Schmidt | Nichts und Zeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 233 Seiten

Reihe: Blaue Reihe

Schmidt Nichts und Zeit

Metaphysica dialectica – urtümliche Figuren
unverändertes eBook der 1. Auflage von 2007
ISBN: 978-3-7873-2106-3
Verlag: Felix Meiner
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Metaphysica dialectica – urtümliche Figuren

E-Book, Deutsch, 233 Seiten

Reihe: Blaue Reihe

ISBN: 978-3-7873-2106-3
Verlag: Felix Meiner
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Diese Untersuchung setzt bei einer vermeintlichen Selbstverständlichkeit ein, bei der Allgegenwart von Unterschiedenheit. Genauer besehen zeigt sich hier jedoch eine Differenz von Differenz und Unterschied. Innerhalb dieser Differenz findet sich das Seiende und Nichtseiende plaziert, aber nicht allein das, sondern auch etwas, das zu beiden neutral, ja jenseitig steht und das nach einer auf die Stoa zurückgehenden Anregung als das Etwas bezeichnet werden soll. All das, was 'ist' bzw. nicht 'ist' einerseits, und das Etwas, das 'es gibt', andererseits. Diese Klarstellung führt an den Punkt heran, an dem sich die Frage nach dem Nichts stellt. Bei der Figur Es-gibt-Etwas' drängt sie sich auf. Ein durch seine Selbstverständlichkeit fast unmerkliches Es, jenes Es, das gibt, wenn es Etwas gibt, steht für das Nichts. Davon handelt dann der 'zweite Teil' des Buches. Nachdem die Untersuchung vom Seienden zum Etwas und von diesem wiederum zu der Frage nach dem Nichts vorgedrungen ist, steht im 'dritten Teil' eine Art Reise rückwärts an. Sie führt zurück zu etwas, das es im Unterschiede zu dem Nichts tatsächlich gibt, zu dem genuinen Individuum namens 'Zeit'.

Schmidt Nichts und Zeit jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


EINFÜHRUNG
Differenz von Differenz und Unterschied
1 Um wie angekündigt bei einer Selbstverständlichkeit einzusetzen: Alles Seiende – alles, was existiert, was ist – unterscheidet sich, findet sich von seinesgleichen und in sich unterschieden. Überall Unterschied. Sogar Identitäten könnte es hier nicht geben, ohne sich voneinander zu unterscheiden und wenigstens dieserart den Unterschied an sich zu haben. Allenthalben Unterschiedenheit. Nicht, als würde diese Feststellung eine eherne Gewißheit hergeben, einen über allen Zweifel erhabenen Ausgangspunkt markieren. Es handelt sich wirklich bloß um eine Selbstverständlichkeit; fraglos gewiß und von selbst einleuchtend. Vor allem in folgendem Sinne. Selbstredend ist das, was auf Anhieb Unterschied genannt wurde, genau genommen vielerlei: Verschiedenheit, Kontrast, Divergenz, Disproportion, Distanz Andersheit, Abweichen und Abheben, Gegensatz, Dissonanz, Dissens, Dissimination usw. usf. Aber selbstredend zieht sich durch all dies eines hindurch, eines kommt in allem vor, spielt in allem mit. Daß dem so ist und was das ist, trägt der Sprachgebrauch vor sich her. Ein Kontrast, eine Ungleichheit, ein Dissens usw. macht selbstredend zugleich einen Unterschied aus, während ein Unterschied nicht unbedingt zugleich einen Kontrast, eine Ungleichheit, einen Dissens usw. ausmacht. Gleichviel also, ob jene Vielheit durchweg aus den besonderen Formen einer allgemeinen Beziehung besteht, oder aus den zahlreichen Abkömmlingen eines Grundverhältnisses, oder ob sie eine Familie von vielen nahen und entfernten Verwandten bildet, so oder so ist sie die Vielheit von Einem, und dieses Eine heißt im Deutschen Unterschied. Die Vielheit von Einem, das Unterschied heißt – das ist die einschlägige von Selbstverständlichkeit gezeichnete Figur. Allenthalben der Unterschied in seiner ganzen Vielgestaltigkeit. Dazu paßt es, wenn Hegel von der Verschiedenheit über den Gegensatz bis zum Widerspruch lauter verwandelte Formen des Unterschieds ausmacht19, lauter Formen, die zwar keineswegs vollständig sich zurückführen lassen auf den einfachen Unterschied, aber doch gleich Metamorphosen auf ihn zurückgehen. Von selbst versteht sich sicherlich nicht die schon recht anspruchsvolle Idee der Metamorphose, wohl aber die schlichte Figur, die sie auf ihre Weise ausführt. Was immer auch nur entfernt an ein Scheiden, ans Diskontinuierliche erinnert, wird unbedingt eine Form, eine Gestalt, einen Abkömmling jenes Einen darstellen, das als Unterschied bezeichnet gehört. Es gibt ganz selbstverständlich die Unterschiedenheit mit ihrer schier unübersehbaren Vielgestaltigkeit, und einschlägig gibt es nur sie, so daß alles, was einschlägig überhaupt in Betracht kommt, zu ihren Formen oder Gestalten und Ablegern gehören muß. Das mag erklären, weshalb der von romanischen Philosophien inspirierte emphatische Differenzbegriff innerhalb deutschsprachiger Diskurse weithin wie ein bloßes Synonym für den angestammten Begriff des Unterschiedes gehandelt und hantiert wird, wie das passende Fremdwort zum urtümlich deutschen Ausdruck, bestenfalls aber zur Auszeichnung besonders tiefgehender Unterschiede. Das kommt, weil selbstverständlich auch der Begriff der Differenz nur einen Unterschied bzw. eine Art von Unterschied meinen kann. Allein, die Selbstverständlichkeit hat etwas von Hinfälligkeit an sich; so massiv sie sich prima vista aufdrängt, so unselbstverständlich gerät sie zu Ende gedacht. 2 Man braucht lediglich bei dem angesprochenen Seienden, das sich allenthalben unterscheidet, weiterzudenken, braucht nur einige wenige Denkschritte weiterzugehen, um auf eine Frage zu stoßen, in Gestalt derer die so selbstverständliche Allgegenwart von Unterschied höchst unselbstverständlich wird. Auf eben die Frage war Martin Heidegger gestoßen, bei einem wiederholt angestellten Gedankengang über Sein und Seiendes, der üblicherweise unter dem begrifflichen Titel der ontologischen Differenz gelesen und gedeutet wird. Heidegger hat nämlich nicht nur besagte Differenz behauptet, um sie begreifen zu können, hat er sich zudem in besonders lichten Momenten gefragt, ob sie noch einen richtiggehenden Unterschied ausmacht, ob sie vielleicht jenseits von Unterschied gedacht werden muß, jenseits der ganze Unterschiedenheit samt ihrer Formenvielfalt. Um den Punkt zu erinnern, an dem die Frage aufbricht. Offenkundig läßt sich Seiendes ohne Sein unmöglich denken. Ebenso unmöglich kann das Sein seinerseits sein. Das Sein will mithin anders als ein Seiendes, anders als ein bloßer Spezialfall des Seienden gedacht werden. Seiendes ist, das Sein hingegen gibt es. Wenn sich das so verhält, dann muß der Unterschied, der Seiendes gegen Seiendes abhebt, ganz anders ausfallen als die Differenz von Sein und Seiendem. Diese Differenz und jener Unterschied müßten sich dann sogar als von ganz anderer Typik, ja von anderer Wesensart erweisen. Der Unterschied zwischen Seiendem und Seiendem bleibt stets einer zwischen zwei im Grunde gleichen Gegenständen, er bleibt ihrer Identität untergeordnet. Anders die Differenz von Sein und Seiendem. Die gilt es gerade in der nämlichen Hinsicht anders zu denken, wenn denn das Sein vor Verwechslung mit einem Seienden bewahrt gehört. Aber darf sie dann überhaupt noch wie ein Unterschied gefaßt werden? Mit dieser Frage ist die Selbstverständlichkeit einer Allgegenwart von Unterschiedenheit bereits dahin. Freilich liegt es immer noch verführerisch nahe, die Frage bejahend zu beantworten und einfach zwei Arten des Unterschiedes anzunehmen, bei den sezierten Bezügen von zweierlei Sorten der Unterschiedenheit zu sprechen. Der Unterschied zwischen Seiendem und Seiendem als die eine Sorte, die Differenz von Sein und Seiendem als die andere. Mit einer solchen Deutung wäre die gerade fragwürdig geratene Selbstverständlichkeit noch einmal bekräftigt, und es entspricht der Sogkraft des Selbstverständlichen, zu seiner Apologetik zu verführen. Heidegger widersetzt sich der Verführung, geht einen begriffsstrategisch bedeutsamen Schritt weiter. Eine Passage in seiner Hegellektüre20 zeigt das besonders deutlich. Dort legt er sich die Frage vor, ob man von einem Unterschied zwischen Sein und Seiendem sprechen kann, ob also die ontologische Differenz ebensogut als ein bestimmter Unterschied aufgefaßt werden darf. Die Antwort fällt abschlägig aus. Im gegebenen Fall von einem Unterschied zu sprechen, heißt es, würde bedeuten, eine nur vordergründige und in Wahrheit verderbliche Fassung des Verhältnisses von Sein und Seiendem zu wählen. Solche Rede verbiete sich, weil der Unterschied, und zwar jeglicher, die Unterschiedenen gleichsetze. Man kann nicht unterscheiden, ohne die Unterschiedenen vorab schon in einer Hinsicht gleichgesetzt zu haben und ihre Gleichheit als wesentliche, grundsätzliche oder sonstwie fundamentale zu unterstellen. Sein und Seiendes im Verhältnis des Unterschiedes zu wähnen, bedeutete daher unweigerlich, die beiden unterderhand gleichzusetzen, sie als im Prinzip gleichartige zu unterstellen, um gerade auf diese Weise das Sein doch noch dem Seienden zuzuschlagen.21 Was aber doch tunlichst vermieden werden sollte. Nimmt man die nachgelassene Entscheidung an, muß man sich auf folgende Konsequenz einlassen. Die Beziehung des Seins zum Seienden gilt es dann als eine Differenz zu denken, die keineswegs mit einem Unterschied verwechselt werden will, von der es vielmehr heißen muß: Differenz statt Unterschied. Wenn die terminologische Entscheidung aufrecht erhalten werden kann, müßten wir eine unverwandt anmutende Konstellation allen Ernstes ins Auge fassen: Wir hätten dann eine Differenz von Differenz und Unterschied anzunehmen bzw. einen Unterschied zwischen Unterschied und Differenz. Womit Differenz natürlich aufhörte, als bloßes Fremdwort für Unterschied zu dienen. 3 Tatsächlich läßt sich jene terminologische Entscheidung aufrechterhalten, sie empfiehlt sich sogar der Kanonisierung. Das deutsche Wort Unterschied, mit der ihm eigentümlichen Verknüpfung von unter und scheiden, taugt ja sinnfällig dazu, eine ebenso eigentümliche Geschiedenheit auszuzeichnen. Unter-Scheiden, das bezeichnet doch die Scheidung unter Einem, die untergeordnete Geschiedenheit. Erst in dieser eingeschränkten Bezugnahme erfüllen sich die vorgängigen Bedeutungen der zusammengefügten Worte. Unterschied, so darf es heißen, ist das der Identität subsumierte Scheiden. Dagegen läßt sich die Differenz als eine abheben, die der Subsumtion zuvorkommt. Nach alldem wirkt es abgeschmackt, das Denken der Differenz mit einer Vorliebe für tiefere Unterschiede zu verwechseln. Vielmehr verheißt und verlangt es, etwas zu denken, das noch mit der Unterschiedenheit differiert. Gerade auf die Differenz von Differenz und Unterschied kommt es an. Allerdings macht die sprachliche Wendung Unterschied und Differenz allein im Deutschen einen Sinn, sie steht nicht zu Gebote, wo mit romanischer Zunge philosophiert wird. Aber die Idee, das Scheiden seinerseits geschieden zu sehen, und zwar so, daß es in einem Falle der Identität untergeordnet ist, während es im anderen Falle solcher Unterordnung zuvorkommt, diese Idee entwickelte sich gerade in der französischen Philosophie zur Blüte. Dafür steht vor allem der von Gilles Deleuze unternommene Vorstoß, eine reine Differenz gegen, sozusagen, unreine Differenzen abzusetzen22, sowie Jacques Derridas berühmte Begriffs- und Lautbildung différence /...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.