Voigts / Zentel | Kinder- und Jugendarbeit aus Sicht von jungen Menschen mit geistigen Behinderungen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 294 Seiten

Voigts / Zentel Kinder- und Jugendarbeit aus Sicht von jungen Menschen mit geistigen Behinderungen

Eine empirische Studie im Kontext der Debatten um Inklusion

E-Book, Deutsch, 294 Seiten

ISBN: 978-3-7799-8256-2
Verlag: Beltz Juventa
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Wie blicken junge Menschen mit geistigen Behinderungen auf Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit und ihrer Freizeit? Diese Frage ist Ausgangspunkt des Projektes »Mit den Augen von Jugendlichen - Was braucht inklusive Jugendarbeit?«, gefördert von der Aktion Mensch Stiftung. In Hamburg, Heidelberg und Ostholstein wurden Jugendliche mit Behinderungen sowie Fachkräfte aus der offenen und verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit und in der Behindertenhilfe zu ihren Sichtweisen befragt. Das Forschungstransferprojekt ist eine Kooperation der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. mit der HAW Hamburg und der PH Heidelberg. Geforscht wurde in einem interdisziplinären Team. Dieser Band bietet einen umfassenden Überblick von der Ausgangslage junger Menschen mit geistigen Behinderungen bis zu praxistauglichen Handlungsempfehlungen für mehr Inklusion im Jugendalter. Er ist ein wichtiger Beitrag für den Weg zu inklusiven Gestaltungsstrategien in der Kinder- und Jugendarbeit und Behindertenhilfe.

Dr. Gunda Voigts ist Professorin für Grundlagen der Wissenschaft und Theorien Sozialer Arbeit sowie Theorie und Praxis der (offenen) Kinder- und Jugendarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.
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Weitere Infos & Material


2.Freizeit von jungen Menschen mit geistigen Behinderungen
Noemi Heister, Peter Zentel & Stefanie Köb 2.1Junge Menschen mit geistigen Behinderungen als Personenkreis
Wird versucht, den Personenkreis „Jugendliche mit geistigen Behinderungen“ näher zu fassen, finden sich eine Fülle von Definitionsansätzen mit unterschiedlichen Schwerpunkten je nach Disziplin, die sich über die Jahre vervielfältigt und ausdifferenziert haben. Lange Zeit wurde eine geistige Behinderung als individueller Defekt gesehen. Die Menschen seien abweichend, krank, in ihren Genen defekt, hätten eine verminderte Intelligenz aufgrund prä-, peri- oder postnataler Ursachen. Neben der Medizin hob gerade die Disziplin der Psychologie die eingeschränkten kognitiven Prozesse sowie die Einschränkungen im adaptiven Verhalten hervor (vgl. Trescher 2015). Im Zuge der Zeit wandelte sich die Perspektive vom individuellen Defekt zur sozialen Kategorie (vgl. Schuppener et al. 2021). Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt nicht mehr nur auf einem „Gendefekt“, auf einer verminderten Intelligenz oder einem abweichenden Verhalten, sondern auf der Gesellschaft, die mit einer Vielzahl von individuellen Lebensformen nicht zurechtkommt. Der Mensch ist nicht behindert, er wird behindert (vgl. Trescher 2015). So schafft es das Modell der International Classification of Functioning, Disability and Health (vgl. DIMDI 2005) beide Perspektiven zu vereinen und Behinderung als relatives Phänomen darzustellen. Behinderung entsteht erst durch das Wechselspiel mit verschiedenen Faktoren und äußert sich in einer Einschränkung der Teilhabe in verschiedenen Lebensbereichen (vgl. Abb. 1). Abbildung 1: Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF Quelle: (DIMDI 2005) Die ICF schaut somit aus interdisziplinärer Perspektive auf Behinderung. „Spezialist für die organischen Strukturen und Funktionen ist die Medizin, nur sie zu berücksichtigen entspräche deshalb der traditionellen medizinischen Sichtweise. Mit den Beeinträchtigungen der Aktivitäten, also mit Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit Kompetenzen und Selbstständigkeit befassen sich (Entwicklungs-)Psychologie und Pädagogik. Die Förderung, damit auch der Förder-, Assistenz- und Hilfebedarf, das sind die klassischen Domänen der Sonderpädagogik. Die Beeinträchtigungen der Teilhabe an sozialen Systemen hat am ehesten die Soziologie im Blick. Erst langsam begreift auch die Pädagogik es als ihre Aufgabe, nicht nur den (einzelnen) Menschen und seine Aktivitäten zu fördern, sondern auch daran mitzuwirken, dass soziale Systeme sich so entwickeln und verändern, dass sie jedem Menschen Teilhabe und Zugehörigkeit ermöglichen.“ (Klauß 2017, S. 2). Die Wechselwirkungen zwischen Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten und Partizipation werden von den Umweltfaktoren und den personenbezogenen Faktoren, zusammengefasst als Kontextfaktoren, gehemmt oder gefördert. Die Umweltfaktoren entstehen aus der materiellen, sozialen und einstellungsbedingten Umwelt und liegen außerhalb des Menschen. Entscheidend für Teilhabe ist, ob es Menschen und Angebote gibt, die Zugänge zu Aktivitäten, die Förderung der Aktivitäten und die Unterstützung sichern. Hier lassen sich auch Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit oder Behindertenhilfe verorten, da diese die Teilhabe von Jugendlichen mit geistigen Behinderungen im Alltag sowie in der Freizeit fördern oder hemmen können. Wenn Behinderung aus eingeschränkter Teilhabe resultiert, gibt es keine festgelegte Gruppe von Menschen mit (geistigen) Behinderungen mehr (vgl. ebd.). Der Perspektivenwandel auf das Konstrukt „geistige Behinderung“ spiegelt sich auch in der gesellschaftlichen Situation von Menschen mit Behinderung, die von den aktuellen Leitideen Normalisierung, Selbstbestimmung, Inklusion und Partizipation geprägt ist. 2.2Freizeit als Lebensbereich
Das Erleben und Gestalten von Freizeit ist stark von der subjektiven Sinnzuschreibung geprägt (vgl. Immerfall/Wasner 2011). Ein Beispiel für die Bedeutung der individuellen Sinnzuschreibung stellen Aktivitäten wie Shoppen oder Heimwerken dar. Die Tätigkeiten kann man objektiv dem Haushalt zuordnen und in das Zeitmodell der Verpflichtungszeit schieben. Dennoch lassen sich beide Aktivitäten nicht nur der Verpflichtungszeit und dem Lebensbereich Haushalt zuweisen, sondern sie ermöglichen auch „das Ausleben von Kreativität und dem Empfinden, etwas Sinnvolles zu tun“ (ebd., S. 10). Somit stellen sie für manche Menschen durchaus Freizeitaktivitäten dar. Hier wird die Relativität des modernen Freizeitbegriffs deutlich. „Was als Freizeit empfunden wird, hängt von der Erlebnisqualität des Freizeithandelns ab.“ (ebd., S. 11). Die Erlebnisqualität lässt sich in der Befriedigung unterschiedlicher Freizeitbedürfnisse ausmachen. Opaschowski (1996) benennt insgesamt acht Freizeitbedürfnisse, die je nach individueller Ausprägung auf alle Menschen, also auch auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistigen Behinderungen, zutreffen. Dabei lassen sich die Bedürfnisse je nach Orientierung am Individuum oder der Gesellschaft unterteilen (vgl. ebd. 1996). Zur Befriedigung der gesellschaftsorientierten Freizeitbedürfnisse ist der Mensch auf andere Freizeitpartner*innen angewiesen. Häufig findet die Befriedigung der „geselligen“ Bedürfnisse im gesellschaftlich-öffentlichen Raum statt. Freizeit ermöglicht die Befriedigung ganz unterschiedlicher Bedürfnisse, da Aktivitäten für Rekreation, Kompensation, Edukation, Kontemplation, Kommunikation, Integration, Partizipation und Enkulturation ausgewählt werden können. Markowetz (2000) hat die acht Freizeitbedürfnisse noch einmal tabellarisch zusammengefasst und inhaltlich gefüllt. Da die Freizeitbedürfnisse für alle Menschen Gültigkeit besitzen, zeigt er zusätzlich mögliche Einschränkungen und Benachteiligungen für Menschen mit Behinderung auf (vgl. Tab. 1). Orientierung Bedürfnisse Bedürfnis nach … Mögliche Benachteiligungen für Menschen mit Behinderungen Individuumsorientierte
Freizeitbedürfnisse 1. Rekreation Erholung, Ruhe, Wohlbefinden Abhängigkeit von anderen Menschen (z.?B.: Rückzugsmöglichkeiten, Zeiteinteilung) 2. Kompensation Ausgleich, Ablenkung, Vergnügen Mangelnde Mobilität durch nicht barrierefreie Umwelt Ungenügende Freizeitangebote ...


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