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E-Book, Deutsch, Band 5, 156 Seiten

Reihe: Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

Wirmer / Joussen / Thüsing Sentire cum ecclesia

Zur Auslegung kirchlichen Rechts - besonders Arbeitsrechts - durch staatliche Gerichte
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7841-3423-9
Verlag: Lambertus-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zur Auslegung kirchlichen Rechts - besonders Arbeitsrechts - durch staatliche Gerichte

E-Book, Deutsch, Band 5, 156 Seiten

Reihe: Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

ISBN: 978-3-7841-3423-9
Verlag: Lambertus-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Selten zuvor sind so viele religionsbezogene juristische Streitfälle ausgetragen worden. In vielen Fällen standen und stehe n Fragen der Auslegung kirchlichen Rechts durch staatliche Gerichte im Kern der Auseinandersetzung. Auch wenn Kirche und Staat heute institutionell getrennt sind, gibt es Inder staatlichen Wirklichkeit weiterhin viele Berührungspunkte oder auch Überschneidungen, gerade in manchen Sozialbereichen. Der soziale Rechtsstaat hat die Gestaltungsformen kirchlichen Wirkens weitgehend in seine Rechtsordnung integriert. In den gemeinsamen Arbeitsfeldern stoßen damit zwei unterschiedliche Rechtsordnungen aufeinander. Dabei stellen sich eine Reihe von Zuordnungsfragen. Staatliche Gerichte stehen in manchen Rechtsgebieten vor der Problem, wie sie mit Kirchenrecht umgehen sollen. Können sie es anwenden und auslegen, vor allem aber, welche Kompetenzen stehen ihnen dabei angesichts der kirchlichen Autonomie zu? Wie weit reicht der Radius staatlicher Kontrolle bei der Beurteilung kirchlicher Rechtsfragen? Auch heute noch sind dies in Literatur und Rechtsprechung bis hin zum EuGH kontrovers diskutierte Themen.

Anton E. Wirmer, geboren 1940 in Berlin und aufgewachsen im Rheinland. Studium der Philosophie und kath. Theologie in München, Bonn und Innsbruck sowie der Rechtswissenschaft in Köln. Erste und zweite juristische Staatsprüfung. Verheiratet, zwei Kinder. Seit 1975 verschiedene Tätigkeiten im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, u.a. als Leiter des Ministerbüros von BM Dr. Blüm und der Abt. Arbeitsrecht und Arbeitsschutz. 1996 Wechsel ins Bundeskanzleramt und Leitung der Abt. 3 ( Soziales, Verkehr, Umwelt, Bildung und Forschung). Beim Regierungswechsel Ende 1998 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Anschließend Tätigkeit als Rechtsanwalt. Im Jahr 2018 juristische Promotion. Die Herausgeber: Prof. Dr. Jacob Joussen, geb. 1971 in Duisburg, wurde zum Sommersemester 2006/2007 zum Universitätsprofessor und Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ernannt. Seit Sommersemester 2010 Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Ruhr-Universität Bochum. Prof. Dr. Gregor Thüsing LL.M. (Harvard), geb. 1971 in Köln, ist seit Wintersemester 2004/2005 Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.

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C.  Auslegungsmethoden nach religiösem Recht
I.    Historische Aspekte
Die Entstehungsbedingungen für die jungen christlichen Gemeinden waren durch die religiösen und politischen Verhältnisse im Imperium Romanum geprägt. Dementsprechend war auch die Entwicklung einer kirchlichen Ordnung mit der dort geltenden weltlichen Rechtsordnung verbunden. Dies gilt besonders seit dem Aufstieg des Christentums zur römischen Staatskirche und seitdem in der spätrömischen Kaiserzeit auch kirchliche Angelegenheiten Gegenstand staatlicher Gesetzgebung wurden. Das Kirchenrecht hat dabei Elemente der römischen Rechtsordnung übernommen, ebenso wie nach dem Verfall des weströmischen Reichs auch solche germanischen -fränkischen Rechtsdenkens.94 Dazu gehörten u.a. das Eigenkirchenwesen sowie die Einbeziehung der Bischöfe und anderer kirchlicher Amtsträger in die weltliche Herrschaft. Aber auch umgekehrt wurden innerkirchliche Normierungen in staatliches Recht übernommen, sodass auch kirchliches Gedankengut Eingang in das römische Recht fand und Einfluss auf die weltliche Rechtsentwicklung ausgeübt hat. In vielen juristischen Disziplinen ist dies spürbar.95 Durch diese gegenseitige Beeinflussung bestand aber auch die Gefahr, dass der strukturelle Unterschied zwischen weltlichem und kirchlichem Recht verblasste oder verwischt wurde.96 Neue Akzente erhielt das Kirchenrecht, seitdem es ab dem 12. Jahrhundert Gegenstand wissenschaftlicher Behandlung wurde (sog. Kanonistik).97 In dieser Epoche des klassischen Kanonischen Rechts wurden die verschiedenen Kirchlichen Rechtsquellen gesammelt und zum „corpus iuris canonici“ zusammengefügt. Sein Anspruch und seine Bedeutung beschränkte sich nicht auf das Kirchenrecht.98 Der CorpJC hatte im Rahmen der Rezeption des römischen Rechts erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Rechts in Europa.99 Dies gilt besonders für das Straf- und Prozessrecht, die Ausbildung einer staatlichen Ämterhierarchie, das Völkerrecht und selbst das Privatrecht. Das Kanonische Recht wurde Teil des sog. Gemeinen Rechts, das im römisch-deutschen Reich als allgemeines Recht galt. Die Rechtssammlung des“ corpus iuris canonici“ galt im Bereich der katholischen Kirche bis ins 20.Jh. und wurde erst 1917 durch die Kodifikation des „codex iuris canonici“ ersetzt.100 Bei den Kirchen der Reformation ist die Entwicklung anders verlaufen. Durch die Reformation wurden einige Elemente der bisherigen kirchlichen Lehren in Frage gestellt. Das betraf auch das Amts- und Kirchenverständnis mit entsprechenden Auswirkungen auf das Kirchenrecht. In der Epoche des landesherrlichen Kirchenregiments gerieten die evangelischen Kirchen unter staatlichen oder landesherrlichen Einfluss.101 Aus einer zunächst als Notmaßnahme gedachten Zuständigkeit des Fürsten entwickelte sich im Laufe der Jahre ein Dauerzustand. Der “corpus iuris canonici“ fand nur noch subsidiär Anwendung. Die Bedingungen für ein staatsunabhängiges, evangelisches Kirchenrecht wurden erst mit der zunehmenden Verselbständigung der Evangelischen Kirchen im 19. Jh. geschaffen. Auch wenn das Kirchenrecht in seiner langen Entwicklung vielfach mit der weltlichen Rechtsordnung verflochten war und Formen des weltlichen Rechts übernommen hat, hat es dadurch nicht seinen besonderen Charakter als Kirchenrecht, das auf den Heilsauftrag der Kirchen ausgerichtet ist und unter dem Anspruch des Glaubens bzw. des Bekenntnisses steht, aufgegeben.102 Aber welche Bedeutung und Funktion dem Recht in den Kirchen im Einzelnen zukommt und welche Regeln und Methoden maßgeblich sind, wird in den christlichen Kirchen teilweise unterschiedlich gesehen. II.   Katholisches Verständnis
1.   Theologische Grundlegung
Nach kath. Verständnis gehört zur Kirche als Gemeinschaft mit Christus nicht nur eine geistliche, sondern - als Gemeinschaft von Menschen - auch eine weltliche Dimension. Unbestritten ist ebenfalls, dass diese menschliche Gemeinschaft einer Lebens- oder Rechtsordnung bedarf, und ebenso, dass sich für diese Ordnung aus dem Evangelium selbst Vorgaben göttlichen Rechts ergeben, die nicht zur Disposition der Kirche oder des kirchlichen Gesetzgebers stehen.103 Dennoch wird über die Frage, wie Recht und Kirche zueinander stehen und wie die Bedeutung und Funktion des Rechts in der Kirche theologisch zu begründen ist, in den letzten Jahrzehnten eine lebhafte Diskussion geführt. Die Kanonistik des 19.Jahrhunderts und auch noch der CIC von 1917 orientierten sich an der Vorstellung der Kirche als „societas perfecta“, d.h. als einer dem Staat vergleichbaren und von ihm unabhängigen vollkommenen Gesellschaft.104 Die Entstehung dieses Kirchenbildes fällt in die Zeit des Kampfes der Kirche gegen den Souveränitätsanspruch des Staates und seine liberale Staatskirchenhoheit. Aber dieses Kirchenbild hatte aus heutiger Sicht eine zu stark auf die Rechtsgemeinschaft und die Vergleichbarkeit mit dem Staat ausgerichtete Grundhaltung. Die theologische und geistliche Dimension der Kirche kam dabei zu kurz.105 Es wurde vielfach die Gefahr einer einseitigen Verrechtlichung von Glauben und Kirche gesehen. Dem alten Codex wurde auch eine einseitige Ausrichtung als Klerikerrecht vorgehalten. Das II. Vatikanische Konzil bemühte sich daher bei seinen Beratungen um ein theologisch erneuertes Kirchenverständnis und ein spezifisch theologisch begründetes Kanonisches Recht.106 Im Vordergrund stand nicht mehr die Kirche als Rechtsgemeinschaft im Sinne der „societas perfecta“, sondern die Kirche als sichtbarer Ausdruck eines Heilsmysteriums. Dafür wurden verschiedene Bilder verwandt: Kirche als Volk Gottes, als Leib Christi oder als Tempel des Hl. Geistes. An die Stelle des säkularen Begriffs der „societas“ trat nunmehr der theologisch gefüllte Begriff der „communio“.107 Dieser Begriff wird verstanden als Ausdruck der spezifischen Gemeinschaft des Menschen in der Kirche mit Gott. Diese Gemeinschaft geschieht im Wort Gottes und in den Sakramenten. Besonders in der Konstitution über die Kirche „lumen gentium“108 hat sich das Konzil eingehend mit Wesen und Struktur der Kirche befasst. Die Konsequenzen dieser theologischen Aussagen für das Kirchenrecht hat das Konzil nicht selbst gezogen. Es hat vielmehr den Auftrag erteilt, den CIC von 1917 entsprechend seinen Grundaussagen zu überarbeiten und die Konzilsdekrete in anwendbares Recht zu transformieren. Die nachkonziliare Kanonistik hat die theologischen Bildbegriffe des Konzils auf ihre Relevanz für das Recht untersucht und sich verstärkt um eine spezifisch theologische Grundlegung des Kanonischen Rechts bemüht. Dafür wurden verschiedene konzeptionelle Ansätze entwickelt.109 Allen gemeinsam ist, dass die Kirche im Sinne des Konzils aus einem menschlichen und einem göttlichen Element besteht und daher auch ihr Recht an beiden Elementen ausgerichtet sein muss. Kirchenrecht ist ein Instrument zur Verwirklichung der Kirche im Sinne des Konzils. Der allgemeinen Reform des CIC entspricht allerdings keine Reform in den auslegungstheoretischen Fragen.110 Es wurden vor allem nicht neuere Überlegungen in der Kanonistik aufgegriffen, die sich – angelehnt an Tendenzen im weltlichen Recht - für ein „aggiornamento“ in Richtung einer stärker evolutiv– dynamischen Auslegungstheorie und für eine gewisse Erweiterung der kanonischen Methodik durch andere, auch außergesetzliche Auslegungskriterien ausgesprochen hatten. Das neue Gesetzbuch hält in auslegungstheoretischer Hinsicht an der Konzeption des CIC 1917 fest und begrenzt damit zugleich den Spielraum für eine Weiterentwicklung der spezifisch kanonischen Methodik.111 Eine direkte Anwendung weiterer Interpretationsmethoden muss deshalb wohl als unzulässig erachtet werden. Der Gesetzgeber war der Auffassung, dass sich beim augenblicklichen Stand der Diskussion die Anliegen der neueren Entwürfe auf andere Weise berücksichtigen lassen.112 Zu nennen sind besonders die traditionellen Instrumente der Epikie und der kanonischen Billigkeit, die Möglichkeit einer häufigeren Anpassung des Rechts und das Instrumentarium der authentischen Gesetzesauslegung. Verwiesen wurde auch auf Regelungsspielräume im Rahmen der Autonomie der Teilkirchen sowie eine vorbehaltlosere Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in der Gesetzgebung. 2.   Doppelcharakter des kanonischen Rechts
Nach der Apostolischen Konstitution „sacrae disciplinae leges“, mit der der neue Kodex im Jahre 1983 promulgiert wurde,113 soll das Recht im Leben der Kirche nicht den Glauben, die Gnade und die Liebe ersetzen. Im Gegenteil ziele das Recht darauf ab, der kirchlichen Gesellschaft eine Ordnung zu geben, die der Liebe, der Gnade und dem Charisma Vorrang einräumt. Dem Recht in der Kirche kommt also nach kath. Verständnis keine...



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