Schmidt Legitime Gewalt in den Naturzuständen bei Kant
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86234-857-2
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 193 Seiten
ISBN: 978-3-86234-857-2
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Kants Ruf als Friedensphilosoph ist hinreichend gefestigt, sein Plan, den Frieden durch eine umfassende Rechtsetzung zu erreichen, hinlänglich bekannt. Kaum bekannt ist dagegen, dass Kant auch konkrete Vorstellungen zur Reglementierung des Krieges hat, die den Friedenszustand tatsächlich herstellen sollen. Die vorliegende Studie ist keine Auseinandersetzung mit allen Facetten der Kantischen Gedanken zum Krieg; letztlich bleiben zum Krieg bei Kant nicht mehr viele Fragen offen. Worum es gehen soll, ist umfassender: Mit der Frage nach legitimer Gewalt in den Naturzuständen dehnt sich der zu bearbeitende Themenbereich über die Sphäre des Zwischenstaatlichen hinaus, denn Thema ist auch die erlaubte zwischenmenschliche Gewalt im I. Naturzustand wie sie z. B. heute noch immer in Bürgerkriegen stattfinden kann. Die Lösung der Aufgabe verlangt eine Reise quer durch Kants Werk: von der Rechtsphilosophie zur Ethik, über die Ästhetik bis hin zur Geschichtsphilosophie.
Nach einer Ausbildung zum Industriemechaniker und dem Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg studierte Dr. Manuel Schmidt Philosophie, Geschichts- und Rechtswissenschaft. Er promovierte im Fach Philosophie an der Universität Bielefeld.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Philosophie Rechtsphilosophie, Rechtsethik
- Geisteswissenschaften Philosophie Sozialphilosophie, Politische Philosophie
- Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Westlichen Philosophie Westliche Philosophie: Aufklärung
- Rechtswissenschaften Recht, Rechtswissenschaft Allgemein Rechtsphilosophie, Rechtsethik
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Theorie, Politische Philosophie
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;7
2;Danksagung;9
3;Zitierweise;11
4;Abkürzungen;13
5;Einleitung;15
6;Kapitel 1: Vorarbeiten – Arbeitsmethode und Konzeption des Arbeitsplanes;21
6.1;1.1 Erste Bestimmung der untersuchungsrelevanten Bereiche der Kantischen Philosophie;21
6.2;1.2 Der Bearbeitungsplan – Detaillierter Inhalt und Gliederung der Arbeit;23
7;Kapitel 2: Legitime Gewalt im zwischenmenschlichen Naturzustand;27
7.1;2.1 Die Merkmale des zwischenmenschlichen Naturzustandes;27
7.2;2.2 Überlegungen zur legitimen Gewalt im zwischenmenschlichen Naturzustand – Das besondere Recht der Naturzustandsbewohner;35
7.2.1;2.2.1 Gründe und Ziele legitimer Gewaltanwendung im zwischenmenschlichen Naturzustand;36
7.2.2;2.2.2 Die Regeln während der Anwendung von Gewalt im zwischenmenschlichen Naturzustand;43
7.2.3;2.2.3 Das mögliche Unrecht im zwischenmenschlichen Naturzustand und die späteren Konsequenzen im Staat;45
7.3;2.3 Kein Rückfall in den zwischenmenschlichen Naturzustand! Das Problem des Revolutions- und Widerstandsverbots und das Gebot der Staatsreform;48
7.3.1;2.3.1 Darstellung und Kritik;50
7.3.2;2.3.2 »Entlastendes« zur Kantischen Gehorsamspflicht von Kant;66
8;Kapitel 3: Legitime Gewalt im zwischenstaatlichen Kriegszustand;71
8.1;3.1 Civitas civitati lupus est. Die Merkmale des zwischenstaatlichen Kriegszustandes – Parallelen und Unterschiede zum zwischenmenschlichen Naturzustand;72
8.2;3.2 Das zwischenstaatliche Kriegsrecht;75
8.2.1;3.2.1 Die verschiedenen Bedeutungen des »Völkerrechts«-Begriffs und die systematische Einordnung des Kriegsrechts;77
8.2.2;3.2.2 Die Kriegsrechtsparagraphen 53–60;84
8.2.2.1;3.2.2.1 Die Einleitung des Kriegsrechts. Die Paragraphen 53–54;84
8.2.2.2;3.2.2.2 Ist die staatliche Zwangsrekrutierung von Soldaten aus der Bürgerschaft rechtmäßig? Der Paragraph 55;85
8.2.2.3;3.2.2.3 Unter welchen Voraussetzungen haben die Staaten ein Recht zum Krieg? Der Paragraph 56;95
8.2.2.4;3.2.2.4 In welcher Weise dürfen die Staaten Krieg gegeneinander führen? Der Paragraph 57;117
8.2.2.5;3.2.2.5 Welche Regeln gelten für die beteiligten Staaten nach dem Krieg? Der Paragraph 58;128
8.2.2.6;3.2.2.6 Die Zusatzparagraphen des Kriegsrechts. Die Paragraphen 59–60;139
9;Kapitel 4: Die ethische Bewertung von Gewalt und Krieg;151
9.1;4.1 Legalität und Moralität. Die zweifache Gesetzgebung;152
9.2;4.2 Die notwendige ethische Bewertung von Gewalt und Krieg;156
10;Kapitel 5: Lassen sich durch Kants ästhetische und geschichtsphilosophische Interpretationen des Krieges Gewalt und Krieg rechtfertigen?;159
10.1;5.1 Die ästhetischen Bemerkungen zum Krieg;161
10.2;5.2 Die geschichtsphilosophischen Betrachtungen zum Krieg;168
10.2.1;5.2.1 Darstellung der geschichtsphilosophischen Funktionen des Krieges;169
10.2.2;5.2.2 Lässt sich ein Krieg durch die geschichtsphilosophischen Betrachtungen rechtfertigen?;172
11;Kapitel 6: Ausblick;181
12;Literaturverzeichnis;185
"Kapitel 4: Die ethische Bewertung von Gewalt und Krieg (S. 151-152)
»Indessen daß doch die Vernunft vom Throne der höchsten moralisch gesetzgebenden Gewalt herab den Krieg als Rechtsgang schlechterdings verdammt«.
Was sind die ethischen Anforderungen an den Menschen, wenn er im rechtsunsicheren Zustand mit Gewalt und Krieg konfrontiert wird? Wie ist Kants ethisches Urteil über rechtlich legitime Gewalt in den beiden Naturzuständen? Die Fragen drängen sich auf, doch eine längere, explizit ethische Bewertung von Gewalt und Krieg ist bei Kant nicht zu finden. Dennoch kann sein diesbezüglicher Standpunkt leicht und sicher benannt werden.
Da sind zunächst die immer wiederkehrenden, kurzen Passagen, in denen Kant den Krieg ethisch strikt ablehnt. So heißt es etwa im Streit, der Krieg sei der »Zerstörer alles Guten« und »das größte Hinderniß des Moralischen«.303 Diese Zitate sind in ihrer Aussage eindeutig und bedürfen inhaltlich kaum weiterer Interpretationen. Aber wie werden diese Ansichten begründet und wie passen sie mit Kants Vorstellungen zur rechtmäßigen Gewalt in den Naturzuständen zusammen? Ist die rechtlich legitime Gewalt, wie sie etwa in Verteidigungskriegen vorkommt, auch ethisch legitim?
Bemerkenswert ist, dass Kant den Krieg zwar mehrfach unmissverständlich ethisch verdammt, er dazu aber nicht ein einziges Mal den zweiten Teil der MS nutzt, wo er sich doch in deren ersten Teil der legitimen kriegerischen Gewalt im Kriegsrecht und den Naturzuständen widmet. Hätte nicht zu Recht vermutet werden können, dass wenn die Tugendlehre der geeignete Ort dafür seinmüsste, dem Krieg ethisch argumentativ die rote Karte zu zeigen? In der Tugendlehre wird der Krieg jedoch kein einziges Mal erwähnt.Wie kann dann das vorliegende Problem, ohne einschlägige Textstellen, bearbeitet werden?
Die Schwierigkeit lässt sich recht schnell auflösen, wenn der Blick auf das Verhältnis von Recht und Moral gelenkt wird, das in der MS, insbesondere in deren Einleitung, von Kant thematisiert wird (4.1), denn dann wird klar, dass Gewalt und Krieg in den Naturzuständen, wenn sie rechtlich verboten sind, notwendig auch ethisch verboten sein müssen (4.2). Und auch umgekehrt gilt: Wenn sie rechtlich erlaubt sind, sind sie es auch ethisch, d. h. nur wenn es eine tatsächliche Bedrohungs- bzw. Gewaltsituation gibt, kann Gewalt in den Naturzuständen ethisch legitim sein."