E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Schwarz Professionalisierung der Aus- und Fortbildung im Ehrenamt
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-17-037844-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Didaktik und Methodik in Einsatzorganisationen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-17-037844-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In einer immer komplexeren und hochdynamischen Welt, in der ständig neue und kompliziertere Anforderungen an die Einsatzkräfte der Gefahrenabwehr gestellt werden, nimmt das Thema der Aus-, Fort- und Weiterbildung eine absolut zentrale Rolle ein. Das Buch untersucht, unter welchen Rahmenbedingungen der erwachsene Mensch so lernen kann, dass ein hoher Theorie-Praxis-Transfer gewährleistet werden kann. Die von den Herausgebenden definierten fünf Puzzleteile des Kompetenzerwerbs werden durch anschauliche Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen Organisationen der Gefahrenabwehr wie beispielsweise dem Österreichischen Roten Kreuz, der Feuerwehr oder der Bergwacht erläutert.
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[15]2Professionalisierung im Ehrenamt
Wer über Ehrenamt schreiben will, muss zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff vornehmen, der Basis aller Diskussionen ist. Will also Ehrenamt in seinem Kern definiert werden, so müssen verschiedene Begriffsbestimmungen betrachtet werden. Eine dieser Definitionen lässt sich z.B. im staatlichen Rahmengesetz Nr. 266 vom 11. August 1991 der autonomen Provinz Südtirol finden (Südtiroler Landesverwaltung: Autonome Provinz Bozen 2022): »…Als ehrenamtliche Tätigkeit gilt jene, die freiwillig und ehrenamtlich ohne – auch nur indirekte – Gewinnabsicht und ausschließlich aus Solidarität und sozialem Bewusstsein geleistet wird. Für die ehrenamtliche Tätigkeit darf auf keinen Fall eine Vergütung entrichtet werden, auch nicht vom Hilfeempfänger/von der Hilfeempfängerin. Dem ehrenamtlichen Mitarbeiter/Der ehrenamtlichen Mitarbeiterin dürfen nur von der jeweiligen Organisation die tatsächlichen Kosten für die durchgeführte Tätigkeit erstattet werden, und zwar in dem von der Organisation vorher festgesetzten Rahmen.« Aus anderer Sicht wird wesentlich kürzer und pragmatischer definiert, was Ehrenamt ausmacht (AOK-Bundesverband; Verein für Soziales Leben e.V.). So wird unter diesem Standpunkt Ehrenamt als eine Tätigkeit bezeichnet, die freiwillig, ohne Vergütung für eine gemeinnützige oder am Allgemeinwohl orientierte Organisation geleistet wird. Ein Verweis darauf, wie schwer der Begriff Ehrenamt auch in empirischen Studien zu definieren und abzugrenzen ist, findet sich in der Zeitbudgetstudie des Statistischen Bundesamts (Statistisches Bundesamt 2005, S. 312). Es wird festgestellt, dass zwar Begriffe wie bürgerschaftliches Engagement, Bürgerengagement, Freiwilligenarbeit, Ehrenamt usw. synonym, aber mit jeweils anderen zugrunde liegenden Definitionen genutzt werden. Der Kern und damit die Übereinstimmung in verschiedenen Definitionen von Ehrenamt, lässt sich als freiwilliges und unentgeltliches Engagement für das Gemeinwohl festhalten (AOK-Bundesverband). Ergänzend dazu ist aber auch festzustellen, dass die ehrenamtliche Tätigkeit keine speziellen Vorkenntnisse im jeweiligen Bereich benötigt. Interesse und die Bereitschaft dazu zu lernen, sind hinreichende, aber auch notwendige Basisfaktoren für die ehrenamtliche Betätigung. Vor dem Hintergrund dieser Definition erfolgt also hier folgend eine Auseinandersetzung mit der Entwick[16]lung des Ehrenamts allgemein und im Bereich der Feuerwehr bzw. der Feuerlöschgeschichte im Speziellen. Darüber hinaus wird ein Überblick über ehrenamtliche Arbeitsfelder gegeben (?Kapitel 2.1). Das Ehrenamt in den Einsatzorganisationen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wird eingehender unter ?Kapitel 2.2 betrachtet, um sich in ?Kapitel 2.3 der Notwendigkeit zur Professionalisierung bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung in diesen Organisationen zu widmen. Anschließend werden in ?Kapitel 2.4 zunächst die Strukturen der Aus-, Fort- und Weiterbildung in den diesen Ehrenamtsorganisationen beleuchtet. Abschließend werden in ?Kapitel 2.5 Herausforderungen und aktuelle Tendenzen der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bevölkerungsschutz beschrieben. 2.1Entwicklung des Ehrenamts und ehrenamtlicher Arbeitsfelder
Die Bedeutung des Ehrenamts war geschichtlich immer sehr groß und hat im Laufe der Zeit zunehmendes Gewicht im gesellschaftlichen Zusammenleben erhalten. So war der individuelle Beitrag zum allgemeinen Wohl unverzichtbarer Bestandteil eines sinnerfüllten Lebens – sei es in der abendländischen Tradition, der klassischen Antike oder im Christentum (AOK-Bundesverband). In der griechischen Antike beispielsweise sollten sich (männliche) Bürger für das Gemeinwesen nicht nur interessieren, sondern sich auch engagieren und in den anberaumten Versammlungen über verschiedene Belange der Stadt diskutieren. Dieses Engagement für das Gemeinwohl war auch im Römischen Reich und dann später in den italienischen Städterepubliken einerseits stark gefordert, andererseits auch stark ausgeprägt. Auch die Brandbekämpfung nahm ihren Anfang bei den Römern, um den Stadtbränden in Rom Einhalt gebieten zu können. Diese ersten privaten Feuerwehren im 1. Jahrhundert v. Chr. arbeiteten zum Vorteil ihrer Besitzer und bestanden teilweise auch aus Sklaven. In Europa wurde der Brandschutz erst mit den wachsenden Städten im Mittelalter und der daraus resultierenden erhöhten Gefahr für Stadtbrände wieder interessant und man wendete sich dem Brandschutz erneut zu. Aber auch im Mittelalter geschah dieser Brandschutz nicht freiwillig, sondern stellte eine rechtliche Verpflichtung für jede Bürgerin/jeden Bürger dar (feuerfakten.de). In diesen Anfängen der Feuerlöschgeschichte kann von Ehrenamt weniger die Rede sein, wenn wir unsere im vorliegenden Buch getroffene Definition von Ehrenamt zu Grunde legen. Dass das Interesse am Gemeinwohl und das Engagement zunehmend an Bedeutung gewann, zeigt sich auch daran, dass bereits während der Frühen Neuzeit der [17]ehrenamtliche Dienst am Gemeinwesen formalisiert und institutionell verankert wurde (Wikipedia 2021 a). So war die Mitbestimmung der Bürger etwa in der Preußischen Städteordnung von 1808 festgeschrieben. Die preußische Städteverordnung legte sogar fest, dass die Bürger zur Übernahme öffentlicher Stadtämter verpflichtet werden konnten, ohne dafür Entgelt zu beanspruchen. Dass diese Verpflichtung dem grundsätzlichen Gedanken eines freiwilligen Engagements diametral entgegensteht, sei hier kritisch angemerkt, könnte aber darauf verweisen, wie stark der Bedarf an ehrenamtlich Tätigen war, wenn sogar eine Verpflichtung dazu für erforderlich gehalten worden war (Wikipedia 2021 a). Dass ehrenamtliches Engagement in der Zivilgesellschaft unverzichtbar (AOK-Bundesverband) ist, lässt sich u.a. auch daran ablesen, dass in Deutschland im Jahr 2013 das »Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts« in Kraft getreten ist (Bundesanzeiger Verlag GmbH). In der Gesetzesbegründung ist u.a. zu lesen (Deutscher Bundestag 2012): »Bürgerschaftliches Engagement hilft wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftliche Integration, Wohlstand sowie stabile demokratische Strukturen auch für die Zukunft zu erhalten und zu verbessern. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen gewinnt die Förderung und Stärkung der Zivilgesellschaft an Bedeutung, denn die öffentliche Hand wird sich wegen der unumgänglichen Haushaltskonsolidierung auf ihre unabweisbar notwendigen Aufgaben konzentrieren müssen… Bürgerschaftliches Engagement ist Ausdruck einer freiheitlichen Gesellschaft, in der Bürgerinnen und Bürger freiwillig einen solidarischen Beitrag für die Gemeinschaft leisten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sollen daher so weiterentwickelt werden, dass sich eine aktive Zivilgesellschaft besser entfalten kann…« Erste Ursprünge der modernen Sozialarbeit fanden sich bereits Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts. Hier engagierten sich ehrenamtliche Helfer in offiziellen und organisierten Systemen der Armenfürsorge und Armenpflege. Damit entstand eine Frühform des sozialen Ehrenamts, wie es auch heute in verschiedenen Bereichen anzutreffen ist. Grundlagen für die modern organisierte Sozialarbeit wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch ehrenamtlich Tätige in der kommunalen Armenpflege weiterentwickelt (Heimgartner/Anastasiadis 2011; Schnölzer 2009). Auch für die Entstehung der Feuerwehr wie wir sie heute kennen, war das 18. Jahrhundert überaus bedeutsam, obwohl festgehalten werden muss, dass die vermutlich erste Berufsfeuerwehr weltweit schon 1686 in Wien gegründet wurde. Ende des 18. Jahrhunderts entstand die erste Freiwillige Feuerwehr in Deutschland und ab [18]Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte schließlich eine Gründungswelle Freiwilliger Feuerwehren. Die erste Berufsfeuerwehr wie wir sie heute kennen, wurde 1851 in Berlin gegründet (feuerfakten.de). Die Rolle der Geschlechter im Hinblick auf die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten unterliegt bis heute einer interessanten Entwicklung. In der griechischen Antike waren es vor allem Männer, die gefordert waren, für das Gemeinwohl einzutreten. In der preußischen Städteverordnung standen zwar Ehrenbeamte den ehrenamtlichen Tätigkeiten im sozial-karitativen Bereich vor, die Arbeit wurde dann aber in diesem Bereich von Frauen geleistet. Die stärkere Eingebundenheit von Frauen im sozialen Ehrenamt fand sich auch in den Ursprüngen der modernen Sozialarbeit (Statistisches Bundesamt 2005, S. 312). Frauen haben zudem aber auch zu allen Kriegs- und Krisenzeiten immer wieder den Feuerwehrdienst übernommen, auch wenn beispielsweise in Bayern erst vor 50 Jahren die gesetzliche Möglichkeit geschaffen wurde, dass Frauen in die Feuerwehr eintreten dürfen (Brandwacht Bayern 2016). Nach wie vor sind Frauen im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr unterrepräsentiert, was regelmäßig zum Anlass für Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils (Brandwacht Bayern 2016) genommen wird, so z.B. auch 2020 durch die Kampagne »Hamburgs junge Heldinnen« (Jugendfeuerwehr Hamburg 2020.). Mit Stand 31.12.2019 waren in Deutschland nur etwa 10 % der aktiven Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr weiblich. Weitaus geringer fällt der weibliche Anteil an der Gesamtbelegschaft bei Werkfeuerwehren und Berufsfeuerwehren aus (?Bild 2). In den Jugendfeuerwehren der Freiwilligen Feuerwehr beträgt der weibliche Anteil an der Belegschaft beinahe 30 % (Deutscher Feuerwehrverband). Bild 2: Frauenanteil in der Feuerwehr (in %) (Quelle: Deutscher Feuerwehrverband) [zurück] Die Zeitbudgetstudie für...