E-Book, Deutsch, 170 Seiten
Urban Transkulturelle Pflege am Lebensende
überarbeitete und erweiterte Auflage
ISBN: 978-3-17-025475-6
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Umgang mit Sterbenden und Verstorbenen unterschiedlicher Religionen und Kulturen
E-Book, Deutsch, 170 Seiten
ISBN: 978-3-17-025475-6
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Dieses Buch wendet sich nicht nur an Personen, die Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Kulturen vor und während des Sterbens betreuen, sondern auch an Berufsgruppen, die mit dem Umgang mit Verstorbenen betraut sind. 17 verschiedene Glaubensrichtungen und Kulturen werden vorgestellt und der Umgang mit ihnen in ATLs aufgeteilt. Das Buch enthält ausführliche Übersetzungen in sieben verschiedenen Sprachen für besonders im Pflegealltag häufig gebrauchte Wörter und Sätze. Es informiert zudem über verschiedene Bestattungsarten.
In der 2. Auflage werden zwei weitere Kulturen vorgestellt. Zudem wurde jedes Kapitel durch Informationen über den Umgang mit Arzneimitteln ergänzt.
"Bei diesem Buch handelt es sich um ein wertvolles Nachschlagewerk, das in keiner Fachbibliothek von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Hospizen und Palliativstationen fehlen sollte." (Marie-Luise Heuser und Elke Schlüter, Der Wegbegleiter 1/2012)
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1 Die Betreuung Sterbender verschiedener Religionen und Kulturen
1.1 Bahá‘í
Grundwissen
Die Bahá’í-Religion ist eine nach-islamische Offenbarungsreligion. Sie entstand Mitte des 19. Jahrhunderts und ist damit die jüngste aller Weltreligionen. Derzeit zählt sie weltweit etwa 6 Millionen Anhänger, vor allem in Indien, im Iran, Afrika, Süd- und Nordamerika (Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í 2013). Das Ursprungsland der Bahá’í ist der Iran, wo sie heute die größte religiöse Minderheit bilden. Die mit etwa 2 Millionen Mitgliedern weltweit größte Bahá’í-Gemeinde befindet sich in Indien (Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í 2013). In Deutschland leben derzeit etwa 6000, in Österreich etwa 1250 und in der Schweiz um die 1000 Bahá’í (Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í 2013). Viele der in Deutschland lebenden Bahá’í stammen aus dem Iran, die meisten sind jedoch Deutsche. In Langenhain (Hofheim am Taunus) steht seit 1964 das erste und bisher einzige Haus der Andacht der Bahá’í in Europa. Geschichte Die Bahá’í-Religion nahm ihren Anfang im Jahr 1844, als der junge persische Kaufmann Siyyid Ali Muhammad (1819–1850) in Shíráz erklärte, er sei dazu berufen, der Menschheit eine Botschaft Gottes zu überbringen, die deren Spiritualität verändern würde. Er erhielt den Titel »Báb« (»das Tor«) und hielt seine Offenbarungen in mehreren Schriften, unter anderem dem Bayán, fest. Darin kündigte er das Erscheinen eines zweiten Botschafters Gottes sowie ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit an. Zudem erklärte er das islamische Gesetz, die Scharia, für ungültig und räumte Frauen und einfachen Menschen mehr Rechte und religiösen Führern weniger Macht ein. Sein Ziel war die Erneuerung der Religion und der Gesellschaft. Die Menschheit sollte die politischen, rassischen und religiösen Grenzen überwinden und einem gemeinsamen Glauben angehören. All dies machte ihn in den Augen der islamischen Führer zu einem gefährlichen Rebell. Nach mehreren Jahren unter strengen Haftbedingungen wurde der Báb am 9. Juli 1850 wegen Hochverrats in Persien hingerichtet. Sein Grab befindet sich heute an den Hängen des Berges Karmel in Haifa (Israel). Innerhalb weniger Jahre hatte der Báb zuvor viele Anhänger gewonnen. Einer davon war Mírzá Husayn-’Ali (1817–1892), der ursprünglich ein schiitischer Moslem war und zum persischen Adel gehörte. Nach der Hinrichtung des Báb wurde er in Teheran inhaftiert. In der Haftzeit hatte er 1852 die Vision, der vom Báb angekündigte nächste Bote Gottes zu sein und nahm den Namen Bahá’u’lláh (»Herrlichkeit Gottes«) an. Unter der Auflage, Persien innerhalb eines Monats zu verlassen, kam er im Jahr 1853 frei und ging zusammen mit anderen Glaubensanhängern ins Exil nach Bagdad. Im Jahr 1863 offenbarte er seine Vision den Anhängern des Babaismus. Dies war der Beginn der Bahá’í-Religion. Bahá’u’lláh wurde später nach Edirne (Türkei) verbannt, von wo aus er den damaligen Königen und Herrschern seine Offenbarungen mitteilte und sie zu friedlicher Koexistenz und gerechtem Umgang mit ihren Untertanen aufforderte. Zu den von ihm angeschriebenen wichtigen Persönlichkeiten gehörten unter anderem Kaiser Franz-Josef, Napoleon III., Kaiser Wilhelm I. und Papst Pius IX. 1868 wurde Bahá’u’lláh nach Akka (Israel) verbannt. Dort verfasste er die wichtigsten Schriften der Bahá’í-Religion, zu denen das Heiligste Buch (Kitáb-i-Aqdas) gehört. Gläubige aus Persien, dem Irak und der Türkei pilgerten in der Zeit zu ihm. Bahá’u’lláh starb 1892 und wurde nahe Bahjí, am Rande von Akka, beigesetzt. Seine Nachfolge trat sein Sohn ’Abdu'l-Bahá an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bahá’í-Religion Anhänger in zwölf Ländern. Durch das Erscheinen Bahá’u’lláhs erfüllten sich nach dem Glauben der Bahá’í die Verheißungen der hebräischen Bibel, des Evangeliums und des Korans. Im Laufe ihrer über 170-jährigen Geschichte entwickelte sich die Bahá’í-Religion zu einer weltweiten religiösen Gemeinschaft. In ihrem Ursprungsland, dem Iran, werden die Bahá’í-Anhänger auch heute noch verfolgt. Die Grabmäler des Báb und Bahá’u’lláhs in Haifa und ’Akka sind Wallfahrtsorte gläubiger Bahá’í. Heilige Schriften der Bahá’í Der vom Báb geschriebene Bayan beschreibt die spirituelle Einheit aller Menschen, unabhängig von deren Religion. Er enthält ein für alle Religionen gültiges Gesetz, das an die Stelle der religiösen Regeln aller Weltreligionen treten sollte. Die Heiligen Schriften der Bahá’í wurden von Bahá'u'lláh verfasst und enthalten unter anderem die Glaubensgrundlagen und ethischen Regeln für das Leben der Gläubigen. Zu den heiligen Schriften gehören: das Heiligste Buch (Kitáb-i-Aqdas), das Buch der Gewissheit, Die Verborgenen Worte und Die Sieben Täler. Neben den Schriften Bahá’u’lláhs und des Báb erkennen Bahá’í auch die heiligen Schriften anderer Religionen, wie die Bibel, den Koran und die Bhagavad Gita, als Gottes Wort an. Der Bahá’í-Glaube hat islamische Wurzeln, ähnlich wie das Christentum und das Judentum den gleichen Ursprung haben. So hat der Koran einen ähnlichen Stellenwert wie das Alte Testament in der christlichen Bibel. Er ist für das tägliche Leben der Bahá’í nicht bindend, weil das neuere Gottesgesetz Bahá’u’lláhs sehr von den Regeln des Islams abweicht. Glaubensgrundsätze Nach den Glaubensgrundsätzen der Bahá’í-Religion beruhen alle großen Weltreligionen auf einem einzigen Gott. Moses, Jesus, Bahá‘u‘lláh, Buddha, Krishna und Mohammed waren die Propheten dieses einen Gottes. Die Aufgabe des Propheten Bahá‘u‘lláh war es, die religiösen Unterschiede durch einen allen gemeinsamen Glauben zu überwinden. Die wichtigsten Werte der Bahá’í-Religion sind die Einheit der Menschheit, universeller Friede, Nächstenliebe, Dankbarkeit, Geduld, Demut und Vertrauenswürdigkeit, Toleranz, die Gleichheit von Mann und Frau und die Bekämpfung von Vorurteilen jeglicher Art. Gott hat alle Menschen, unabhängig von deren Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und Religion, gleich geschaffen. Die Umsetzung dieser religiösen Ethik in das Alltagsleben ist für Bahá’í ein sehr wichtiger Bestandteil ihrer Religionslehre. Das Leben ist nach dem Glauben der Bahá’í sowohl im Diesseits wie auch im Jenseits ein ständiger, spiritueller Weg zu Gott, auf dem Krankheit und Tod unvermeidliche Begleiter sind. Die menschliche Seele ist unsterblich. Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft Die Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft der Bahá’í ist ab Vollendung des 15. Lebensjahres möglich. Sowohl der Eintritt als auch der Austritt aus der Glaubensgemeinschaft erfolgen durch eine schriftliche Erklärung und ohne besondere Zeremonien. In der Bahá’í-Religion existieren keine geistigen Führer wie z. B. Priester. Die Glaubensgemeinschaft wird von Geistigen Räten geleitet, die von den Gläubigen der Gemeinden als Körperschaften gewählt werden. In Deutschland gibt es derzeit etwa 100 dieser Geistigen Räte. Bahá’í dürfen in Behörden und Verwaltungen arbeiten, jedoch keiner politischen Partei angehören. Sie unterliegen der Verpflichtung, die Gesetze des Staates, in dem sie leben, zu befolgen und sich gewaltlos für dessen Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen. Gläubigen Bahá’í ist es nicht erlaubt, Bahá‘u‘lláh bildlich darzustellen. Seine persischen bzw. arabischen Schriften dürfen sie jedoch in die jeweilige Landessprache übersetzt lesen. Feiertage der Bahá’í • 26. Februar–1. März: Ayyám-i-Há (Tage des Miteinanders, Vorbereitung der Fastenzeit) • 2.–20. März: Fastenmonat ’Alá (ab dem Alter von 15 Jahren) • 21.März: Neujahrsfest (Naw-Rúz) und das Ende der Fastenzeit. Falls die Tag- und Nachtgleiche erst nach Sonnenuntergang eintritt, findet das...