E-Book, Deutsch, 228 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Würz / Birker Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-648-15789-3
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Regelungen, Anforderungen, Umsetzungen in der Praxis
E-Book, Deutsch, 228 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-15789-3
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Karl Würz, Dipl.-Verw.-Wirt (FH), ist seit 2011 Geschäftsführer der equeo CompCor GmbH. Bis 2001 war er Polizeibeamter des Landes Baden-Württemberg, zuletzt als Polizeidirektor im Innenministerium. In dieser Zeit verfasste er mehrere polizeiliche Fachbücher (u. a. Datenschutz, Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität). Danach war er mehrere Jahre bei der digital spirit GmbH tätig. Als Leiter Business Development & Sales war er auch für die Produktentwicklung der Compliance-Trainingsprogramme mit verantwortlich. Herr Würz ist außerdem Vorstandsmitglied des Netzwerk Compliance e.V.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geowissenschaften Umweltwissenschaften Umweltverschmutzung, Umweltkriminalität, Umweltrecht
- Rechtswissenschaften Arbeitsrecht Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsrecht
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Kultur Menschenrechte, Bürgerrechte
- Rechtswissenschaften Wirtschaftsrecht
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Umweltrecht Umweltrecht allg., Technikrecht, Immissionsschutzrecht
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Corporate Social Responsibility (CSR), Nachhaltiges Wirtschaften
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management Compliance
- Rechtswissenschaften Internationales Recht und Europarecht Internationales Recht Internationale Menschen- und Minderheitenrechte, Kinderrechte
Weitere Infos & Material
1 Einführung
1.1 Problem und Ziel1
Deutschland steht nach Ausführungen der Bundesregierung aufgrund der hohen internationalen Verflechtung seiner volkswirtschaftlich bedeutenden Branchen in einer besonderen Verantwortung, auf eine Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage entlang von Lieferketten hinzuwirken und die Globalisierung mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial zu gestalten.
Die zunehmende Integration deutscher Unternehmen in globale Beschaffungs- und Absatzmärkte bietet Chancen und Herausforderungen zugleich: Neue Märkte und Produktionsstätten werden erschlossen und so Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen. Gleichzeitig können in der Lieferkette von Unternehmen in der globalen Wirtschaft aber auch Risiken durch Intransparenz und die oft mangelhafte Durchsetzung von international anerkannten Menschenrechten entstehen. Die Pflicht, die Menschenrechte des Einzelnen zu achten, zu schützen und einzuhalten, liegt bei den Staaten.
Die Verantwortung von Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte besteht unabhängig von der Fähigkeit oder Bereitschaft der Staaten, ihrer Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen. Macht der innerstaatliche Kontext es unmöglich, dieser Verantwortung uneingeschränkt nachzukommen, ist von Unternehmen zu erwarten, dass sie die Grundsätze der international anerkannten Menschenrechte achten, soweit es in Anbetracht der Umstände möglich ist.
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, hat die deutsche Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan) in Deutschland umgesetzt.2 Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Der Nationale Aktionsplan ist ein wichtiger erster Schritt. Zentral für seine erfolgreiche Umsetzung sind ein einheitliches Verständnis von Inhalt und Umfang der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und deren breite Verankerung in unternehmensinternen Prozessen. Die Ergebnisse der im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen vom Juli 2020 haben gezeigt, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen. Um eine ausreichende Einhaltung zu gewährleisten, bedurfte es deshalb nach Auffassung der Bundesregierung eines rechtlich verbindlichen und international anschlussfähigen Sorgfaltsstandards.
Durch das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten, kurz »Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz« (LkSG) werden in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch die Implementierung der Kernelemente der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht besser nachzukommen.
Dadurch
- sollen die Rechte der von Unternehmensaktivitäten betroffenen Menschen in den Lieferketten gestärkt und
- soll den legitimen Interessen der Unternehmen an Rechtssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen Rechnung getragen werden.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz dient der Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage, indem es Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten für bestimmte Unternehmen festlegt.
Unternehmen erhalten einen klaren, verhältnismäßigen und zumutbaren gesetzlichen Rahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Die Anforderungen orientieren sich am Sorgfaltsstandard (»due diligence standard«) der UN-Leitprinzipien, auf dem der Nationale Aktionsplan basiert. Das Gesetz enthält darüber hinaus behördliche Durchsetzungsmechanismen. Die für die Kontrolle und Durchsetzung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten zuständige Behörde (das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA) wurde mit entsprechenden Eingriffsbefugnissen ausgestattet. Das Gesetz begründet eine Bemühenspflicht, aber weder eine Erfolgspflicht noch eine Garantiehaftung.
Anders als mit der Erfolgspflicht werden Unternehmen mit der Bemühenspflicht nicht dazu verpflichtet, Garantien vorzuweisen, dass Verstöße im eigenen Geschäftsbetrieb und den der unmittelbaren Lieferanten gänzlich verhindert werden. Vielmehr müssen sie nachweisen können, sich bemüht zu haben, alle ihnen mögliche Maßnahmen ergriffen zu haben, Risiken in der Lieferkette zu begegnen.
Dies wirkt recht unbestimmt, weshalb der Angemessenheit an dieser Stelle eine wesentliche Rolle zukommt. § 3 Abs. 2 LkSG liefert Bestimmungen hinsichtlich angemessenen Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt.
1.2 Vergleichbare nationale Regelungen in Europa
Frankreich: »Wachsamkeitspflicht« für Unternehmen
In Frankreich führte das »Loi de vigilance« im Februar 2017 eine sogenannte »Wachsamkeitspflicht« für Unternehmen im französischen Deliktsrecht ein.3 Das Gesetz gilt für Unternehmen mit Hauptsitz in Frankreich und mehr als 5.000 Mitarbeitenden im Inland bzw. 10.000 Mitarbeitenden weltweit.
Das Gesetz sieht eine zivilrechtliche Pflicht für Großunternehmen vor, Risiken und schwerwiegende Verstöße gegen die Grundrechte, die Gesundheit, die Sicherheit von Personen und die Umwelt in ihren Lieferketten zu verhindern. Wird diese Verpflichtung nicht erfüllt, sind die Firmen haftbar und müssen Abhilfe leisten.
Niederlande: Gesetz gegen Kinderarbeit
In den Niederlanden existiert seit 2019 ein Sorgfaltspflichtengesetz speziell gegen Kinderarbeit (nl.: »Wet Zorgplicht Kinderarbeid«)4. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen an niederländische Endnutzer*innen verkaufen, zu prüfen, ob Kinderarbeit in ihren Lieferketten stattfindet. Unternehmen, die die Vorschriften nicht einhalten, können mit Geldstrafen belegt werden.
Weitere EU-Staaten
In neun weiteren Mitgliedsstaaten werden derzeit Gesetzesdebatten geführt.
Gesetze außerhalb der EU
Auch außerhalb der EU existieren Gesetze für unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Zum Beispiel der »Modern Slavery Act« in Großbritannien aus dem Jahre 2015: Im Gegensatz zu Frankreich und den Niederlanden gibt das britische Gesetz keine inhaltlichen Handlungsanforderungen, sondern sieht eine Transparenz- und Berichtspflicht vor.
Weitere Gesetze zur Regulierung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten gibt es in Australien und Kalifornien – sie setzen ebenfalls auf Transparenzpflichten.
Ausblick
Diese kurze Übersicht über die bereits existierenden Lieferkettengesetze zeigt auf, dass sowohl beim Anwendungsbereich, der inhaltlichen Ausgestaltung als auch in der zivilrechtlichen Haftung unterschiedliche Regelungen vorhanden sind. Diese unterschiedlichen Regelungen machen deutlich, dass eine einheitliche europäische Norm sinnvoll sein wird.
So hat das EU-Parlament in seiner legislativen Entschließung weitreichende Vorschläge gemacht, die deutlich über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgehen. Nun ist es Aufgabe der EU-Kommission, auf diesen Forderungen in ihrem Richtlinienvorschlag aufzubauen und eine harmonisierte EU-weite Regelung zu finden. Dies ist nun mit dem Entwurf einer EU-Richtlinie eingeleitet (siehe nachfolgend Nr. 2).
1.3 Die bisherigen Entwicklungen in Europa
Sollte in Zukunft eine europäische Regelung erfolgen, soll das deutsche Gesetz nach Aussage der Bundesregierung entsprechend an die europäische Regelung angepasst werden mit dem Ziel, Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zu verhindern.
Parallel zur Verabschiedung des deutschen Gesetzes schreitet auf EU-Ebene die Debatte um ein einheitliches Lieferkettengesetz weiter voran: Im Dezember 2020 haben die 27 EU-Mitgliedsstaaten im Rat der Europäischen Union einstimmig die Ratsschlussfolgerungen zum Thema »Menschenrechte und gute Arbeit in globalen Lieferketten« verabschiedet. Im März 2021 hat das Europäische Parlament mit großer überfraktioneller Mehrheit einen legislativen Initiativbericht zur Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht von Unternehmen beschlossen.5 Die EU-Kommission kündigte an, bis Ende...