E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Schuler Karl, das Kind ist weg!
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95910-029-8
Verlag: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wenn Eltern verkacken. Wahre Geschichten aus dem Erziehungsalltag.
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-95910-029-8
Verlag: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eltern werden ist schon schwer, Eltern sein dann noch viel mehr - und dass dabei viel schiefgehen kann, liegt auf der Hand. Im ewigen Streben nach Perfektion kehren die meisten Mütter und Väter gern den ein oder anderen pädagogischen Aussetzer unter den Tisch. Fragt man aber doch einmal genauer nach ihren größten Fehltritten in der Erziehung, kommen haarsträubende Geschichten zum Vorschein: Kinder, die im Supermarkt verschütt gehen, oder übermüdete Eltern, die vergessen, wo sie das Neugeborene abgelegt haben. Und wenn man das erste Mal von seinen Kindern ausgetrickst wird, muss man einsehen, dass Familienleben nie perfekt, aber dafür schrecklich schön ist!
Bettina Schuler, geboren 1975, lebt und arbeitet in Berlin. Sie hat Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Geschichte und Germanistik in Köln und Paris studiert. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin hat sie vor einigen Jahren eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht. Seit einem Jahr gibt sie Yogakurse in einem Flüchtlingsheim in Berlin, wo sie Familie Idrees kennengelernt hat.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
KAPITEL 1
Hochmut. Die Frischlingseltern.
Sie haben alle Ratgeber gelesen, zwei Geburtsvorbereitungskurse plus ein Seminar für Hypnobirthing besucht und aus Angst davor, die Ratgeber-Profis könnten doch etwas ausgelassen haben, in ihrem Freundeskreis eine Studie über das Einschlaf- und Essverhalten von Neugeborenen durchgeführt. Ihr Kinderwagen hat bei allen Vergleichen die Bestnote erhalten und die Babyschale war so teuer wie ihr Verlobungsring. Das Kinderzimmer ist selbstverständlich auch schon hergerichtet und der Kleiderschrank perfekt bestückt. Kurzum, Sie sind bestens vorbereitet. Auf alles?! Auf alles. Außer auf das Kind. Denn ganz gleich, wie viele Bücher oder Zeitschriften Sie gelesen haben – Sie werden sich nie wieder so hilflos fühlen wie in dem Moment, in dem die Hebamme Ihnen dieses kleine, süße Wunder in die Arme legt. Wie muss ich dieses zarte Köpfchen halten? Ist es gefährlich, wenn das Baby an meinem lackierten Fingernagel lutscht? Und wie zur Hölle soll ich dem Kind diese verdammte Hose anziehen, ohne ihm dabei alle Glieder zu brechen? Verrückt? Unfähig? Als Mama völlig gescheitert? Nein, ganz normale Fragen, die sich am Anfang fast alle Eltern stellen. Und noch viele, viele mehr … KACK DIE KOKOSNUSS!
Bettina, 39 Jahre alt. Hat sich vorgenommen, beim nächsten Kind direkt eine PDA zu nehmen. Oder so lange bis zum nächsten Kind zu warten, bis Männer schwanger werden können. Die Schwangerschaft ist für jede Frau die längste Geduldsprobe ihres Lebens. Insbesondere, wenn man so ungeduldig ist wie ich und lieber heute als morgen diesen dicken Bauch loswerden will, weil man a) sich nicht mehr vorstellen kann, jemals wieder in eine stinknormale Jeans zu passen, und b) endlich wieder seine Schuhe allein zubinden will. Natürlich hat sich deshalb auch mein Kind bei der Geburt besonders viel Zeit gelassen und ist nicht zwei Monate zu früh, sondern zehn Tage zu spät auf die Welt gekommen. Was im Nachhinein – ich sage nur 1. Januar 2007, Stichtag Elterngeld! – auch einige Vorteile hatte. Aber viel entscheidender war, dass meine Tochter sich als Geburtstermin ausgerechnet die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ausgesucht hatte. Was dazu führte, dass mein Mann und ich nicht wussten, ob wir einen Weihnachtsbaum kaufen, Essen planen oder eine Einladung zu Silvester annehmen oder uns doch für die gemütliche Feiertagsvariante mit den Sopranos auf dem Sofa entscheiden sollten. Irgendwann, am 30. Dezember, nachdem sich laut meiner Hebamme noch nichts, aber auch wirklich gar nichts geregt hatte, beschlossen mein Mann und ich, um keinen Lagerkoller zu bekommen, einen Freund zum Essen einzuladen. Eine nette Idee, der ein netter Abend folgte. Und insbesondere mein Mann war sehr froh, dass er endlich mal wieder mit jemandem ein Glas Wein trinken konnte, da ich mich während der Feiertage natürlich nur mit Wasser und Apfelschorle abgefüllt hatte. Gegen zwölf Uhr ging ich ins Bett. Was für eine Schwangere ungefähr mit drei Uhr morgens vergleichbar ist. Denn Schwangere – ich sage es allen, die es noch nicht hinter sich haben, sehr ungern, aber leider ist es so – sind eigentlich immer und überall müde. Ein Zustand, der erst mit dem Auszug des Kindes beendet wird. Zumindest solange es keinen Liebeskummer oder andere Krisen hat, die es bis drei Uhr morgens am Telefon zu besprechen gibt. Doch zurück zu mir und meinem Bett, in dem ich eingekuschelt lag und meinem Mann und seinem Freund bei einer angeregten Unterhaltung zuhörte. Da spürte ich plötzlich ein leichtes Zucken. Nicht im Bauch, sondern hinten im Rücken. Okay, das konnten noch keine Wehen sein. Also schloss ich meine Augen und versuchte, mich mit einem Mantra zu entspannen. Was mir, da ich mich leider nicht mehr so genau an das Mantra aus dem Pränatal-Yoga erinnern konnte, nur mittelmäßig gut gelang. Ich war wohl eingenickt. Doch da war er schon wieder, dieser undefinierbare Schmerz. Jetzt schon deutlich stärker als beim ersten Mal. Ob ein Nerv eingeklemmt war … oder war es doch, eventuell, ganz vielleicht eine klitzekleine Wehe? Im Flur hörte ich, wie mein Mann sich geräuschvoll von seinem Freund verabschiedete und die Tür ins Schloss fiel. Sollte ich etwas sagen? Oder bildete ich mir das alles nur ein? Da kam mein Mann auch schon um die Ecke ins Schlafzimmer. »Boah«, sagte er und gähnte ausgiebig, »jetzt bin ich aber ganz schön müde.« »Du …«, setzte ich an, während er schon begann, sich sein Hemd auszuziehen. »Ich glaube, es geht los.« Entsetzt starrte er mich an. »Jetzt?« Genervt verdrehte ich die Augen. »Nein, in zwei Jahren. Natürlich jetzt, wann denn sonst!« Es war doch klar, dass das Kind jetzt langsam kommen würde. »Ja, aber«, stotterte mein Mann entgeistert. »Ich … ich hab doch was getrunken.« Erbost wollte ich gerade etwas antworten, als mich der nächste Schmerz – oder doch eine Wehe? – bremste. »Scheiße, tut das weh«, brachte ich gerade noch heraus. »Kannst du mir vielleicht ein Bad einlassen?«, bat ich ihn. »Jetzt?«, fragte er. Schon wieder. Sag mal, hatten die ihm komplett ins Gehirn geschissen? »Natürlich jetzt!«, sagte ich und versuchte, im Bett irgend- eine bequeme Position einzunehmen, was anscheinend unmöglich war, da plötzlich irgendwie überall alles höllisch schmerzte. »Okay … okay …«, antwortete mein Mann und rührte sich nicht vom Fleck. Eindringlich schaute ich ihn an. Er schaute eindringlich zurück. Eindringlich schaute ich ihn an. Er schaute eindringlich zurück. »Okay, alles klar, wird gemacht«, sagte er und ging los. Offensichtlich gehörte er doch noch zu den Lebenden. Ich hörte, wie er das Wasser einließ. »Und bitte nicht zu kalt, ja?«, rief ich ihm hinterher, hievte mich schwerfällig auf und kramte in meiner Handtasche nach meinem Handy. Denn nun galt es nur eins: so schnell wie möglich meine Hebamme anzurufen. Immerhin war sie der Profi. Okay, sie hatte mir auch so einiges über die Geburt erklärt. Äh, wie war das noch mal gleich gewesen … Man sollte nach der ersten Wehe so schnell wie möglich ins Krankenhaus fahren oder am besten gleich einen Krankenwagen rufen? Und das Wichtigste war: Immer schön viel essen und trinken, damit man auch bei Kräften bleibt? Oder sollte man sich doch den Finger in den Hals stecken und kotzen? Ach, was wusste ich denn. Wofür war die Hebamme da. Nervös suchte ich in meinem Kontakt nach ihrer Telefonnummer. Sie hatte ja gesagt, ich dürfte sie zu jeder Uhrzeit anrufen … Da war sie auch schon: Sonja, genau, ja, so hieß meine Hebamme, da erklang auch schon das Freisignal. Endlos lang, wie mir schien. »Ja, hallo?«, meldete sich eine verschlafene Stimme. »Sonja?«, fragte ich vorsichtig. »Äh, ja?«, hörte ich sie noch antworten, da zog es auch schon wieder unerträglich im Rücken. »Aaahhh«, schrie ich. Dieses Mal konnte ich nicht mehr an mich halten. »Hallo? Alles in Ordnung?«, fragte meine Gesprächspartnerin immer noch leicht verschlafen. »Ja, ja, alles klar«, presste ich so entspannt wie möglich hervor. »Sind nur die Wehen.« »O-ka-y«, gab diese zurück. »Und du rufst bei mir an, weil …« Sie schien etwas verwirrt, dabei dürfte ich ja nicht die erste Schwangere sein, die sie nachts aus den Federn klingelte. Immerhin war das ihr Job! »Na«, antwortete ich schon wieder einigermaßen entspannt, »ich dachte, ich soll dich anrufen, wenn es losgeht.« »Mich?«, erwiderte die Frau am anderen Ende konsterniert. »Ja«, gab ich leicht verärgert zurück, »wen denn sonst, den Papst? Immerhin bist du doch die Hebamme«, fügte ich noch hinzu. »Ich bin was?« Jetzt schien die Frau hellwach zu sein. Aber immer noch schwer von Begriff. »Du erinnerst dich vielleicht, Vorsorgeuntersuchungen, Geburtsbetreuung, Babypflege und der ganze Mist«, wurde ich langsam richtig wütend. »Sorry«, sagte meine Hebamme, »aber ich bin Schauspielerin.« Himmelherrgottnochmal, wen hatte ich denn da angerufen? Sonja, Sonja … Langsam begann es zu rattern. Verdammte Scheiße! Ich hatte aus Versehen die Schauspielerin angerufen, die ich auf dem letzten Theaterfestival interviewt hatte. Gab es eigentlich etwas Peinlicheres? »Aaahh!« … und da kamen sie schon wieder, die Schmerzen. »Alles klar bei dir?«, fragte Frau Schauspielerin vorsichtig, während ich mich mit dem Handy in der Hand im Bett krümmte. »Ja, alles sch-sch-spitze«, nuschelte ich unter größter Anstrengung, während ich mir schmerzverzerrt mein Steißbein rieb. »Ich muss jetzt mal Schluss machen«, sagte ich schnell noch. Vor Fremden zu schreien, war eigentlich nicht so mein Ding. »Hey, ja dann, alles Gute … Ich drück die Daumen. Wird bestimmt schön werden«, erwiderte sie aufmunternd. So schön wie eine Darmspiegelung ohne Sedierung. »Danke«, erwiderte ich und war gerade dabei aufzulegen. »Wie heißt du eigentlich?«, hörte ich sie da mit halbem Ohr noch fragen. »Bet-tin-aaa«, antwortete ich schmerzverzerrt. »Dann alles Gute dir, Bettina, ich denk an dich.« Und schon war sie weg. Angestrengt suchte ich in meinem Handy nach der richtigen Sonja, die – natürlich – nicht unter ihrem Namen, sondern unter »Hebamme« abgespeichert war. »Hallo?«, meldete sich ihre verschlafene Stimme, als ich sie endlich erreicht hatte. »Sonja! Endlich! Ich glaube, es geht los … oder auch nicht, ich habe ja keine Ahnung, es tut weh, aber irgendwie auch noch nicht so...