E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Tesarz / Seidler / Eich Schmerzen behandeln mit EMDR
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-608-12419-4
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
ISBN: 978-3-608-12419-4
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
EMDR in der Schmerztherapie: wirkungsvoll und effizient
- Das erfolgreiche Verfahren in überarbeiteter Neuauflage
- Zahlreiche Arbeitsmaterialien, Ressourcenübungen und Patienteninformationen
- Mit Video-Tutorials
Chronische Schmerzen sind oft schwer zu behandeln und führen bei den Betroffenen zu einer großen emotionalen Belastung. Mit EMDR lassen sich chronische Schmerzen wirkungsvoll lindern und die Lebensqualität nachweislich verbessern.
Das von den Autoren entwickelte Konzept bietet eine niederschwellige Therapieform für alle Arten chronischer Schmerzsyndrome. Das stark anwendungsorientierte Manual erläutert die Grundlagen der EMDR-basierten Schmerztherapie und zeigt anhand ausführlicher Fallbeispiele, wie Therapeut:innen effizient und sicher vorgehen können. Es stellt eine wertvolle Ergänzung zur alltäglichen Praxis in der Schmerzpsychotherapie dar.
Die Neuauflage wurde komplett überarbeitet und um neue Kapitel zu EMDR-Gruppentherapie und Krankheitsangst ergänzt. Das Buch enthält außerdem ausführliches Videomaterial mit Fallbeispielen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete AINS Schmerzmedizin & Schmerztherapie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychosomatische Medizin
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
Weitere Infos & Material
Was ist EMDR?
Woher kommt EMDR?
Eye Movement Desensitization and Reprocessing ist eine psychotherapeutische Methode, die ursprünglich für die Verarbeitung von emotionalem Stress durch erlebte traumatische Ereignisse entwickelt wurde. Über EMDR können die mit solchen Ereignissen einhergehenden belastenden und im Gedächtnis dysfunktional gespeicherten Erinnerungen neu prozessiert und heilsam integriert werden. Die Entstehungsgeschichte von EMDR ist, wie bereits erwähnt, geprägt von der 1948 in New York geborenen amerikanischen Literaturwissenschaftlerin und Psychologin Francine Shapiro vom Mental Research Institute in Palo Alto (Kalifornien) und ihrer fast anekdotenhaft beschriebenen Entdeckung der therapeutischen Wirkung von Augenbewegungen Mitte der 1980er Jahre (Hofmann 2014). Ihrer besonderen Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und ihrer strukturierten Umsetzung in ein »anwendbares« Therapieprotokoll ist es zu verdanken, dass EMDR heute ein weltweit anerkanntes Verfahren zur Behandlung von Patienten mit psychischer Traumatisierung darstellt. Anders als viele weitere Therapieverfahren, die auf der Übertragung theoretischer Überlegungen und wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis beruhen, ist EMDR ein Verfahren, das sich primär aus der Beobachtung eines therapeutischen Effekts aus der Praxis heraus entwickelt hat. Im Mittelpunkt dieser Beobachtungen steht die heilende Wirkung von »bilateralen« Augenbewegungen (der Begriff »bilateral« – von lat. bis = »zweimal« und latus = »Seite« – bedeutet im medizinischen Kontext »zweiseitig«). Die Grundlage von EMDR stellt somit ein Phänomen dar, von dem man beobachtet hat, dass es den Patienten gut tut: F. Shapiro bemerkte Mitte der 1980er Jahre bei einem Spaziergang durch den Park, dass die sie belastenden Gedanken (bei ihr war damals eine Krebserkrankung diagnostiziert worden) im Verlauf des Spaziergangs weniger bedrückend geworden waren. Als sie darüber nachdachte, was an diesem Spaziergang anders war als sonst, bemerkte sie, dass sich ihre Augen, bedingt durch den Lichteinfall zwischen den Bäumen, ständig hin- und herbewegt hatten. Und selbst als sie sich die zuvor belastenden Gedanken bewusst noch einmal heranholte, empfand sie diese nicht mehr weiter als bedrückend. Aus dieser damals eher zufälligen Wahrnehmung der Wirkung von Augenbewegungen (sowie ihren Erfahrungen über schnelle Augenbewegungen aus der Zusammenarbeit mit Richard Bandler und John Grinder, den Gründervätern des Neurolinguistischen Programmierens, NLP) entwickelte F. Shapiro schließlich das Konzept der sogenannten »bilateralen« Provokation durch gezielte sakkadische, also horizontale Rechts-Links-Bewegungen der Augen. Nachdem sie diesen neuen Ansatz zunächst bei Freunden und Bekannten erprobt hatte, setzte sie die Technik zunehmend bei ihren Patienten ein – sie behandelte damals v. a. Kriegsveteranen aus Vietnam, Missbrauchsopfer und andere Personen mit emotional belastenden Lebensereignissen. Es folgten schließlich intensive Studien speziell mit psychisch traumatisierten Patienten. Ihre Dissertation Efficacy of the eye movement desensitization procedure in the treatment of traumatic memories (Shapiro 1989), hervorgegangen aus der Arbeit mit diesen Patienten, ist der erste wissenschaftliche Beleg für die desensibilisierende Wirkung von Augenbewegungen. In den Folgejahren entwickelte F. Shapiro EMDR zu einem umfassenden therapeutischen Behandlungskonzept weiter, in dem die Patienten ihren ungelösten traumatischen Erinnerungen und Ängsten auf eine kontrollierte Art und Weise ausgesetzt werden konnten, ohne dass dabei das Gefühl einer physischen oder emotionalen Überwältigung entstand. Die dort eingesetzte Methode nannte sie damals noch Multi-Saccadic Movement Desensitization (MSMD). Erst später führte sie den heute etablierten Begriff der Eye Movement Desensitization ein (Luber 2010). Bereits vier Jahre vor ihrer Dissertation hatte sie erstmals einen Beitrag über die Bedeutung von Augenbewegungen und den Einsatz des Verankerns positiver Ich-Zustände veröffentlicht (Shapiro 1985). Dort integrierte sie Hinweise und Einflüsse von Milton Erickson (Prinzip der Ratifizierung), Joseph Wolpe (Einführung der Belastungsskala), John Grinder (Augenbewegungen), Mark C. Russel (Konzept des Reprozessierens), Stephen Levine (Prozessbegleitung) sowie auch einzelne Elemente aus dem Vipassana Yoga (z. B. die »Lichtstrahlmethode«) (Schubbe & Brink 2019). All diese Aspekte sind heute wichtige Bestandteile der EMDR-basierten Behandlung von Schmerzpatienten. Inzwischen ist diese Methodik intensiv erforscht und weiterentwickelt worden. So integriert EMDR heute zunehmend neuere Erkenntnisse aus den Bereichen der Neurobiologie und Therapieforschung. Im Juli 2006 wurde EMDR vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (Deutschland) als wissenschaftlich begründete Methode zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen bei Erwachsenen anerkannt. Der entsprechende Antrag war unter Leitung von Günter H. Seidler von einer Reihe von Kollegen ausgearbeitet (Seidler et al. 2005) und von EMDRIA Deutschland e. V. eingereicht worden. Seit 2013 ist EMDR auch von der WHO als eine von zwei Methoden zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen anerkannt und zählt weltweit zu den effektivsten Psychotherapiemethoden bei diesem Krankheitsbild (World Health Organization 2013). Die Kernelemente von EMDR
Kernstück der EMDR-Methode ist das auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutende Setting, bei dem der Patient sich auf bestimmte Anteile belastender Erinnerungen konzentriert, während er gleichzeitig den Fingerbewegungen des Therapeuten mit den Augen folgt. Das synchrone Fokussieren des Patienten auf einerseits innere Bilder (z. B. belastender Erinnerungen) und andererseits einen äußeren Stimulus (in Form von Fingerbewegungen durch den Therapeuten) wird als Prinzip des dualen Aufmerksamkeitsfokus bezeichnet. Durch dieses Setting des dualen Aufmerksamkeitsfokus wird im Gehirn ein Prozess der Informationsverarbeitung angestoßen, durch den für viele Patienten eine rasche Entlastung durch Verblassen der Erinnerung oder spontane assoziative Verbindungen spürbar wird. Solche spontanen assoziativen Verbindungen führen dazu, dass der Patient Zugang zu positiven Erinnerungsfragmenten erlangt (z. B., wie er in der damaligen Situation Unterstützung oder Trost fand), zu denen er zuvor keinen bewussten Zugang hatte. Zusätzlich lassen sich verschiedene Entspannungsreaktionen bei den Patienten nachweisen. Da dieser Verarbeitungsprozess auch mit anderen Formen der »bilateralen Provokation«2 – z. B. mit taktilen (den Tastsinn betreffend, von lat. tangere = »berühren«) oder auditiven (das Hören betreffend, von lat. audire = »hören«) Stimuli – induzierbar ist, scheint dem Prinzip der alternierenden bilateralen Stimulierung zusammen mit der dualen Aufmerksamkeitsfokussierung ein höherer Stellenwert zuzukommen als den Augenbewegungen selbst. Aktuelle Forschungsergebnisse haben zudem gezeigt, dass eine bilaterale Stimulation einen spezifischen Schaltkreis beeinflusst und dadurch eine hemmende Wirkung auf die Amygdala ausübt. Die Amygdala spielt eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen im zentralen Nervensystem (Baek et al. 2019). Der Verlauf der EMDR-Therapie folgt dem von F. Shapiro entworfenen Konzept von acht nacheinander ablaufenden Therapiephasen. Im Rahmen dieses strukturierten Vorgehens werden verschiedene Techniken eingesetzt, um das gesamte Krankheitsbild zu behandeln. Nach einer ersten »Diagnose- und Stabilisierungsphase« werden in den Verarbeitungsphasen belastende Erinnerungen der Vergangenheit, gegenwärtige Belastungsfaktoren (sog. »Trigger«) sowie auch negative Zukunftsvorstellungen der Patienten angesprochen. Während der EMDR-Behandlung, die sich daran anschließt, werden die Patienten vom Therapeuten dazu angeleitet, in kurzen Abschnitten mit den belastenden Erinnerungen in Kontakt zu gehen. Parallel dazu wird die Aufmerksamkeit auf die äußere bilaterale Provokation gerichtet. Basierend auf diesem Prinzip der dualen Aufmerksamkeitsfokussierung kommt es bei den Patienten zu der genannten entlastenden Veränderung der Erinnerung. Die damit verbundene körperliche Erregung klingt ab und negative Gedanken können emotional-kognitiv integriert und positiv umformuliert werden. Der behandelnde EMDR-Therapeut unterstützt den Patienten während dieser Bearbeitungsphasen lediglich dabei, das Material in angemessener Weise zu fokussieren, während wiederholt Serien von bilateralen Provokationen durchgeführt werden. Dieses Vorgehen prägt den patientenzentrierten Charakter des Verfahrens. Hierdurch kann der Patient autonom darüber entscheiden, an welchen Themen oder Entwicklungen er individuell weiterarbeiten möchte. Bei manchen Patienten steht die Verarbeitung einer bestimmten belastenden Situation im Vordergrund, bei anderen liegt der Fokus dagegen auf der Wahrnehmung zugehöriger entsprechender Körperempfindungen und interozeptiver Prozesse.3 Die dabei erlebten Verarbeitungsprozesse entsprechen häufig dem natürlichen Heilungs- und Verarbeitungsprozess und müssen – bis auf die bilaterale Provokation und gelegentliche Unterstützung bei der Fokussierung – meist nur wenig aktiv durch den EMDR-Therapeuten beeinflusst...