Schröder | Besinnung in flexiblen Zeiten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 278 Seiten, eBook

Schröder Besinnung in flexiblen Zeiten

Leibliche Perspektiven auf postmoderne Arbeit
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-531-91866-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Leibliche Perspektiven auf postmoderne Arbeit

E-Book, Deutsch, 278 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-531-91866-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
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Merkmale und Beweggründe eines 'flexiblen Menschen' herauszufinden hatte von Beginn meines Entschlusses, darüber zu promovieren, (anfangs unbewusst, später bewusster) auch mit mir selbst zu tun, mit meinem eigenen nomadischen Lebensweg über viele Städte und Dörfer der Bundesrepublik. Eingeflossen sind Wertvorstellungen und Erfahrungen meiner Eltern, Margot und Wolfgang Schröder, aus ihrer eigenen Geschichte als aktive Mitstreiter in der Arbeiter- wegung in beiden deutschen Staaten, ebenso wie Denkanstöße von Wolf und Frigga Haug, sich die herrschende Wirklichkeit über die 'Philosophie der Praxis' von Marx zu erschließen. In Projekten zur Humanisierung des Arbeitslebens bei der IG Metall und als gewerkschaftlicher Technologieberater lernte ich, wie die Arbeitenden zwar die Herausforderungen moderner Technik souverän bewält- ten, gleichzeitig aber mit sich selbst mehr oder weniger unachtsam umgingen. Einer wichtigen Voraussetzung für einen anderen Umgang mit sich selbst konnte ich dann im Studium der Motologie in der Begegnung mit der Leibphänome- logie 'am eigenen Leibe' auf die Spur kommen: über die subjektive Wahrn- mung und über das Erleben meiner selbst, über die Wertschätzung des eigenen Empfindens und der eigenen Lebensgeschichte. Jürgen Seewald als Leiter des Aufbaustudiengangs Motologie in Erfurt, als Kollege im dortigen Lehrteam Motologie und als 'Doktorvater' der Dissertation sowie Fritz Reheis als Wissenschaftler und guter Freund, der mir mindestens 5 mal sein Haus in Rödental als Klausurstätte in der intensiven Schlussphase der Arbeit zur Verfügung stellte und mich wissenschaftlich 'coachte', waren e- scheidende Wegbereiter für den erfolgreichen Abschluss der Arbeit.

Jörg Schröder, Dr. phil., Diplom-Motologe, ist im Leitungsteam der Kooperationsstelle Wissenschaft & Arbeitswelt Darmstadt und selbständiger Dozent für Psychomotorik und Bewegungspädagogik.

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1;Inhaltsverzeichnis;5
2;Vorwort;11
3;Einleitung;13
3.1;0.1 Problemstellung;13
3.2;0.2 Erkenntnisinteresse und Aufbau;15
4;I. Die Flexibilisierung von Arbeit;20
4.1;I.1 Typisierung;20
4.2;I.2 Vom geregelten zum flexiblen Menschen;22
4.2.1;I.2.1 Veränderte Produktionskonzepte;22
4.2.2;I.2.2 Flexibilität;25
4.2.3;I.2.3 Neue Arbeitsverhältnisse;30
4.2.4;I.2.4 „Indirekte Steuerung“;31
4.2.5;I.2.5 Ein neuer Leittypus: unternehmerisch denkende Arbeitnehmer;32
4.2.6;I.2.6 Das prekäre Ziel der Balance von Arbeit und Leben;35
4.2.7;I.2.7 Gesundheitsrisiken der Beschäftigten;37
4.2.8;1.2.8 Fazit;38
4.3;I.3 Sinnhorizonte menschlicher Arbeit;39
4.3.1;I.3.1 Arbeit als Umgestaltung der Natur;39
4.3.2;I.3.2 Menschliche Arbeitskraft als Ware;42
4.3.3;I.3.3 Der arbeitende Mensch als Warenverkäufer;43
4.3.4;I.3.4 Arbeit und zweckrationales Handeln;45
4.3.5;I.3.5 Arbeit und die Instrumentalisierung des Körpers;46
4.3.6;I.3.6 Subjektivierung von Arbeit;48
4.3.7;I.3.7 Arbeit und Sinn;58
4.3.8;I.3.8 Modelle „guter Arbeit“;62
4.3.9;I.3.9 Fazit;64
4.4;I.4 Fremdbestimmung und Autonomie in der Arbeit;65
4.4.1;I.4.1 Unterdrückung, Unterwerfung und Entfaltung;67
4.4.2;1.4.2 Subjektivierende Unterwerfung;68
4.4.3;1.4.3 Macht, Unterwerfung und Entfaltung im Arbeitsprozess;69
4.4.4;1.4.5 Macht als Vielfalt von Kräfteverhältnissen;73
4.5;1.5 Selbstoptimierung und Selbstsorge als Selbsttechnologien;75
4.5.1;1.5.1 Körper als Medium der Selbsterfahrung: Body Consciousness;77
4.5.2;1.5.2 Körper als Medium der Selbstführung: Fitness;79
4.5.3;1.5.3 Körper als Medium der Selbstsorge: Wellness;80
4.5.4;1.5.4 Fazit;82
5;II. Der "flexible Mensch": Sozialcharakter und Persönlichkeit;85
5.1;II.1 Gewöhnung als Einverleibung;85
5.1.1;II.1.1 Das Konzept des „Habitus“;86
5.1.2;II.1.2 Der soziale Sinn;88
5.1.3;II.1.3 Die Einleibung des Außen;89
5.1.4;II.1.4 Veränderung des Habitus;92
5.1.5;II.1.5 Fazit;94
5.2;II.2 Der beschleunigte Mensch;94
5.2.1;II.2.1 Zeitlichkeit und Charakter;95
5.2.2;II.2.2 Der Akzelerationszirkel und das situative Ich;97
5.2.3;II.2.3 Vom „Rasenden Stillstand“ zur Fortsetzung der Evolution;101
5.2.4;II.2.4 Fazit;102
5.3;II.3 Zum Selbstverständnis postmoderner Menschen;103
5.3.1;II.3.1 Der „Gesellschaftscharakter" von Individuen;104
5.3.2;II.3.2 Das Menschenbild bei Fromm;104
5.3.3;II.3.3 Die postmoderne Ich-Orientierung;106
5.3.4;II.3.4 Fazit;115
5.4;II.4 Die aktuelle Identitätsdebatte;117
5.4.1;II.4.1Das Kernselbst;117
5.4.2;II.4.2 Ich-Identität als steuerndes Zentrum;120
5.4.3;II.4.3Die traditionelle Identität in der Krise;121
5.4.4;II.4.4 Persönlichkeit ohne Kern;123
5.4.5;II.4.5 Identität als "leeres Selbst";124
5.4.6;II.4.6 Multiple Identitäten;125
5.4.7;II.4.7 Identität als Netzknoten - das relationale Selbst;126
5.4.8;II.4.8 Identität als Patchwork;128
5.4.9;II.4.9 Fazit;129
6;III. Flexibilität und Gesundheit;131
6.1;III.1 Gesundheit und Krankheit;131
6.1.1;III.1.1 Zur Geschichte der Diskurse;132
6.1.2;III.1.2 Personenbezogene Ansätze;136
6.1.3;III.1.3 Gesellschafts- und kulturbezogene Ansätze;144
6.1.4;III.1.4 Integrative Ansätze;147
6.1.5;III.1.5 Fazit;161
6.2;III.2 Postmoderne Arbeitswelt und Depression;162
6.2.1;III.2.1 Das Phänomen Depression;163
6.2.2;III.2.2 Erklärungsansätze;164
6.2.3;III.2.3 Fazit;172
6.3;III.3 Gesundheitsschutz und -förderung des flexiblen Menschen;173
6.3.1;III.3.1 Arbeitsbelastung/ Arbeitsbeanspruchung;173
6.3.2;III.3.2 Der Workability-Index (WAI);175
6.3.3;II.3.3 Arbeitsschutz;177
6.3.4;III.3.4 Betriebliche Gesundheitsförderung;178
6.3.5;III.3.5 Neue Herausforderungen betrieblicher Gesundheitspolitik;181
6.3.6;III.3.6 Lebensweltorientierte Primärprävention;182
6.3.7;III.3.6 Fazit;187
7;IV. Zu einem leiborientierten Umgang mit Flexibilität;189
7.1;IV.1 Leibphänomenologische Zugänge;189
7.1.1;IV.1.1 Die phänomenologische Haltung;190
7.1.2;IV.1.2 Leiblichkeit als Basis des Weltbezugs;191
7.1.3;IV.1.3 Zwischenleiblichkeit - Medium der Sozialität;194
7.1.4;IV.1.4 Leib und Zeit;204
7.1.5;IV.1.5 Leibsubjekt und Identität;212
7.1.6;IV.1.6 Macht und Handlungsfreiheit;224
7.1.7;IV.1.7 Fazit;234
7.2;IV.2 Umrisse eines Konzepts zur Besinnung in flexiblen Zeiten;236
7.2.1;IV.2.1 Leibliches Verständnis von Gesundheit und Krankheit;237
7.2.2;IV.2.2 Bedingungen einer gesundheitsförderlichen Arbeitskultur;241
7.2.3;IV.2.3 Situationen leiborientierter Interventionen;241
8;Literatur;260

Die Flexibilisierung von Arbeit.- Der ‘flexible Mensch’: Sozialcharakter und Persönlichkeit.- Flexibilität und Gesundheit.- Zu einem leiborientierten Umgang mit Flexibilität.


Einleitung (S. 13)

0.1 Problemstellung

Ökonomie und Arbeit befinden sich gegenwärtig in einem tief greifenden Umbruchprozess. „Flexibilität“ scheint das Zauberwort und Allheilmittel zu sein, das helfen soll, die ökonomischen Probleme unserer Zeit zu bewältigen. Flexibilität gilt heute als die Schlüsselqualifikation schlechthin und gehört zum Anforderungsprofil von Individuen ebenso wie von Organisationen und Institutionen.

Zu beobachten ist, dass durch dynamische und offene Formen der Betriebs- und Arbeitsorganisation im Produktions- und Dienstleistungsbereich Arbeit und mit ihr die menschliche Arbeitskraft zunehmend flexibilisiert und entgrenzt wird. Für die Arbeitskräfte wird Flexibilität als Subjektqualität gefordert, die im „flexiblen Menschen“ (Sennett) ihren Ausdruck findet.

Die mit neuen betrieblichen Strategien verbundene Tendenz, Arbeitsprozesse "autonomer" gestalten zu lassen, und die komplementär dazu wachsende "Subjektivierung" von Arbeit erweisen sich als paradoxe Prozesse mit höchst ambivalenten Folgen für die Arbeitskräfte: Von den Mitarbeiter/inne/n wird erwartet, zeitlich und örtlich disponibel und mobil zu sein, „eigensinnig und zugleich anpassungsfähig, freigeistig und zugleich höchst loyal, grenzenlos kreativ und zugleich an maximaler Effizienz orientiert" (Engelmann 2001, 42).

Gilt für den klassischen Lohnarbeiter noch die strikte Trennung von Arbeitszeit und Freizeit, von Arbeitsplatz und privatem Raum, so ist der flexible Berufstätige immer und überall „auf Arbeit“: Arbeit und Existenz werden deckungsgleich, und zwar im Sinne einer „Verbetrieblichung der Lebensführung“ (vgl. Jurczyk, Voß, 2000, 185).

Mit der Übertragung unternehmerischer Funktionen auf die Arbeitnehmer manifestieren sich verschiedene widersprüchliche Entwicklungen: die neuen Managementstrategien scheinen dem im Gefolge der 68er Bewegung des vergangenen Jahrhunderts gewachsenen Anspruch der Subjekte nach Selbstverwirklichung entgegenzukommen: es bestehen mehr Möglichkeiten als je zuvor, die eigene Berufstätigkeit autonom zu gestalten, über die eigene Zeit zu verfügen, um Kontext und Bedeutung der eigenen Tätigkeit zu wissen und seine Persönlichkeit in der Arbeit zu entwickeln.

Allerdings erzeugen diese Strategien gleichzeitig einen paradoxen Druck: „Ansprüche, die die Subjekte zuvor herausgebildet hatten, als sie ihr Leben als einen experimentellen Prozess der Selbstfindung zu interpretieren begannen, kehren nun in diffuser Weise als äußere Anforderungen an sie zurück, so dass sie verdeckt oder offen zu einem steten Offenhalten ihrer biografischen Entscheidungen und Ziele angehalten werden“ (Honneth 2002, 155).

Auch die arbeitswissenschaftliche These „je größer Handlungsspielraum und Autonomie, desto größer Arbeitszufriedenheit und Gesundheit“ (Karasek / Theorell 1990) scheint sich bezogen auf Gesundheit in ihr Gegenteil zu verkehren: so sind die involvierten Berufstätigen zwar zufriedener und haben mehr Spaß an der Arbeit als im „Kommandosystem“ (Glissmann), gleichzeitig belastet sie die Arbeit gesundheitlich mehr als vorher, oft in Formen des sozialen Leidens unterhalb der sichtbaren Schwelle.

Mit dem Flexibilisierungsgebot unter der Prämisse der schnellstmöglichen Marktanpassung werden Traditionen und Routinen entwertet und eigenes Handeln auf kurze Zeithorizonte bezogen. Beharrungsvermögen und Erfahrungswissen gelten als unnötiger Ballast. Es ist eher rational, sich nicht festzulegen und langfristige Bindungen und Verpflichtungen möglichst zu vermeiden. Die Entwicklungsaufgabe des Einzelnen besteht nicht mehr darin, eine stabile, sondern eine flexible Identität auszubilden, die zukünftige Optionen offen hält.

Die zu schaffende Arbeit wird intensiver und beansprucht darüber hinaus immer mehr von der (Frei-)Zeit, die (zumindest unter traditionellen Arbeitsbedingungen) der eigenen Reproduktion vorbehalten war. Indem Privates in die betriebliche Sphäre und Betriebliches in die private Sphäre einfließt, werden paradoxe Erfahrungen gemacht. Gegensätzliche Wertvorstellungen wie z.B. "Kurzfristigkeit" vs. "Zeit für Beziehungen" können von vielen Erwerbstätigen oft nur schwer miteinander in Einklang gebracht werden.


Jörg Schröder, Dr. phil., Diplom-Motologe, ist im Leitungsteam der Kooperationsstelle Wissenschaft & Arbeitswelt Darmstadt und selbständiger Dozent für Psychomotorik und Bewegungspädagogik.



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