Wagner / Eckert / Hiesberger-Kamleitner | Borderline-Persönlichkeitsstörung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 19, 207 Seiten

Reihe: Störungen systemisch behandeln

Wagner / Eckert / Hiesberger-Kamleitner Borderline-Persönlichkeitsstörung


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8497-8455-3
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 19, 207 Seiten

Reihe: Störungen systemisch behandeln

ISBN: 978-3-8497-8455-3
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Borderline-Störung geht in der Regel mit ausgeprägter emotionaler Instabilität und daraus resultierender Selbstgefährdung einher. Für ihre Behandlung ist verlässlich nachgewiesen, dass jede Therapiemethode störungsspezifische Modifikationen vornehmen muss. Dieses Buch stellt nun eine störungsspezifische systemische Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung vor.

Das Vorgehen fußt auf einem synergetischen Verständnis psychischer Prozesse und berücksichtigt die aktuellen Leitlinien-Empfehlungen. Die Autor:innen geben zunächst einen Überblick über das in der klinischen Fachliteratur gesammelte Behandlungswissen und erläutern dann, theoretisch fundiert und anhand vieler Fallvignetten, ihren Behandlungsansatz.

In dieser Kombination gelingt es, eine Grundlage für eine professionelle und verantwortungsvolle Behandlung von Menschen mit hoher emotionaler Instabilität zu schaffen, ohne die eigene "systemische Identität" aufzugeben. Mehr noch: Es zeigt sich, dass die kooperationsfördernden Prinzipien der Systemischen Therapie für die Behandlung von Menschen mit einer Borderline-Störung besonders hilfreich sind.

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2 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung: klinisches Erscheinungsbild
2.1 Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung in ICD-10 und DSM-5
Eine »Persönlichkeitsstörung« wird diagnostiziert, wenn dysfunktionale Fühl-Denk-Verhaltensschemata die berufliche und private Leistungsfähigkeit der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und wenn dies zu subjektiven Beschwernissen führt. Voraussetzung für die Diagnose einer »Persönlichkeitsstörung« ist also die Abweichung von den Erwartungen des soziokulturellen Umfeldes, die zeitlich überdauert, in vielen Kontexten bemerkbar ist und zu einer Beeinträchtigung in wichtigen Funktionsbereichen führt. Wenn diese allgemeinen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung erfüllt sind, erfolgt im DSM-5 sowie im derzeit noch gebräuchlichen ICD-10 eine typologische Beschreibung einzelner Störungsbilder, die ob ihrer traditionsreichen Benennungen leicht eingängig sind. In diesen Klassifikationssystemen ist die Borderline-Störung eine von acht bzw. neun unterscheidbaren Persönlichkeitsstörungen. Im ICD-10 wird zwischen zwei Typen von emotional instabilen Persönlichkeiten (F 60.3) unterschieden: Der impulsive Typ (F 60.30) zeichnet sich durch mangelnde Impulskontrolle und Ausbrüche von gewalttätigem und bedrohlichem Verhalten aus (im DSM-5 als intermittierende explosive Störung [F 63.81] nicht den Persönlichkeitsstörungen, sondern den Störungen der Impulskontrolle zugerechnet, da die Betroffenen mit Reue, Scham und Selbstvorwürfen auf die von ihnen angerichteten Schäden und Verletzungen reagieren). Beim Borderline-Typ (ICD-10: F 60.31; DSM-5: F 60.3) finden sich neben der emotionalen Instabilität und Impulsivität auch typische Störungen des Selbstbildes, intensive, aber instabile Beziehungen, übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden, und ein chronisches Gefühl von Leere. Die ausführlichere Darstellung der Diagnosekriterien findet sich im DSM-5, das auch die Grundlage für die meisten klinischen Forschungen bietet. Hier wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung als ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivität verstanden. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein: 1) verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden 2) ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist 3) Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung 4) Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, »Essanfälle«) 5) wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten 6) affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern) 7) chronisches Gefühl von Leere 8) unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren 9) vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome. 2.2 Was wird sich im ICD-11 an der Diagnostik ändern?
Seit vielen Jahren wird diese Form einer typologischen Diagnostik zunehmend kritisch betrachtet, weil viele der grundlegenden Erwartungen an ein klassifikatorisches Diagnosesystem nicht erfüllt werden. Weder gelingt die Bildung möglichst homogener Patient:innengruppen (da nur knapp mehr als die Hälfte der Diagnosekriterien erfüllt sein müssen, unterscheiden sich Personen mit der Diagnose einer Borderline-Störung hinsichtlich ihrer Beschwerden und Probleme oft deutlich), noch kann der Schweregrad der Störung mit der Diagnose ausgedrückt werden. Dass der Übergang von »gesund« zu »gestört« von einem einzigen Kriterium abhängt und alle Kriterien gleich viel zählen, obwohl sie sich auf das psychosoziale Funktionsniveau unterschiedlich stark auswirken, reduziert die Aussagekraft der typologischen Diagnostik noch weiter. Hinzu kommt aufgrund der Überlappung der Kriterien von verschiedenen Persönlichkeitsstörungen eine »artifizielle« Komorbidität: Das »komorbide« Auftreten mehrerer Persönlichkeitsstörungen ist damit nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Aus dem gleichen Grund gehören viele Personen in die Restkategorie »nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung« – in der Statistik wird dies »mangelhafte faktorielle Validität« genannt. Es führt dazu, dass die meisten der Patient:innen mit einer Persönlichkeitsstörung nicht einer der zehn im DSM-IV oder der acht im ICD-10 näher spezifizierten Persönlichkeitsstörungen zuzuordnen sind (vgl. Zimmermann 2014; Leising u. Zimmermann 2014). W. John Livesley, einer der renommiertesten Forscher im Bereich der Persönlichkeitsstörungsforschung, fasst die Kritik an der gängigen typologischen Diagnostik pointiert zusammen: »Das Problem beim DSM-IV ist, dass die ihm zugrunde liegende Annahme, die Merkmale von Persönlichkeitsstörungen ließen sich in zehn Kategorien einteilen, die von einer normalen Persönlichkeit deutlich abgegrenzt werden können, falsch ist« (Livesley 2012, S. 364–368, Übers.: E. W.). Für das DSM-5 war daher eine fundamentale Neuordnung des Phänomenbereiches Persönlichkeitsstörung geplant. Statt der rein typologischen Diagnostik wurden im alternativen Modell (AMPD)3 sowohl Beeinträchtigungen im Funktionsniveau der Persönlichkeit, welche dimensional definiert sind, als auch fünf Domänen problematischer Persönlichkeitsmerkmale charakterisiert. Diese fünf breiten Domänen (negative Affektivität, Verschlossenheit, Antagonismus, Enthemmtheit und Psychotizismus) sind die maladaptiven Varianten der eingehend validierten »Big Five« der Persönlichkeitsforschung (Offenheit für Erfahrungen, Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus). Aufgrund des erwartbaren hohen Schulungsbedarfs und des Mehraufwandes bei der Erstellung der Diagnose wurde dieses alternative Diagnosemodell doch im letzten Moment nicht wie geplant realisiert und bislang nur im Anhang des DSM-5 platziert. Interessierten sei dazu ein online verfügbarer Beitrag von Mitmansgruber (2020) empfohlen.4 Im ICD-11, das mit dem 1. Januar 2022 eingeführt wurde und in den kommenden Jahren schrittweise im deutschen Sprachraum implementiert wird, hat man auf dieses Hybridmodell verzichtet und sich stattdessen zu einer rein dimensionalen Beschreibung und Erfassung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit entschlossen. Gefordert ist eine überdauernde und situationsübergreifende Störung im Funktionsniveau des Selbst und der interpersonellen Beziehungen. Diese äußert sich wiederum in maladaptiven Mustern von Kognitionen, emotionalem Erleben und Ausdruck sowie Verhalten und führt letztlich zu einer bedeutsamen Belastung bzw. funktionellen Beeinträchtigung in wesentlichen Lebensbereichen. Bezüglich des Selbstfunktionsniveaus werden folgende Dimensionen berücksichtigt: Identität: Stabilität und Kohärenz des Identitätsgefühls (unbeständig und inkonsistent oder besonders rigide) Selbstwertregulation: Fähigkeit, ein stabiles und positives Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten Selbsteinschätzung: Genauigkeit der eigenen Sicht auf die eigene Persönlichkeit, ihre Stärken und Grenzen Selbststeuerung: Fähigkeit, angemessene Ziele zu planen, zu wählen und zu verfolgen Fähigkeit, eine relativ große Bandbreite an Gefühlen zu erleben und zu regulieren. Bezüglich des interpersonellen Funktionsniveaus geht es um folgende Merkmale: Interesse, Beziehungen zu anderen einzugehen Fähigkeit, enge und für beide Seiten befriedigende Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten Fähigkeit, die Sichtweise anderer zu verstehen (Empathie) Fähigkeit, mit Konflikten in Beziehungen umzugehen. Eine weitere wichtige Veränderung im ICD-11 besteht darin, dass die Störung nicht mehr wie bisher im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter begonnen haben muss, sondern nur länger als zwei Jahre andauert. Diese Veränderung beruht auf den...


Elisabeth Wagner, Dr. med., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin; Lehrtherapeutin für Systemische Familientherapie, Supervisorin.

Christoph Eckert, Dr. med., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin (Systemische Therapie); fachärztliche Tätigkeit im akutpsychiatrischen und suchtmedizinischen Bereich, in der psychiatrischen Rehabilitation sowie in freier Praxis; regelmäßige Vortrags- und Lehrtätigkeit in verschiedenen psychotherapeutischen Ausbildungskontexten.

Katrin Hiesberger-Kamleitner, Mag. phil.; Erziehungswissenschaftlerin, Systemische Psychotherapeutin, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin; therapeutische Tätigkeit in freier Praxis, im Bereich Kinder- und Jugendhilfe, in Forensik, ambulanter Suchttherapie und klinisch-stationärer Psychotherapie.



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