Schnerring / Verlan | Equal Care | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Schnerring / Verlan Equal Care

Über Fürsorge und Gesellschaft
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95732-443-6
Verlag: Verbrecher Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Über Fürsorge und Gesellschaft

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-95732-443-6
Verlag: Verbrecher Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Am Anfang und am Ende des Lebens sind wir darauf angewiesen, dass andere Menschen sich um uns kümmern, bedingungslos fürsorglich sind. Aber auch in den Jahren dazwischen: Wer kocht, räumt auf und putzt? Wer erzieht, betreut und pflegt? Wer hört zu und gibt Rückhalt? Wer ist bereit, die eigenen Wünsche zurückzustellen und sich hier und jetzt um andere zu kümmern? All diese Care-Aufgaben sind in unserer Gesellschaft sehr ungleich verteilt. Im professionellen Bereich sowie im Privaten. Die Grundthese ist: Nur wenn Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern gerecht aufgeteilt wird, haben alle Menschen gleichermaßen die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe, politisch und wirtschaftlich, in Kultur und Wissenschaft, beruflich und privat, auf allen Ebenen und Hierarchiestufen. Ausgehend von den Fragen 'Was ist Care?' (mehr als pflegen und sauber machen), 'Was ist Arbeit?' (mehr als die reine Erwerbsarbeit auf jeden Fall) und 'Wie privat ist Fürsorge eigentlich?' (gar nicht) beschreibt das Buch die sozialen Verwerfungen, die der Gender Care Gap in den unterschiedlichen Lebens und Gesellschaftsbereichen nach sich zieht (ja, auch Männer sind davon betroffen). Wie kommt es, dass sich allen Erfolgen der Gleichstellungsbewegung zum Trotz im Sorgebereich so wenig verändert hat?

Almut Schnerring und Sascha Verlan sind ein Journalist•innen-, Autor•in nen- und Trainer•innen-Team und leben mit ihren drei Kindern in Bonn. Sie arbeiten zu den Themenbereichen Geschlechtergerechtigkeit und Rollenstereotype, zur Rosa-Hellblau-Falle (rosahellblau-falle.de) und zu Zugehörigkeit, Sprache, Kommunikation und Rhetorik (training-bonn.de). Sie veröfffentlichen Bücher, Artikel und machen Radiosendungen, teilen ihre Ideen in Vorträgen, Workshops, organisieren Aktionstage (equalcareday.de) und initiieren Preisverleihungen (goldener-zaunpfahl.de).

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VORWORT
Unsere Tochter kam neulich mit einer Aufgabe aus dem Englischunterricht nach Hause, sie solle in der nächsten Stunde jeweils eine Utopie und eine Dystopie in Literatur oder Film vorstellen. Wir sitzen zu fünft beim Abendessen, Familienbrainstorming ist angesagt. Dystopien? Kein Problem: »1984«, »Matrix«, »Tribute von Panem«, »Stranger Things«, der ganze DC- und Marvel-Kosmos, die Literatur- und die Filmgeschichte sind voll von Weltuntergangsszenarien. Und jetzt Utopien? Es wird still am Tisch. Klar, Thomas Morus und sein »Utopia«, Christine de Pizan und »Das Buch von der Stadt der Frauen«, zugleich ein erstes feministisches Manifest von 1405, vielleicht Platons »Staat«? Aber ein Beispiel aus heutiger Zeit und Perspektive und so populär, dass uns spontan etwas einfiele und das Thema Jugendlichen geläufig wäre? »Avatar«? Geht so. »Zootropolis« vielleicht? Oder »Valerian«? »Tomorrowland«? Wenn so etwas wie eine utopische, bessere Welt in Literatur und Film vorkommt, dann nur als ferne Verheißung (fürs Happy End) oder als Parallelgesellschaft, die nicht weiter beschrieben wird. Doch selbst in diesen Beispielen wird der Weltuntergang in immer neuen Facetten und immer noch spektakuläreren Bildern in Szene gesetzt und heraufbeschworen, um die Guten in vielleicht letzter Sekunde doch noch zu retten. Meist wird die Rettung verkörpert durch einen männlichen Helden, einen starken Mann, der weiß ist und weiß, was er tut, der seinen Plan ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzt und uns allen als Hauptidentifikationsfigur angeboten wird. Selbstverständlich gibt es Filme und Bücher, in denen es um zwischenmenschliche Beziehungen und das gesellschaftliche Miteinander geht. Die spielen allerdings auf einer sehr persönlichen Ebene und handeln meist von Liebe, neue Gesellschaftsentwürfe bieten sie eher nicht. Wo also sind die populären Filme und Bücher, die uns eine bessere Welt zeigen, die einmal im Detail durchspielen, wie eine solche Welt aussehen und funktionieren könnte? Die uns herausfordern, über unsere Welt und Zukunft nachzudenken, eine eigene Vision zu entwickeln von einer besseren Gesellschaft? Stattdessen gewöhnen wir uns an Katastrophenbilder und Weltuntergangsszenarien und sind schließlich wenig erstaunt, wenn vergleichbare Bilder auch in den Nachrichten auftauchen. Und weil die Wirklichkeit im medialen Vergleich so blass und unscheinbar wirkt, nehmen wir die realen Krisen möglicherweise sogar weniger ernst. Wer inspiriert da eigentlich wen? Der Einsatz dokumentarischer Bilder und Perspektiven im Spielfilm und narrativer Strategien in der Berichterstattung trägt dazu bei, dass die Grenzen zwischen Fiktion und Realität immer weiter verschwimmen, dass es zunehmend schwerfällt, Wirklichkeit und Fake News zu unterscheiden. Und tatsächlich gibt es in der realen Welt oftmals den Wunsch nach klaren Verhältnissen, nach einem starken Mann, der alles richten soll – ungeachtet des Faktes, dass diese »starken Männer« in unserer Wirklichkeit gerade alles nur noch schlimmer machen, siehe etwa Putin, Trump oder Bolsonaro. Es mag sein, dass die fortlaufende Rettung untergehender Welten unterhaltsamer ist als die konstruktive Auseinandersetzung mit einer besseren Gesellschaft – aber wer weiß das schon, utopische Gesellschaftskonstruktionen wurden in Literatur und Film nie wirklich ausprobiert und in der Realität schon gleich gar nicht. Die allabendliche Dystopisierung der Welt jedenfalls verändert unsere Vorstellungen von der Zukunft und drängt wichtige Fragen in den Hintergrund: In welcher Welt wollen wir leben? In welche Welt hinein wollen wir einmal alt werden, sollen unsere Kinder hineinwachsen? Und mit zunehmendem Alter kommt die Frage hinzu: Von wem wollen wir später einmal abhängig sein? Wer soll uns aus welchen Gründen unterstützen und versorgen? Und haben wir dann noch die Möglichkeit und auch das Recht, Forderungen zu stellen? Wir können jetzt die Welt mitgestalten, in die hinein wir alt werden, dafür sorgen, dass in 30, 40, 50 Jahren ein gesellschaftliches Klima und ein sozialer Umgang vorherrschen, die uns einen schwierigen, vielleicht schmerzhaften Verlust der eigenen Selbstständigkeit erleichterten, einfach, da wir wissen, dass da eine Gesellschaft kommt, die unseren bisherigen Beitrag zu ihrem Erhalt wertschätzen wird. Wie sollte diese Welt aussehen? Wie sollen die Menschen in dieser Welt zusammenleben und miteinander umgehen? Und was könnten wir vielleicht heute schon tun und in die Wege leiten, dass diese vielleicht sogar unrealistisch erscheinende Utopie dennoch Wirklichkeit werden kann? Wir wollen mit diesem Buch den Blick nach vorne richten. Es geht nicht darum, den Status quo zu erklären und zu rechtfertigen. Die Analyse von Vergangenheit und Gegenwart ist wichtig, aber nur dann, wenn sie ein Mittel zum Zweck ist, nämlich Vorstellungen und Visionen zu entwickeln, die Welt von morgen mitzugestalten. Unsere Utopie ist eine Welt, in der Cura, die Fürsorge, wertgeschätzt und honoriert wird, dem lateinischen Wortursprung entsprechend: geehrt und belohnt. Und weil das so ist, übernehmen in unserer Utopie alle Geschlechter gleichberechtigt und in gleichen Maßen die Care-Aufgaben, ohne die es weder Leben noch Gesellschaft geben könnte – und somit auch keine Wirtschaft. Und weil das so ist, wissen wir alle, was Care-Arbeit bedeutet und im Detail umfasst. Und weil das so ist, können die meisten Menschen auch für sich sorgen und ein im Wortsinn selbstständiges Leben führen. Und weil das so ist, haben wir verinnerlicht, dass Menschen zwar selbstständig, aber nie unabhängig sein können, dass wir ohne unsere Mitmenschen nicht wirklich sind, ohne jene Menschen, die hin und wieder für uns kochen, Wäsche waschen oder die Toilette putzen, die Kinder versorgen und Eltern pflegen, die mit uns reden und unsere Sorgen und Freude teilen. Und weil das so ist, können wir ganz anders über Care-Arbeit reden, weil es plötzlich nicht mehr um Macht und Ohnmacht geht, sondern wir einander auf Augenhöhe begegnen, mal mehr Fürsorge brauchen, mal mehr Sorgearbeit geben können. Doch da das leider noch nicht so ist, wollen wir mit diesem Buch einladen, diese Gesellschaft und ihr Wirtschaftssystem einmal aus dem Blickwinkel der Fürsorge zu betrachten. Am Anfang war es nur eine beiläufige Idee: Wenn es einen Equal Pay Day gibt, der auf die unterschiedliche Bezahlung zwischen Frauen und Männern aufmerksam macht, müsste es noch dringender einen Equal Care Day geben, dringender, weil der Unterschied und die daraus resultierenden sozialen Verwerfungen ungleich größer sind. Also haben wir 2016 den »Equal Care Day – Aktionstag für mehr Wertschätzung und eine faire Verteilung der Sorgearbeit« initiiert, anfangs nur mit einigen wenigen Menschen, die uns mit Statements und Gedanken zum Thema unterstützt haben, die wir dann im Internet veröffentlicht haben. Das mediale und politische Interesse und der Zuspruch waren so überwältigend, dass der Equal Care Day ganz schnell von vielen Menschen aufgegriffen wurde, in Artikeln und Interviews, in Text und Bild, und am 1. März 2018 in die aktuelle Debatte des Deutschen Bundestages einfloss – aus der Idee wurde allmählich eine Bewegung. Wir haben den Equal Care Day auf den 29. Februar gelegt, auf den Tag, der in drei von vier Jahren übergangen wird. Die »unsichtbaren« Tage dienen als Symbol für die unsichtbare, weil gerne übersehene Sorgearbeit. Den Schalttag wählten wir auch deshalb, weil Frauen 80 % der Care-Aufgaben übernehmen, Männer also viermal so lange brauchen, um dieselbe Menge an Sorgearbeit beizutragen. Im Jahr 2020 tritt der Equal Care Day heraus aus der virtuellen und medialen Welt: In Berlin, Bonn und Bremen, Dortmund, Heidelberg und Freiburg, in Leipzig, Luxemburg und München, Nürnberg, Schweinfurt, Wien und in weiteren Städten treffen sich Menschen in ganz unterschiedlichen Konstellationen und Veranstaltungsformaten, um auf die ungleiche Verteilung und mangelnde Wertschätzung von Care-Arbeit aufmerksam zu machen und gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln, die über das Kleinklein der Tagespolitik hinausgehen. Wir danken allen, die uns und unsere Idee auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben mit ihrem Wissen, ihrer Expertise, mit Widerspruch und Anregungen, die gemeinsam mit uns nicht aufgeben, das Thema in seiner Komplexität und gesellschaftlichen Brisanz im öffentlichen Diskurs zu verankern, die schon so viel länger als wir in diesem Bereich arbeiten, geforscht und Ideen entwickelt haben, dass wir uns wie Zwerge fühlen auf den Schultern von Riesinnen, weil es sich eben auch hier in über 80 % der Fälle – okay 95 % – um Frauen handelt. Dieses Buch und die Initiative Equal Care Day wären nicht denkbar ohne den großartigen Rückhalt, den wir von so vielen Seiten erfahren: Wir danken Elke Büdenbender für ihre Unterstützung, fürs Mutmachen, für die Kooperation und Zusammenarbeit Katja Schülke, Gertrud Hennen und der Stadt Bonn, Sebastian Scharte, Martin Schilling, Janina Kremer und der Willi Eichler-Akademie, Anna Hoff,...



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