E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Schimroszik Silicon Valley in Berlin
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86496-746-7
Verlag: UVK
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erfolge und Stolpersteine für Start-ups
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-86496-746-7
Verlag: UVK
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses Buch stellt die Berliner Start-Up-Szene vor und zeigt sowohl Schwierigkeiten und Stolpersteine als auch die Erfolgsfaktoren von Gründern auf. Viele Aspekte – wie zum Beispiel die Finanzierungsfragen – lassen sich dabei auch auf Gründungen in der gesamten Republik übertragen. Die Autorin bedient sich sowohl Zahlen und Fakten als auch den aussagekräftigen Interviews mit Machern und Beobachtern, die interessante und überraschende Insider-Einblicke gewähren.
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Kapitel 1. Gründerzeit auf der Silicon Allee
„Jedem, der gründen will, sollte bewusst sein, dass er nicht Mark Zuckerberg ist, sondern Mustafa’s Gemüse Kebab.“ Darius Moeini, Managing Director bei Berlin Startup Consulting Die Spitznamen Silicon Allee und Berlin Valley hat sich die deutsche Hauptstadt erst kürzlich in der internationalen Presse verdient. Die Anfänge dieser Erfolgsgeschichte, die immer mehr Start-ups aus dem Berliner Sand sprießen lässt und weltweit immer stärkere Beachtung findet, liegen schon einige Jahre zurück. Für viele gelten die Gründung des Online-Auktionshauses Alando 1999 und der schnelle Verkauf an den US-Handelsriesen eBay als Startschuss für den neuen Mut am Gründen in Berlin. „Zu diesem Zeitpunkt entstand eine neue Generation digitaler Unternehmern, die noch heute den Markt aufmischt. Sie kamen damals zu Geld und sind weiterhin in der Branche aktiv“, sagt der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Startups, Florian Nöll. Schließlich verziehe sich ein erfolgreicher Gründer nach dem Exit in der Regel nicht auf die Seychellen, sondern investiere sein frisch erworbenes Vermögen lieber wieder in Start-ups. Hinter Alando stand neben den heute berühmt-berüchtigten Samwer-Brüdern Alexander, Marc und Oliver auch Jörg Rheinboldt, der nun den Accelerator Axel Springer Plug & Play des bekannten Medienhauses leitet. Kurz nach dem Alando-Verkauf starteten die Samwers den damals sehr erfolgreichen Klingeltonanbieter Jamba, bei dem der derzeitige Chef und Gründer des Spieleanbieters Wooga, Jens Begemann, sein Handwerk lernte. Damals wie heute ist die Branche eng vernetzt und doch hat sich seit diesen Tagen vieles getan. Zunächst platzte die Dotcom-Blase, der Neue Markt ging unter und eine Zeitlang wollte eigentlich niemand mehr mit Informationstechnologie zu tun haben. Gegen Ende der Nullerjahre ging es dann mit Zalando und Co. wieder los und die Start-up-Branche schöpfte Hoffnung. „Eigentlich ist nichts gleich geblieben, außer dass sich weiterhin alles ums World Wide Web dreht“, findet Christoph Räthke, der sein erstes Start-up 1999 gründete und damit baden ging. Rheinboldt nennt diese Episode gern den „nuklearen Winter“. Trotzdem blieb er der Branche treu. Seit 2012 leitet er den Accelerator Berlin Startup Academy. Laut Räthke hat sich die gesamte Start-up-Szene mit der zweiten Gründungswelle rund um Zalando und Rocket Internet enorm professionalisiert und an Erfahrung gewonnen. „Alles ist viel vernetzter und man kann sich über das Internet viel besser informieren. Als wir früher Alando gegründet haben, gab es noch nichts davon“, sagt Rheinboldt. Ähnliche Veränderungen macht auch Shoepassion-Gründer Tim Keding aus: „Als ich 2008 hier anfing, kannte in der Branche noch jeder jeden. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute ist die Berliner Start-up-Welt genauso groß und kunterbunt wie die Stadt selbst.“ Es gibt nicht mehr nur Autodidakten als Gründer, sondern auch welche, die das gelernt haben. Das weckt Ambitionen. Einige sehen Berlin auf dem Weg zum Silicon Valley Europas. Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Berlin Partner, Stefan Franzke, der schon aufgrund seiner Position zum Optimismus verpflichtet ist, sagt: „Ich bin zutiefst überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Hauptstadt einmal mit Tel Aviv oder New York gleichzieht. Dafür benötigen wir ein Ökosystem, was auf Gründer eingestellt ist. Dazu gehören Anwälte, die sich auskennen und Banken sowie Sparkassen, die nicht nur den Handwerker finanzieren, der gerade seinen Meister gemacht hat, sondern auch die Gründung im digitalen Bereich. Auch Hauseigentümer sollten der Meinung sein, dass man auch mit Start-ups einen guten Mietvertrag abschließen kann.“ Allein die Liste von Franzke zeigt, dass noch genügend Arbeit vor Berlin liegt. Zwar gehören Start-ups längst zum Stadtbild, und Namen wie Wooga oder Zalando sind auch dem Otto Normalverbraucher vertraut, doch die Frage ist, ob sie bereits so ernst genommen werden wie Großkonzerne. Immerhin überwiegt derzeit die positive Grundstimmung. Franzke geht sogar so weit zu behaupten, dass die aktuelle Gründergeneration in Berlin schneller und flexibler als ihr Pendant im Silicon Valley ist. Einer der wenigen wissenschaftlichen Beobachter der Start-up-Branche, Professor Tobias Kollmann, bestätigt: „Wir haben inzwischen eine substanzielle Gründerlandschaft, die sich gut entwickelt.“ Allerdings schwingt in diesem Satz auch gleich ein großes ‚aber‘ mit. Denn Kollmann sagt auch: „Das genügt noch nicht.“ Vor allem im Vergleich zum Silicon Valley laufe Deutschland hoffnungslos hinterher. Das liege unter anderem daran, dass es immer noch zu wenig Gründer gebe und das Unternehmertum in Deutschland zu wenig ausgeprägt sei, betont der Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Universität Duisburg-Essen. Das könne für eine Volkswirtschaft zu einem Problem werden, kritisiert Kollmann und fordert, aktiv zu werden. „Ohne neue Unternehmen verliert ein Land die Fähigkeit zur Innovation und es werden weniger Jobs geschaffen. Man hat keine Chance mehr, die Weltmarktführer von morgen aufzubauen. Die kommen dann aus anderen Staaten.“ Die derzeit dominanten Schlüsselkonzerne, die ganze Industrien aufmischen – nämlich Apple, Google, Amazon und Facebook – kommen allesamt aus den USA und zwar eben aus dem Silicon Valley. Ähnlich klangvolle Namen hat kein anderes Land zu bieten. Es gibt viele Gründe, warum es sich für eine Volkswirtschaft lohnt, Start-ups den Boden zu bereiten. Neben den positiven Effekten für die künftige Wettbewerbsfähigkeit spielt dabei vor allem der Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle. Dies zeigt auch eine entsprechende OECD-Studie. Demnach waren im vergangenen Jahrzehnt bei Firmen, die erst fünf Jahre alt oder jünger waren, ein Fünftel aller Menschen angestellt, die außerhalb des Finanzsektors arbeiten. Entscheidend ist, dass in diesen jungen Firmen fast die Hälfte aller neuen Jobs kreiert wurde1. Problematisch in Deutschland ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung mit dem Thema Gründen überhaupt nicht vertraut ist und es damit dem Einzelnen entsprechend fern liegt. Der TEA-(Total Early-Stage Entrepreneurship Activity)-Index, der sich auf die Gründungsaktivitäten der Gesamtbevölkerung bezieht, hält alarmierende Zahlen parat. Deutschland belegte 2013 mit 5 Prozent den 22. Platz von 26 innovationsbasierten Volkswirtschaften. Im Jahr 2012 hatte der Wert noch bei 5,3 Prozent gelegen2. Noch drastischer fällt das Ergebnis des Europa-Barometers aus, einer Umfrage unter Europäern zwischen 16 und 30 Jahren. Demnach sind 72 Prozent der befragten Deutschen nicht an einer Unternehmensgründung interessiert. Damit belegt Deutschland europaweit den letzten Platz3. Bitter für die Start-up-Branche ist, dass auch für diesen Sektor die Zahlen kläglich ausfallen. Laut einer Studie des Vodafone Instituts wollen ein Drittel der Deutschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren auf keinen Fall eine Karriere in der digitalen Wirtschaft beginnen. 70 Prozent können sich nicht vorstellen, für ein Start-up zu arbeiten oder ein Unternehmen in der digitalen Wirtschaft zu gründen (77 Prozent). In Ländern wie Spanien und Italien ist die Bereitschaft hingegen höher4. Diese Zahlen findet auch Bitkom-Geschäftsführer Niklas Veltkamp alarmierend: „Wenn wir mehr gute Start-ups in Deutschland haben wollen, benötigen wir eben auch einfach erstmal mehr Start-ups.“ Natürlich zeichnen diese Statistiken ein einseitiges Bild. Vielen Deutschen ist das Gründen so fern, weil ihre Arbeitsplätze vergleichsweise sicher und die Aussichten, einen guten Job zu finden, hoch sind. Zugleich sind Fachkräfte gefragt wie nie. Im Jahr 2012 kam es laut der Studie des Bundeswirtschaftsministeriums ‚Gründerland Deutschland‘, die sich auf Daten des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) bezieht, zu 346.400 Existenzgründungen. Da allerdings deutlich mehr Unternehmen Insolvenz anmeldeten, war der Saldo am Ende negativ. Deutschland zählte zum Jahresausklang rund 24.000 weniger Firmen als Ende 2011. Auch die Gründungen aus der Arbeitslosigkeit nahmen ab – und zwar im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel. Aus Unternehmersicht kam es zuletzt sogar zu traurigen Rekorden. Laut KfW-Gründungsmonitor wurde 2012 mit 775.000 Gründern der niedrigste Stand seit Beginn der Erhebung in 2000 erreicht. Demnach lagen die Ursachen neben den bereits genannten Gründen in bürokratischen Hürden bei der Firmeneröffnung, finanziellen Belastungen und Problemen bei der Finanzierung. Doch KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner macht eine positive Entwicklung aus: „Ausgehend vom Tiefpunkt 2012 ist die Anzahl der Gründer 2013 deutlich auf 868.000 gestiegen. Der Anstieg beruht zwar ausschließlich auf so genannten Nebenerwerbsgründern.“ Aber insgesamt hätten deutlich mehr Gründer angegeben, mit ihrer Selbstständigkeit einer expliziten Geschäftsidee zu...