Perspektive in erster Linie nicht als »die Anderen« und die »Fremden«, die aufgrund eines Wissens um »Andersheit« besonders behandelt werden, sondern vielmehr als Individuen, denen aufgrund von dominanten Normalitätsvorstellungen Partizipation und Gleichheit verwehrt wird. Transkulturalität erweist sich in diesem Kontext als eine reflexive Kategorie und erfordert reflexive methodische Ansätze, die beispielsweise in den Beiträgen von Anja Walther und von Dorothee Spürk ausgeführt werden. Von hier aus ergibt sich dann aber die Frage, in welchem Ausmaß in einer Gesellschaft unterschiedlichen Normalitätsvorstellungen Raum gegeben wird, um Zugangsgerechtigkeit zu ermöglichen und wie viele und welche unterschiedlichen Zugänge zu Krankheit und Gesundheit beispielsweise in einem Gesundheitssystem anerkannt werden. In diesem Kontext ist es hilfreich, den menschenrechtlichen Ansatz zum Minderheitenschutz des ehemaligen Direktors des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, zu rezipieren. Heiner Bielefeldt begreift kulturelle und religiöse Differenzen als demokratische Rechte individueller Bürgerinnen und Bürger. Für ihn wie auch für die US-amerikanische Sozialphilosophin Seyla Benhabib können Minderheitenrechte im demokratischen Rechtstaat nur als individuelle Rechte von Angehörigen der Minderheit verstanden und ausgestaltet werden und nicht als kollektive Rechte. Sie argumentieren für individuell orientierte Konzepte der Menschenwürde, der Menschenrechte und damit Grundrechte und Grundfreiheiten, die auch Kultur und Religion umfassen. Rechte auf kulturell unterschiedliche Lebensweisen und Glaubensweisen bestehen in menschenrechtlicher Perspektive als Bürgerrechte. Es soll nicht Aufgabe des Staates oder der Gesetzgebung sein, den Schutz von Kulturen zu gewährleisten. Die Politik sollte aber dafür Sorge tragen, dass Bedingungen für das Praktizieren religiöser oder kultureller Werte im Rahmen der Zivilgesellschaft gegeben sind. Diese Konzeption beruht auf der Vorstellung der Menschenwürde als individuellem Zug des Menschen und geht von einer Kulturkonzeption aus, die die Vielfältigkeit, Dynamik, Entwicklungsfähigkeit und Offenheit von Kulturen betont. Die Grenzen der Offenheit sind wiederum auch in den Menschenrechten zu sehen, menschenrechtswidrige Praktiken und Werte sind nicht durch ein Recht auf Differenz geschützt. In transkultureller Pflege geht es ebenfalls nicht um den Schutz von Kulturen. Kulturell differente Modelle von sozialer Organisation, Krankheit oder Heilung sind immer nur dann oder nur insofern Thema, als sie in individuellen Versorgungs- oder Heilungsprozessen eine...


Prof. Michael Schilder, Professor of Nursing Science at the Protestant University of Applied Sciences in Darmstadt. Prof. Hermann Brandenburg, Chair of Gerontological Nursing at Vallendar University of Philosophy and Theology.



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