Stevenson | Der merkwürdige Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 108 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

Stevenson Der merkwürdige Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Reclam Taschenbuch

E-Book, Deutsch, 108 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

ISBN: 978-3-15-961779-4
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine rätselhafte Gestalt taucht in den nächtlichen Straßen Londons auf - und ist ebenso schnell wieder verschwunden. Sie erscheint als Verkörperung all der dunklen Leidenschaften, die in den Tiefen der menschlichen Seele schlummern, eine Ausgeburt des Bösen, die auch vor einem Mord nicht zurückschreckt. Alles, was man über sie weiß, ist ihr Name: Mr. Hyde. Robert Louis Stevensons 1886 entstandene Novelle, die zu den berühmtesten Schauergeschichten der Weltliteratur zählt, ist eine faszinierende Kombination aus packendem Thriller und psychologischer Studie über die duale Natur des Menschen. Sie liegt hier in der meisterhaften Neuübersetzung von Mirko Bonné vor. - Mit einem Nachwort von Dieter Hamblock sowie einer kompakten Biographie des Autors.

Robert Louis Stevenson (13.11.1850 Edinburgh - 3.12.1894 Villa Vailima bei Apia, Samoa), Sohn aus einer presbyterianischen Leuchtturmbauer-Familie, ist ein schottischer Schriftsteller und gehört zu den meist übersetzten Autoren weltweit. Von Geburt an sehr krankheitsanfällig, muss Stevenson zwei Jahre zuhause unterrichtet werden, ein Technik-Studium bricht er ab. Stevenson will Schriftsteller werden, doch sein Vater erlaubt das nur mit einer abgeschlossenen Ausbildung. Folglich beendet Stevenson erfolgreich ein Jura-Studium, nimmt aber als Anwalt keinen Fall an, sondern widmet sich - in zunehmender Abkehr von seiner religiös-konservativen Familie - ganz dem Schreiben. Er heiratet die Künstlerin Fanny Osbourne und bereist die Welt. Stevenson kauft 1890 eine Plantage auf der Insel Upolu im pazifischen Staat Samoa, wo er die Villa Vailima errichtet. 1894 erliegt der Autor einem Hirnschlag und wird, seinem Wunsch entsprechend, am Gipfel des Samoischen Mount Vaea begraben. In seinem Abenteuerroman 'Treasure Island' (dt. 'Die Schatzinsel') beschreibt er aus Sicht des Jungen Jim Hawkins die ereignisreiche Jagd nach einem Piratenschatz. In seiner psychologischen Novelle 'The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde' ('Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde') erschafft Stevenson eine bis heute wirkmächtige Ikone des Doppelgängers und der Persönlichkeitsspaltung. Zeugnis von Stevensons Reiselust geben nicht nur seine zahlreichen Reiseberichte: Der nach ihm benannte ?Robert-Louis-Stevenson-Weg? in Frankreich - beschrieben in 'Travels with a Donkey in the Cévennes' (dt. 'Eine Reise mit dem Esel durch die Cevennen') - kann mit Eseln nachvollzogen werden. Der ?Robert Louis Stevenson State Park? in Kalifornien verdankt seinen Namen einer zweiwöchigen und in 'The Silverado Squatters' niedergeschriebenen Hochzeitsreise des Schriftstellers nach Kalifornien. Der Übersetzer: Mirko Bonné ist ein preisgekrönter Erzähler, Lyriker, Essayist und Übersetzer. 2013 stand er mit seinem Roman 'Nie mehr Nacht' auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Mirko Bonné lebt in Hamburg.
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Erstes Kapitel Die Geschichte von der Tür
Der Anwalt Mr. Utterson war ein Mann mit schroffen Gesichtszügen, die kein Lächeln je aufhellte. Er war leidenschaftslos, wortkarg, im Gespräch verlegen und in Gefühlsdingen schüchtern; hager, hochgewachsen, staubtrocken und trübsinnig, war er doch irgendwie liebenswert. Bei Treffen mit Freunden und wenn der Wein nach seinem Geschmack war, blitzte in seinen Augen etwas zutiefst Menschliches auf, etwas, das zwar nie in seinen Äußerungen zum Ausdruck kam, das sich aber nicht nur in diesem stummen Mienenspiel nach dem Abendessen zeigte, sondern viel häufiger und deutlicher im Alltag aus seinen Handlungen sprach. Er war streng gegen sich selbst; wenn er allein war, trank er Gin, um seine Schwäche für guten Wein auszumerzen, und obwohl er gern ins Theater ging, hatte er seit zwanzig Jahren keines betreten. Dabei war er Anderen gegenüber erwiesenermaßen tolerant; fast neidisch staunte er mitunter über die draufgängerischen Temperamente, die sich da so in ihre Missetaten verstrickten, und war in jeder Notlage eher geneigt zu helfen als zu verdammen. »Ich neige zu Kains Lästerlichkeit«, sagte er im Scherz gern. »Ich lasse meinen Bruder so zum Teufel gehen, wie er es für richtig hält.« Bei so einem Charakter war es oft sein Los, der letzte achtbare Umgang und letzte gute Einfluss im Leben von Mitmenschen zu sein, mit denen es bergab ging. Und solange sie zu ihm in die Kanzlei kamen, zeigte er gerade ihnen gegenüber nicht die Spur einer Veränderung in seinem Verhalten. Zweifellos fiel das Mr. Utterson nicht sonderlich schwer, denn bestenfalls war er zurückhaltend, und sogar seine Freundschaften schienen auf einer ähnlich vorurteilslosen Gutmütigkeit zu gründen. Man erkennt einen bescheidenen Menschen daran, dass er das Entstehen seines Freundeskreises der Gelegenheit überlässt – genauso hielt es der Anwalt. Seine Freunde kamen aus der Familie oder waren Menschen, die er am längsten kannte. Seine Zuneigung war wie Efeu, sie wuchs mit der Zeit und sagte nichts über die Eignung ihres Gegenstands aus. Daher rührte zweifellos auch die Verbindung zu Mr. Richard Enfield, einem entfernten Verwandten und stadtbekannten Mann. Die Frage, was die beiden aneinander fanden oder welches Interesse sie teilten, war für viele eine schwer zu knackende Nuss. Leute, die ihnen auf ihren Sonntagsspaziergängen begegneten, wussten zu berichten, dass sie nicht miteinander redeten, außerordentlich gelangweilt wirkten und sichtlich erleichtert das Auftauchen eines Freundes begrüßten. Trotz allem legten die beiden Männer den größten Wert auf diese Ausflüge, betrachteten sie als krönenden Höhepunkt einer jeden Woche und verzichteten nicht nur auf alle Vergnügung, sondern ließen selbst Geschäftliches außer acht, um sie ungestört genießen zu können. Auf einem dieser Streifzüge führte sie ihr Weg zufällig durch eine Seitenstraße in einem belebten Londoner Viertel. Die Straße war schmal und was man gemeinhin ruhig nennt, auch wenn dort wochentags ein reges Geschäftstreiben herrschte. Den Anwohnern ging es anscheinend durchweg gut, und alle schienen sie eifrig darauf zu hoffen, dass es ihnen bald noch besser gehen würde, und steckten ihren Gewinn in gefällige Ausschmückungen. Den Schaufensterfassaden dieser Verkehrsstraße haftete so das Einladende von reihenweise lächelnden Verkäuferinnen an. Selbst sonntags, wenn sie ihre üppigeren Reize verschleierte und vergleichsweise menschenleer dalag, hob sich die Straße leuchtend wie ein Feuer in einem Wald von ihrer schmuddeligen Nachbarschaft ab und zog mit ihren frisch lackierten Fensterläden, blankgeputzten Messingschildern, ihrer allgemeinen Sauberkeit und heiteren Note sofort den Blick und das Wohlgefallen des Vorübergehenden auf sich. Zwei Eingänge von einer Straßenecke entfernt wurde die ostwärts verlaufende Häuserreihe vom Durchgang zu einem Innenhof unterbrochen, und genau an dieser Stelle ragte der Giebel eines düster wirkenden Gebäudes über der Straße auf. Es war zwei Stockwerke hoch, hatte keine Fenster, nichts als eine Tür im Erdgeschoss sowie eine blinde Stirn aus verblasstem Mauerwerk in der Etage darüber und trug überall die Merkmale lang anhaltender, elender Vernachlässigung. Die Tür, an der weder Glocke noch Klopfer war, hatte Stockflecken und Blasen. Stadtstreicher krümmten sich in die Nische und zündeten an den Füllungen Streichhölzer an, Kinder spielten Kaufmann auf den Stufen, ein Schuljunge hatte an den Gesimsen sein Messer ausprobiert, und seit nahezu einer Generation war keiner aufgetaucht, der diese zufälligen Gäste vertrieben oder ihre Beschädigungen ausgebessert hätte. Mr. Enfield und der Anwalt gingen auf der anderen Straßenseite. Als sie aber auf der Höhe des Eingangs waren, hob ersterer seinen Gehstock und zeigte hinüber. »Hast du schon mal diese Tür bemerkt?«, fragte er und fuhr erst fort, als sein Begleiter bejahte. »In meiner Erinnerung«, fügte er an, »ist mit ihr eine sehr seltsame Geschichte verbunden.« »Ach ja?«, gab Mr. Utterson mit leicht veränderter Stimme zurück, »und die wäre?« »Tja«, entgegnete Mr. Enfield, »es verhielt sich folgendermaßen: An einem finsteren Wintermorgen gegen drei in der Früh kam ich gerade von irgendeinem Ort am Ende der Welt zurück, da führte mich mein Weg durch einen Teil der Stadt, in dem es buchstäblich nichts außer Laternen zu sehen gab. Straße um Straße, und alle Leute am Schlafen – Straße um Straße, alle hell erleuchtet wie für eine Prozession und alle so leer wie eine Kirche – bis mich schließlich diese Stimmung befiel, in der man lauscht und lauscht und beginnt, den Anblick eines Polizisten herbeizusehnen. Auf einmal aber sah ich zwei Gestalten: eine ein kleiner Mann, der mit kräftigen Schritten in östlicher Richtung marschierte, und die andere ein Mädchen von vielleicht acht oder zehn Jahren, das so schnell es konnte eine Querstraße heruntergerannt kam. Na ja, Sir, so wie es kommen musste, rannten die beiden an der Ecke ineinander. Aber der schreckliche Teil der Sache, der passierte erst noch, denn der Mann trampelte seelenruhig über den Körper des Mädchens und ließ es schreiend auf dem Boden liegen. Wenn man es hört, klingt es nach nichts, doch der Anblick war teuflisch. So verhielt sich kein Mensch, ein verdammter Berserker verhielt sich so. Also blies ich zur Jagd, heftete mich an seine Fersen, packte meinen Gentleman beim Kragen und brachte ihn dorthin zurück, wo schon lauter Leute um das schreiende Kind herumstanden. Er war völlig ruhig und leistete keinen Widerstand, bloß einen einzigen, so widerwärtigen Blick warf er mir zu, dass mir sofort der kalte Schweiß ausbrach. Die Herbeigelaufenen waren die Verwandten des Mädchens, und schon bald erschien auch der Arzt, nach dem es geschickt worden war. Nun gut, dem Kind fehlte zum Glück nichts, nur sehr verängstigt sei es, sagte der Knochensäger, und so hätte man annehmen können, die Sache wäre erledigt. Aber da gab es etwas, das war merkwürdig. Auf der Stelle hatte ich eine tiefe Abscheu gegen meinen Gentleman gefasst. Und ebenso erging es der Familie des Kindes, was ja nur natürlich war. Nein, das Benehmen des Arztes war es, was mich stutzig machte. Er war der typische Wald-und-Wiesen-Quacksalber, unbestimmbar sein Alter und seine Gesichtsfarbe, mit starkem Edinburgher Akzent und in etwa so gefühlvoll wie ein Dudelsack. Tja, Sir, er war wie wir alle. Jedes Mal, wenn sein Blick auf meinen Gefangenen fiel, sah ich, wie der Knochensäger vor Übelkeit bleich wurde, so groß war seine Lust, ihn umzubringen. Ich wusste, was ihm durch den Kopf ging, genauso wie er es von mir wusste, und weil Umbringen nicht in Frage kam, machten wir das Nächstbeste. Wir sagten dem Mann, wir könnten und würden so einen Skandal aus der Sache machen, dass sein Name von einem Ende Londons bis zum anderen stinken würde. Falls er Freunde habe und einen guten Ruf, würden wir dafür sorgen, dass er sie verlor. Und die ganze Zeit, während wir puterrot auf ihn einredeten, hielten wir, so gut es ging, die Frauen von ihm fern, weil die so wild wie Furien waren. Noch nie habe ich in eine Runde so hasserfüllter Gesichter geblickt, und in der Mitte, da stand mit irgendwie finsterer, spöttischer Unverfrorenheit der Mann – auch verängstigt, das konnte ich sehen –, aber ohne mit der Wimper zu zucken, mein Lieber, ganz wie Satan persönlich. »Wenn Sie es vorziehen, aus einem Unfall Kapital zu schlagen«, sagte er, »bin ich natürlich machtlos. Ein Gentleman wünscht jedes Aufsehen zu vermeiden«, meinte er. »Nennen Sie Ihre Summe.« Also trieben wir ihn hoch auf hundert Pfund für die Familie des Kindes, und deutlich sah man, wie gern er sich davor gedrückt hätte. Doch war da etwas in unserer Runde, das nichts Gutes verhieß, und so gab er schließlich nach. Als nächstes galt es, das Geld zu beschaffen. Und glauben Sie, er führte uns zu einem anderen Haus als jenem mit der Tür? – einen Schlüssel gezückt, ging er hinein und kam kurz darauf zurück mit zehn Pfund in Gold und einem bei Coutts einzulösenden Scheck über den Restbetrag, zahlbar an den Überbringer und unterschrieben mit einem Namen, den ich nicht nennen kann, auch wenn er einer der springenden Punkte in meiner Geschichte ist, ein wohlbekannter und oft zu lesender Name war es jedenfalls. Es war eine ziemliche Summe; allerdings war die Unterschrift noch mehr wert, wenn sie nur echt war. Ich nahm mir die Freiheit, meinen Gentleman darauf hinzuweisen, dass das ganze Prozedere zweifelhaft wirkte und dass zumindest im echten Leben ein Mensch nicht um vier Uhr morgens durch den Kellereingang in ein Haus ging und mit einem Scheck über fast hundert Pfund, den ein anderer ausgestellt...


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