Seitz | Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Seitz Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-423-42403-5
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-423-42403-5
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Unheilvolles Business der Barmherzigkeit
17 Jahre war der deutsche Diplomat Volker Seitz auf Posten in verschiedenen Ländern Afrikas. Überall konnte er beobachten, wie wenig zielführend die praktizierte Entwicklungshilfe ist, wie wenig Hilfe zur Selbsthilfe sie bietet. Warum läuft sie ins Leere? Weil die korrupten Eliten und Regierungschefs ihre Macht missbrauchen und die reichlich fließenden Mittel verschwenden bzw. in ihre eigene Tasche stecken können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.
Volker Seitz plädiert dafür, den Aufbau eines kompetenten, unbestechlichen, den Interessen der Bevölkerung dienenden Staatsapparats zu unterstützen, statt eine Helferindustrie mit bürokratischen, intransparenten Strukturen aufrechtzuerhalten, an der die Falschen gut verdienen.

Seitz Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Rupert Neudeck Vorwort Ich kann mich noch an den Moment erinnern, als mir in Khartoum Anfang der 90er Jahre der damalige deutsche Botschafter Dieter Simon sagte, die Entwicklungshilfe hätte die Korruption in seinem Land Sudan, in dem er die deutschen Interessen vertrat, erheblich angeheizt. Ich war ja nun mit der Milch der entwicklungspolitischen Korrektheit aufgewachsen, die in Abwandlung von Immanuel Kant sagte: Es gibt nichts innerhalb der Welt wie auch außerhalb derselben, was allein als politisch gut bezeichnet werden kann denn die Entwicklungshilfe. Ich bin auf diesem Humus aufgewachsen. Und bin darin jetzt bis in meine politischen und intellektuellen Wurzeln verunsichert. Das Wort Schuldenerlass hatte auch ich wie eine theologische Vokabel für richtig gefunden. Wie wir nach der Vaterunserbitte von Gott die Vergebung, also den Erlass der eigenen Schulden, erbitten, so konnte dieser Entschluss der eigenen Regierung ja nur bedeuten, dass sie auf eine moralisch richtige Politik eingeschwenkt sei. Dass sich die Korruption afrikanischer Regierungen, die sich zu Unrecht Vertreter der tapferen und unglaublich fleißigen Bauern, Nomaden und Landwirte nennen, bis nach Deutschland erweitert hatte, sagte mir schon 1995 ein Angolaner, Ricardo de Mello, der geniale Herausgeber und Redakteur des sogenannten »Imparcial Fax«. Das war ein wöchentlicher Fax-Dienst in Angolas Hauptstadt Luanda, so gefürchtet, wie ich es selten in meinem journalistischen Berufsleben erlebt habe. Warum? Weil dieser de Mello alle Korruptionsskandale offenlegte, über die in der Hauptstadt Angolas zwar gesprochen, aber nicht geschrieben wurde. Z. B., dass Angolas Botschafter in Deutschland eine Flotte von 20 Mercedes Silberpfeil für seine Regierung bestellen sollte. Er machte diese Bestellung unter der Bedingung, dass er einen eigenen Wagen der Luxusklasse für sich dazubekam, und machte die zweite Bedingung, dass eine Rechnung von Mercedes nicht über 20, sondern über 21 Luxus-Karossen erstellt wurde. So dass er den Wagen und noch einmal den Gegenwert in Dollar oder damals DM bekam. Wenige Tage, nachdem mir de Mello das erzählt hatte, lag er ermordet vor der Wohnungstür im dritten Stock des Hauses in der Nähe der Uferpromenade in Luanda, in dem er damals wohnte. Ich war dabei, als der UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, im Mai 1980 zusammen mit deutschen Helfern auf drei LK Ws von Djibuti durch die Wüste bis nach Hargeisa ins Dam Camp fuhr. Dort bauten wir mit eigenen Händen die Zelte auf, die die armen Teufel, die Flüchtlinge aus dem äthiopischen Ogaden, ganz dringend brauchten. Heute sagt Volker Seitz: »Längst ist die UNO ein Teil des Entwicklungsproblems.« Den Schlusspunkt meiner radikalen Ernüchterung hat dieses Buch von Volker Seitz gesetzt, der mit einer unbestechlichen Klarheit (fast) alle Säulen der entwicklungspolitischen Korrektheit schleift. Es gibt viele Bücher über das Scheitern dessen, was wir mit einem falschen Wort Entwicklungshilfe nannten. Dieses Buch gibt dem Gebäude einen letzten Stoß, es muss nach seiner Zerstörung etwas ganz anderes aufgebaut werden. Volker Seitz, so muss man dem Leser erklären, weiß besser als viele, was es mit Afrika und seinen Problemen auf sich hat. Er hat 17 Jahre nicht hintereinander, aber in zeitlichen Abständen in afrikanischen Ländern gearbeitet und das falsche System erlebt. Überall geht es mit schlechtem Gewissen darum, dass der »Mittelabfluss« gewährleistet werden muss. Geld war immer eher zu viel da. Geld hat die Verantwortlichen noch träger gemacht. Und das Gefühl, dass die Entwicklung eines Landes nur mit ausländischem Geld gemacht wird, befördert. Es sind die Kräfte der Eigeninitiative und der Selbsthilfe geradezu verdorrt unter unserem Ansturm, mit dem wir uns gar nicht genug tun können, um immer wieder alles so zu gestalten, wie wir es für richtig halten. Die Staaten Afrikas lassen Ärzte, Ingenieure, Krankenschwestern ausbilden, was ja sowohl Geld kostet wie auch ein Kapital für das Land und seine Kultur darstellt. Seitz stellt fest, dass etwa 20 000 Ärzte und Pflegekräfte jedes Jahr Subsahara-Afrika verlassen, und fügt hinzu: Viele leistungswillige Afrikaner würden gern ihre Arbeitskraft in den eigenen Staat investieren, aber bei der momentanen Verfassung ihrer Länder sehen gerade besonders engagierte junge Afrikaner keine Zukunft in ihrem Land. Es sei nicht so, dass diese jungen Afrikaner, für manche die besten des Kontinents, nur auf schnelles Geld aus sind. Es sind vor allem die Unsicherheit für sich und die Familie, die mangelnden Möglichkeiten der professionellen Weiterbildung, schlechte Arbeitsbedingungen, Mangel an Schulen und Krankenhäusern. Seitz sieht die Potenziale der Völker und der jungen Menschen in Afrika. Er nennt auch die paar Staaten, in denen der richtige Weg schon beschritten wurde, Botswana, Mauritius, Benin. Afrika hat aber 52 Staaten, die unabhängig und in der UNO sind, und einen failed state, der als Staat schon wieder von der Landkarte verschwunden ist: Somalia am Horn von Afrika. Wir investieren in scheiternde Systeme. Schlimmer, wir machen die Regierungen sicher, dass sie so weiterwursteln dürfen. 1992 fand ich bei unserem von der deutschen Botschaft voll mitgetragenen Versuch Minen zu räumen, in ganz Luanda nur einen einzigen Vizeminister, der sich dafür interessierte, was wir da vorhätten. Alle anderen Ämter waren ausschließlich daran interessiert abzukassieren. Dass im Süden des Landes in Cunene täglich die eigenen Bürger auf diese schrecklichen Teufelswaffen traten und verstümmelt und verkrüppelt wurden, das interessierte niemanden in Luanda. Zu dieser Zeit erfuhr ich aus Deutschland, dass der damalige Minister des BMZ (Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Carl Dietrich Spranger, gesagt habe, Angola braucht keine Entwicklungshilfe, weil es so (Erdöl-) reich ist. Und in der Tat, es ist ein Ölland und könnte sich bei einer tüchtigen Regierung schon längst zum Tiger à la Südkorea oder Taiwan entwickelt haben. Aber daraus wurde nichts. Das Instrument Entwicklungshilfe dient immer noch den eigenen Bataillonen an höchstbezahlten Helfern (auf 100 000 schätzt Seitz sie in seinem Buch), die wenig mit Entwicklung zu tun haben und auch den außenpolitischen Interessen des eigenen Landes nicht unbedingt förderlich sind, warum sollten sie? Aber das Entscheidende wird nicht geleistet mit dieser Form vergeudeter Mittel: Die Völker und ihre Vertreter werden nicht ermutigt und gefördert, die Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. »Es ist nicht so, dass das reiche Europa gegenüber seinem ›armen‹ Nachbarn Afrika bis heute eine Almosenpolitik betreibt, sondern dass die Milliarden der Entwicklungshilfe weiter in den Taschen politischer Funktionsträger der Entwicklungsländer verschwinden. Kaum einer investiert im eigenen Land und schafft dadurch Arbeitsplätze.« Es kommen Entwicklungen auf uns zu, die uns zu einer Änderung der Politik veranlassen sollten. China hat sich auf dem Kontinent eingenistet, so fest, dass wir Europäer darüber empört sind: Was hat China auf unserem Kontinent eigentlich verloren? Der Kontinent gehört uns, ist uns als Aufgabe zugewiesen wie den Eltern ein Baby. Ja, aber vielleicht haben wir 50 Jahre verpennt und das Falsche gemacht. Jetzt kommt China und macht es anders, als wir immer behauptet haben, dass es richtig wäre. Das einzig Positive: Wir haben einen Tritt vor das Schienbein bekommen und müssen unsererseits beherzt das Richtige tun. So wie die Entwicklungspolitik läuft, läuft sie in die Irre. ›Tödliche Hilfe‹ hat vor 23 Jahren Brigitte Erler ihre Streitschrift überschrieben, die erst jüngst in 14. Auflage erschienen ist. Sie hatte zwei Fehler: Erler schrieb ehrlich über einen Teil des falschen Ganzen (pars pro toto), den Fall Bangladesh, in dem sie damals für das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit tätig war. Und sie ließ für alle Experten und Festangestellten der Entwicklungszusammenarbeit ein großes Schlupfloch. Sie meine mit ihrer Kritik nicht die Nothilfe. Also machten künftig alle Nothilfe. Von allen Seiten wurde sie darauf hingewiesen, dass sie den Ausnahmefall Bangladesh nicht verallgemeinern dürfe. Willy Brandt, der große Patron der Solidarität mit der Dritten Welt, sagte damals nur, das sei alles »übertrieben« (Die Zeit, 8.11.1985). Doch nachweislich hat diese Streitschrift für die wissenschaftliche Debatte um die Entwicklungszusammenarbeit oder die Entwicklungspolitik und die semantische Diskussion darum eine große Bedeutung – bis heute. 24 Jahre später kommt jemand, der die Serie beendet. Jetzt haben wir kein Schlupfloch mehr. Wir müssen unser politisches Verhalten ändern, auch in unserem eigenen politischen und außenpolitischen Interesse. 1. Wir müssen bescheidener werden und nicht meinen, dass wir die Länder mit unseren europäischen Segnungen und unserem Besserwissen ändern und auf den richtigen Weg bringen. Deshalb zitiert Seitz die neuen Stimmen aus Afrika, die uns den Kopf waschen, was uns meist beleidigend vorkommt: Denn wie kann ein Afrikaner oder gar eine Afrikanerin uns den Kopf waschen? Da wollen wir doch die Kleiderordnung eingehalten haben. Volker Seitz räumt damit auf. Wir müssen auf die kritischen Afrikaner hören. Und wenn wir für Afrika etwas tun wollen, dann so, dass die Landbevölkerung, die Kleinbauern und Halbnomaden etwas davon haben. Nicht nur die vom Stamme der Wa Benzi. 2. Steuergelder werden überall vergeudet, aber hier werden sie als Budgethilfe geradezu aus der Luft abgeworfen. Bildlich und übertragen. Die »Regierungen« Afrikas müssen wieder ihren Auftrag erfüllen. Es sollten nur noch Regierungen (und damit Länder und...


Seitz, Volker
Volker Seitz, Jahrgang 1943, war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt tätig, unter anderem bei der EU in Brüssel und in mehreren Ländern Afrikas. Von 2004 bis 2008 war er Leiter der Botschaft in Jaunde/Kamerun. Er gehört zum Initiativkreis des 'Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe' und ist aufgrund seiner Expertise ein gefragter Vortragsredner.

Volker Seitz, Jahrgang 1943, war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt tätig, unter anderem bei der EU in Brüssel und in mehreren Ländern Afrikas. Von 2004 bis 2008 war er Leiter der Botschaft in Jaunde/Kamerun. Er gehört zum Initiativkreis des 'Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe' und ist aufgrund seiner Expertise ein gefragter Vortragsredner.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.