E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Schirmer Einfühlsam Gespräche führen
2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2025
ISBN: 978-3-456-76331-6
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wertschätzende und empathische Gesprächsführung in der Praxis der Gesundheits-, Erziehungs-, Pflege- und Sozialberufe
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-456-76331-6
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erfolgreiches Praxishandbuch zur wertschätzenden und empathischen Gesprächsführung für Gesundheits-, Erziehungs-, Pflege- und Sozialberufe, das die Themen Empathie und Beziehung in den Mittelpunkt stellt. Der erfahrene Autor führt in die Grundlagen wertschätzend und einfühlsam geführter Gespräche ein und stellt den empathischen Prozess mit seinen Elementen Beobachtung, Gefühle und Bedürfnisse vor. Praxisnah beschreibt er Anwendungsbeispiele, Grenzen, Risiken und Strategien der empathischen Kommunikation für alle Fachberufe in der Medizin, Pflege, Psychologie, Sozialen Arbeit und Pädagogik, die professionell Entwicklungs- und Fürsorgearbeit leisten.
Die 2. Auflage wurde inhaltlich vollständig überarbeitet und erweitert, die Grafiken wurden angepasst und erneuert. Die Literatur und Links wurden aktualisiert. Zentrale Konzepte und Interventionen, wie Gefühle, Bedürfnisse, Beziehung, Empathie, sowie Macht und Machtmissbrauch wurden aktualisiert und bearbeitet. Die Themen Vertrauen in Beziehungen, sowie professionelle Nähe und professionelle Distanz wurde aufgenommen und Perspektiven der Bewältigung aufgezeigt.
Aus dem Inhalt
Zur Handhabung dieses Buches
Die Bedeutung von Beziehungen
Empathie
Wertschätzende und empathische Gesprächsführung
Anwendung der wertschätzenden und einfühlsamen Gesprächsführung
Die Perspektive der Bewältigung
Fazit und Ausblick
Anhang
Zielgruppe
Pflegeauszubildende, Pflegestudierende, Pflegefachpersonen, Pflegelehrende, Physiotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, Sozialarbeitende.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
|51|3 Empathie
Dieses Kapitel definiert Empathie und stellt die unterschiedlichen Formen von Empathie vor, nennt die Chancen von Empathie für die Mitarbeitenden psychosozialer Berufe, weist auf die notwendigen Grenzen im Rahmen einer Arbeitsbeziehung hin und erläutert die Risiken von Empathie. Dass Empathie lehr- und lernbar ist, zeigt der nachfolgende Text und bietet Übungen dazu. Das Kapitel schließt ab mit einer vereinfachten Darstellung neurobiologischer Kenntnisse zu Strukturen und Funktionsweisen des Gehirns, um ein besseres Verständnis für unser Verhalten, Erleben und insbesondere für einige hartnäckige emotionale Probleme und Verhaltensweisen zu schaffen. 3.1 Zwei Formen der Empathie
Bei der Empathie wird nach neuen belegenden Studien zwischen zwei Formen unterschieden: der affektiven und kognitiven Empathie, die nachfolgend erklärt werden. Der Begriff Empathie geht auf das von Theodor Lipps bereits Ende des 19. Jahrhunderts benutzte deutsche Wort „Einfühlung“ zurück. Heute werden in der Fachliteratur die Begriffe Empathie und Einfühlung zumeist synonym verwendet. Der Begriff Einfühlungsvermögen zielt auf die Fähigkeit zur Empathie beziehungsweise zum Empathischsein ab. Eine Fähigkeit, die gerade von den Angehörigen der psychosozialen Berufe in hohem Maß erwartet und eingefordert wird. Das ist wenig verwunderlich, denn Empathie ist die wichtigste Eigenschaft, die zur Schaffung einer fürsorglichen Umgebung erforderlich ist (Cunico et al., 2012). Empathie in einer Beziehung ist wahrscheinlich der wichtigste, „sicher aber einer der wichtigsten Faktoren, welche Veränderung und Lernen bewirken“ (Rogers & Rosenberg, 2005, S. 76). |52|In der Fachliteratur psychosozialer und medizinischer Berufe ist daher der Appell „sei empathisch“ allgegenwärtig. Sozusagen ein Zauberspruch, ein alter heiliger Code, wie ein Schlüssel für das Miteinander in der zwischenmenschlichen Begegnung. Empathie – eine mystische Urkraft? Eine („weibliche“) Gabe, die man hat, oder nicht? Eine Haltung? Eine einzigartige Art, die Menschen und das Leben zu sehen? Gewissheit besteht darin, dass ohne Empathie eine helfende Beziehung, die wirksam sein soll, gar nicht vorstellbar ist. Eine allgemein akzeptierte Definition und Erklärung für Empathie gibt es derzeit nicht und so wird der psychologische Begriff Empathie in der Fachliteratur in vielfältigster Art und Weise definiert. Als Grund für die menschliche Fähigkeit zur Empathie wird die in der Evolution überlebensförderliche Verbundenheit (Bindung) mit anderen Menschen angesehen (Hojat, 2016; Insel & Fernald, 2004). In den letzten Jahren wird Empathie zunehmend nach zwei verschiedenen Formen differenziert: eine affektive Form (lat. afficere = ergriffen sein, Gemütserregung) und eine kognitive Form (lat. cognoscere = erkennen, wissen, urteilen). Wissenschaftlich wird diese Unterscheidung auch durch neurobiologische Studien gestützt (Ekman, 2007; Decety & Jackson, 2004). Es sind also zwei Formen von Empathie zu unterscheiden: Affektive Empathie, auch als Emotionale Ansteckung [spüren] bezeichnet, führt zu einem „wirklichen Mitfühlen“ mit einer anderen Person (Lebewesen), was bis hin zu einem „Mitleiden“ führen kann. Durch das Beobachten eines emotionalen Zustandes einer anderen Person werden in unserem eigenen Inneren neuronale Repräsentationen aktiviert, die uns ganz ähnliche Gefühle erleben lassen. Es werden neuronale Netzwerke aktiviert (sozusagen ein evolutionäres „WLAN“), die es uns ermöglichen, in eine synchronisierte Kommunikation mit unserem Gegenüber zu treten, verbunden mit einer eigenen körperlichen Reaktion. Diese emotionale Resonanz ermöglicht es uns, die Emotionen des Gegenübers zu erfahren, etwa indem wir die Gefühle von einer anderen Person übernehmen, nacherleben, daran teilnehmen, sie mit ihr teilen. Es handelt sich um eine (teils unbewusste) Reaktion auf die Gefühle anderer Menschen, manchmal ohne Klarheit, dass die Quelle der eigenen Gefühle in einer anderen Person liegen. Kognitive Empathie, auch als Perspektivenübernahme [denken] bezeichnet, führt zu mentalem Verstehen, indem wir uns in eine andere Person „hineindenken“. Perspektivenübernahme oder Mentalisierung ist der Versuch, die innere Welt des anderen kognitiv zu verstehen, welche Gefühle, Gedanken, Haltungen und Motive ihn leiten und mitzuteilen, dass dies verstehbar ist (validieren). Jedoch ohne notwendigerweise selbst die Gefühle des anderen zu |53|verspüren oder den Schmerz selbst zu erleben. Diesen mentalen Prozess können wir bewusst steuern, er unterstützt uns, das Verhalten des anderen in einem gewissen Umfang zu verstehen (Fremdverstehen). Eine Fähigkeit, die ausschließlich dem Menschen vorbehalten ist. Darüber hinaus fördert dies das Selbstverstehen unseres Gegenübers. Ich kann mir z.?B. vorstellen, dass mein Gegenüber, der gerade von der Trennung seiner Partnerin spricht, wütend und fassungslos ist. Gleichzeitig weiß ich, dass es nicht mein Leid ist, sondern das meines Gegenübers. Ich habe Klarheit, dass die Gedanken und eventuell vorhandenen Gefühle dazu nicht aus mir selbst entstanden sind, sondern die Quelle in einer anderen Person liegt (Selbst-Andere-Differenzierung). Beide Vorgänge spielen sich im Gehirn ab, allerdings in verschiedenen Arealen und damit auf unterschiedlichen neuronalen „Routen“. Das heißt auch, dass affektiv empathische Menschen nicht automatisch gut in Perspektivenübernahme (mentalisieren) sein müssen (Singer & Klimecki, 2014). Empathie ist ein multifaktorielles Konstrukt, das sowohl kognitive als auch affektive Facetten umfasst. Beruflich Tätige, die im pulsierenden Leben Menschen in berührenden Momenten begleiten, werden diese beiden Formen von Empathie wohl kaum trennscharf bei sich wahrnehmen. Sie werden die beiden Formen von Empathie eher in einer inneren Beziehung zueinanderstehend erleben, in welcher Übergangsbereiche von „Mitschwingen“ bis hin zu „Mentalisieren“ gegenwärtig sind. So können affektive und kognitive Empathie als zwei Pole auf einem Kontinuum verstanden werden. Für eine professionell zu gestaltende Beziehung, bei der es zunächst darum geht, eine Verbindung (mit Annahme und Vertrauen) zum Gegenüber herzustellen, ist die kognitive Empathie (Perspektivenübernahme) ein unentbehrlicher Bestandteil professionellen Handelns. Eine wesentliche Bedingung für Empathie ist die Fähigkeit einer Person, mental die Subjektivität einer anderen Person zu erfassen, wobei dies bewusst oder unbewusst geschehen kann (Decety & Jackson, 2004). Arbeitsdefinition Empathie Es werden zwei Formen von Empathie unterschieden: Affektive Empathie (Emotionale Ansteckung) lässt uns die Gefühle einer Person miterleben und spüren, was gerade in ihr vorgeht („einander am eigenen Leib |54|spüren“, auf „einer Wellenlänge“ sein). Affektive Empathie ist ansteckend, geradezu mitreißend und ermöglicht uns, mit unserem Gegenüber mitzuschwingen. So kann neben Freude (lachen) eben auch Trauer, Wut oder Stress („ein Mitleiden“) ausgelöst werden. Dabei muss die Person nicht einmal leibhaftig vor uns stehen, manchmal genügt es, einen kurzen Ausschnitt eines Films zu sehen, oder einen Text zu lesen. Rationalität wäre das Gegenteil dazu, ein abstraktes Denken, eine nüchterne Vernunft, die womöglich Gefühle verdrängt, als schädlich betrachtet, die deshalb abgeschaltet werden müssen. Kognitive Empathie (Perspektivenübernahme) beachtet zwar die Gefühle und spricht das „Herz“ an, ermöglicht jedoch ein Verstehen, also überlegen, was den anderen bewegt und wie er sich fühlt (kognitives Nachvollziehen/Mentalisieren). Sie versucht sich in den anderen gedanklich hineinzuversetzen, die hinter den Gefühlen ...