E-Book, Deutsch, 246 Seiten
Weiß Weltbeste Bildung
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-593-45250-0
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie wir unsere digitale Zukunft sichern
E-Book, Deutsch, 246 Seiten
ISBN: 978-3-593-45250-0
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie schaffen wir es, in einer immer stärker digitalisierten Welt alle Menschen mitzunehmen und für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft fit zu machen? Die Expertin für digitale Bildung - Yasmin Weiß - macht deutlich, warum wir dafür lebenslanges Lernen brauchen und wie sich dieses erreichen lässt. Den Schwerpunkt setzt sie besonders auf die digitale Bildung sowie auf die Stärkung jener menschlichen Eigenschaften, die uns nachhaltig von immer intelligenter werdenden Maschinen unterscheiden. Dabei liegt es ihr fern, allein die Politik in die Pflicht zu nehmen, vielmehr sieht sie die Verantwortung bei jedem Einzelnen sowie bei den Unternehmen. Denn bereits jetzt fühlen sich viele Berufstätige digital abgehängt und stehen den neuen Schlüsseltechnologien skeptisch gegenüber. Wie es gelingt, diese Berührungsängste abzubauen und eine lernende Gesellschaft zu werden, um wirtschaftlich zukunftsfähig zu bleiben, zeigt dieses Buch.
Yasmin Weiß ist BWL-Professorin, Start-up-Gründerin sowie mehrfache Aufsichts- und Beirätin. Sie ist Expertin für digitale Bildung und die Arbeitswelt der Zukunft und analysiert, welche Kompetenzen in Zukunft benötigt werden, um die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Ein sehr persönliches Vorwort: Mit Bildung völlig neue Welten erobern
»Education is the only gift that keeps on giving.« Melinda Gates 24 Quadratmeter. So groß war das kleine Haus – oder besser gesagt die Hütte –, in der meine Mutter in den 1950er Jahren in Hongkong aufgewachsen ist. Ohne fließend Wasser. Ohne ein eigenes Bett. Ohne Spielzeug. Ohne einen Schreibtisch zum Hausaufgabenmachen. Ohne so ziemlich alles, was ein komfortables Zuhause ausmacht. Am schlimmsten aber: ohne leiblichen Vater. Mit acht Geschwistern und ihrer alleinerziehenden Mutter, die ihren Ehemann früh verloren hatte und ihr Bestes gab, um ihre neun jungen Kinder irgendwie zu ernähren und nicht hungrig ins Bett schicken zu müssen. Meine Großmutter hatte nur eine geringe Schulbildung. Ihr war es damit kaum möglich, weit über den persönlichen Tellerrand hinauszublicken und ihr Leben in eine andere, eine bessere Bahn zu lenken. Der frühe Tod ihres Mannes, meines Großvaters, sowie das Fehlen einer Grundausbildung verwehrten meiner Großmutter die Chance, ein Leben jenseits von Existenzängsten zu führen und realistische Träume für sich selbst zu entwickeln. Aber eines konnten diese Lebensumstände ihr nicht nehmen: ihren unbändigen Willen und die Hoffnung, dass ihre Kinder einmal ein besseres Leben führen sollten als sie selbst. 24 Quadratmeter. Unsere Küche im beschaulichen Süden von München, in der ich Teile dieses Buches verfasse und unsere Haushälterin jeden Morgen ein gesundes Frühstück für unsere Familie vorbereitet, ist deutlich größer. Ich blicke vom Tisch hinaus in den großen, nicht einsehbaren Garten mit den hohen, alten Bäumen und spüre jeden Morgen, was für ein privilegiertes Leben ich leben darf. Die Brücke zwischen der Kindheit meiner Mutter und dem Leben, das ich seit meiner Kindheit führe, ist Bildung. Exzellente Bildung. Meine Mutter ist ihren damaligen Lebensumständen durch Bildung entflohen und hat damit die Weichen für ein angenehmes, selbstbestimmtes Leben mit vielen Chancen und Möglichkeiten gestellt. Nicht nur für sich, sondern für ihre Kinder und Kindeskinder und vermutlich für alle, die in unserer Familie noch folgen werden. Bildung ist ein Geschenk, das über Generationen nicht aufhört zu schenken. Bildung eröffnet Chancen, die weit über die Gegenwart hinausgehen. Dank meiner eigenen Familiengeschichte kann ich jeden Tag erspüren, was Bildung verändern kann, wenn man Zugang hierzu erhält. Wie durch Bildung ein Leben und das der nachfolgenden Generationen eine völlig andere Wendung nehmen kann und neue Welten erobert werden können. Neue geografische Welten, neue soziale Welten, neue Welten der persönlichen Vorstellungskraft, aus der neue Lebensrealitäten geschaffen werden können. Meine Mutter hat im Alter von sechs Jahren ein Geschenk erhalten, das nicht nur das würdevollste Geschenk ist, das man einem Menschen aus prekären Lebensverhältnissen machen kann, sondern auch das nachhaltigste: eine Bildungspatenschaft, die eine herzensgebildete amerikanische Frau für meine Mutter damals übernommen hat. Diese Frau wurde für meine Mutter zu einer liebenden Pflegemutter und Jahre später für mich eine inspirierende Großmutter. Eine Frau, die Warmherzigkeit und kluge Weitsicht in sich trug. Das Motiv dieser großartigen Amerikanerin war Nächstenliebe, gepaart mit dem Wunsch, einem kleinen Mädchen die Hand zu reichen, damit es aus eigener Kraft etwas aus ihrem noch so jungen Leben machen kann. Die Bildungspatenschaft bestand aus der Übernahme von Schulgebühren, aus Inspiration sowie vor allem auch aus dem Glauben an einen jungen Menschen, der selbst noch zu jung war, um an sich selbst zu glauben. Und dem mangels Vorbildern die Vorstellungskraft fehlte, wie man sich in der großen, weiten Welt entfalten kann, wenn man nur die Chance dazu bekommt. Meine Mutter konnte durch diese Bildungspatenschaft eine gute Privatschule in Hongkong besuchen. Wenn sie am frühen Abend nach einem langen Schultag in ihr beengtes Zuhause zurückkam, legte sie sich gleich schlafen, denn der einzige Tisch in der kleinen Hütte wurde von der Familie zum Abendessen benötigt. Gegen Mitternacht stand sie wieder auf, um ihren Geschwistern Platz im Bett zu machen, denn es gab nicht genug Schlafplätze für alle. Stattdessen nutzte sie die nächtliche Ruhe, um am Esstisch zu lernen und ihre Hausaufgaben zu machen. Sie arbeitete die ganze Nacht hindurch und ging am nächsten Morgen wieder in die Schule, ohne nochmals geschlafen zu haben. Meine Mutter dachte nicht darüber nach, wie beschwerlich ein solcher Alltag und Lebensrhythmus für ein junges Kind waren. Ihr gedanklicher Fokus lag auf der Chance, die sie durch diese Ausbildung erhalten würde. Nach ihrem Highschool-Abschluss wurde sie von ihrer amerikanischen Pflegemutter ermutigt, Hongkong zu verlassen und nach Deutschland zu gehen. Dort lernte sie mit 19 Jahren in Heidelberg einen jungen deutschen Studenten, meinen Vater, kennen und entschied sich zu bleiben. Meine Geschwister und ich wurden in Deutschland geboren und sind behütet und zugleich weltoffen – zwischen Deutschland und Hongkong pendelnd – in einem Akademikerhaushalt aufgewachsen. Ich bin inmitten von Büchern, die mir auf Deutsch, Englisch und Chinesisch vorgelesen worden sind, und engen Bezugspersonen von drei Kontinenten groß geworden. Meine Geschwister und ich sind mit unseren Eltern viel gereist, haben sehr gute öffentliche und private Schulen und Universitäten im In- und Ausland besucht und konnten von Beginn an ein hervorragendes, internationales Netzwerk zu Menschen aufbauen, die mich zum Teil bis heute begleiten. »Education is the bridge to possible«, diesen Leitsatz haben wir verinnerlicht. Wir sind erzogen worden mit einem ausgeprägten Gefühl der Selbstwirksamkeit, mit einem dynamischen Selbstbild und der Selbstgewissheit, dass Talent und Durchhaltevermögen eine wunderbare Kombination bilden. Vor allem haben meine Geschwister und ich eine hohe Wertschätzung vermittelt bekommen, welch großes Privileg Bildung darstellt. Ich bin davon überzeugt: Talent, das auf fruchtbaren Boden fällt und mithilfe von anderen gefördert wird, gehört uns nicht allein, sondern der Gesellschaft. Wer dies nicht lebt, besitzt ein falsches Verständnis von Elite und trägt indirekt dazu bei, dass wir in Teilen noch immer eine recht undurchlässige Gesellschaft sind. Es ist daher kein Zufall, dass ich mich – zusätzlich zu meiner Karriere in der Wirtschaft – für ein berufliches Engagement im Bereich der Bildung entschieden habe. Als Professorin junge Menschen in ihrer Ausbildung begleiten zu können, empfinde ich als Berufung, nicht als Beruf. Mich interessiert das Gelingen von Lernprozessen und das Entdecken individueller Potenziale, nicht die Dokumentation des Scheiterns. So viele Aufgaben von Lehrenden lassen sich inzwischen sehr gut digitalisieren. Das spielt zeitliche Kapazitäten frei, um junge Menschen persönlich zu begleiten, zu inspirieren und akademisches Scheitern zu verhindern, wenn es unnötig ist. Rund 50?000 junge Menschen in Deutschland verlassen im Durchschnitt Jahr für Jahr die Schule ohne Schulabschluss. Damit fehlt ihnen die Grundvoraussetzung für einen Ausbildungsplatz, und der Wirtschaft fehlen dringend benötigte Fachkräfte. Hier haben wir großen Handlungsbedarf. In der Bildung zu arbeiten, bedeutet für mich, anderen das Handwerkszeug zu vermitteln, um Brücken selber bauen zu können. Brücken in eine selbstbestimmte, zunehmend technologisierte Zukunft, in der es so viel spannender ist, das Geschehen auf dem Spielfeld aktiv zu gestalten, als die Entwicklungen passiv vom Seitenrand zu beobachten. Exzellente Bildung ist auf individueller Ebene die zentrale Grundlage für eine selbstbestimmte Lebensführung. Auf kollektiver Ebene stellt exzellente Bildung die Grundlage für das soziale und ökonomische Wohlergehen ganzer Gesellschaften dar und schafft damit Zuversicht. Schlechte Bildung hingegen fördert Pessimismus. Und Letzteres will kein Mensch. Nicht einmal Pessimisten sind gerne pessimistisch. Hoffen ist daher gut, Handeln ist aber besser. Das vorliegende Buch ist deshalb ein Weckruf zum Handeln. Denn wir sind gerade dabei, durch eklatante Defizite in der Bildung – vor allem auch in der digitalen Bildung – unseren Wohlstand sowie die Zukunft unserer nachfolgenden Generationen zu gefährden. Folgende Entwicklungen besorgen mich und waren auch Anlass, dieses Buch zu...