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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Zimmer Handbuch Sprache und Bewegung

Alltagsintegrierte Sprachbildung in der Kita
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-451-81899-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Alltagsintegrierte Sprachbildung in der Kita

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-451-81899-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sprache ist ein zentraler Schlüssel für die Teilhabe am sozialen Miteinander. Der Spracherwerb ist ein komplexer Prozess, den das Kind bereits in den ersten Lebensjahren zu bewältigen versucht. Wie können Pädagoginnen und Pädagogen diese Entwicklung begleiten und effektiv fördern? Und wie können insbesondere Kinder mit nicht-deutscher Erstsprache angemessen unterstützt werden?
In ihrer Neuauflage zum Handbuch beschreibt Renate Zimmer theoretisch fundiert und praxisnah das Konzept einer "Bewegten Sprache". Indem an den Ressourcen des Kindes angesetzt und sprachanregende Situationen im pädagogischen Alltag genutzt werden, gelingt die Sprachförderung ganzheitlich und alltagsintegriert.

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2. Sprache und Bewegung
im Kontext frühkindlicher Bildungsprozesse
Kindertageseinrichtungen – Kindertagespflege, Krippen und Kindergärten – haben einen eigenständigen Bildungsauftrag. Sie sollen, in Ergänzung zu der Familie, Kindern optimale Entwicklungsbedingungen bieten und ihnen alle Kompetenzen vermitteln, die sie befähigen, jetzige und künftige Lebenssituationen möglichst selbstständig bewältigen und ihr Leben aktiv gestalten zu können. Die Diskussion über Bildungschancen im Elementarbereich und die Erkenntnis, dass durch den frühen Besuch von Kindertageseinrichtungen die Bildungskarriere von Kindern nachhaltig beeinflusst wird, führte dazu, dass innerhalb der im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankerten Trias »Betreuung, Bildung, Erziehung« das Gewicht von der Betreuung und Erziehung zunehmend auf die Bildung verschoben wurde. Die von allen Bundesländern herausgegebenen Bildungs- und Erziehungspläne für den Elementarbereich thematisieren Bildung unter dem Aspekt der Förderung grundlegender Kompetenzen und Ressourcen, die Kindern ein stabiles Fundament für ihre Entwicklung vermitteln und sie befähigen, ein Leben lang zu lernen. Sprache und Bewegung werden dabei als wesentliche Bildungsbereiche genannt, jedoch fast immer getrennt behandelt, auf die Verknüpfung beider Bereiche wird nur selten hingewiesen. Auf diesen Aspekt wird in Kapitel 2.6. näher eingegangen. 2.1 Bildung von Anfang an
Die Sichtweise auf die ersten Lebensjahre hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die ersten Lebensjahre gelten heute als die Zeit, in der der Mensch die rasantesten Entwicklungsfortschritte macht. Als Beispiele können dabei der Erwerb der Sprache und Entwicklungsprozesse der Motorik herangezogen werden (vgl. Kapitel 4). Zum Zeitpunkt der Geburt sind nur die Basisfunktionen des Gehirns ausgebildet. Die Sinnesorgane beginnen, Signale, zum Beispiel Berührungen, Sprache, Geräusche, Farben und Formen, aus der Umwelt aufzunehmen – und erst diese Erfahrungen stoßen die Vernetzung im Gehirn an. Von den bei der Geburt angelegten 100 Milliarden Nervenzellen und ihren Verbindungen bleiben schließlich diejenigen erhalten, die durch Übung und Erfahrung aktiviert werden. Indem das Kind seine Sinne nutzt, entwickelt und differenziert es sie weiter aus. Bewegung und sinnliche Wahrnehmung spielen von Geburt an eine wesentliche Rolle für die gesamte Entwicklung. Neugier und Erkundungsbereitschaft bilden die Basis für die Exploration der sozialen und materialen Umwelt. Das Kind ist von Geburt an fähig zur Bildung von Theorien, die es durch das eigene Handeln überprüft, verwirft, bestätigt, modifiziert. Lernprozesse laufen selbst initiiert, selbst organisiert und erfahrungsabhängig ab. 2.2 Zum Verständnis von Bildung
Bildung setzt bereits mit der Geburt ein, sie findet an unterschiedlichen Orten und unter verschiedenen Rahmenbedingungen statt. Dabei trägt die Gesellschaft eine große Verantwortung, denn die Bildungschancen von Kindern müssen unabhängig von den Zufälligkeiten ihrer Lebensorte, der sozioökonomischen und kulturellen Lebensbedingungen ihrer Familien sein. Um dies zu erreichen, haben sich Bund und Länder 2002 verpflichtet, sich über Wege und Ziele frühkindlicher Bildung in Kindertageseinrichtungen zu verständigen und für Deutschland allgemeinverbindliche Ziele aufzustellen (Schuster-Lang 2013). Die Bundesländer haben daraufhin die Erarbeitung von Bildungsprogrammen in Auftrag gegeben. Die nationale und internationale Forschung kann immer deutlicher belegen, dass frühkindliche Bildung und Betreuung die Bildungschancen des einzelnen Kindes verbessern und die Grundlage erfolgreicher Bildungsbiografien sind. In diesem Kontext stehen auch die pädagogische Arbeit und die Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen im Fokus: So kann zum Beispiel die Qualität oder der frühe Besuch einer Kindertageseinrichtung Unterschiede im kindlichen Entwicklungsstand von bis zu einem Jahr verursachen (Tietze u. a. 2013; Tietze, Rossbach & Grenner 2007). Neue Anforderungen an die frühkindlichen Bildungsinstitutionen ergeben sich aus der zunehmenden kulturellen Verschiedenheit, der sozialen Komplexität und dem immer rasanteren gesellschaftlichen Wandel, der häufig mit tiefgreifendem Wandel der Familienstrukturen verbunden ist. Die Notwendigkeit, sich darauf einzustellen und die pädagogischen Konzepte den komplexen Erfordernissen anzupassen, trug dazu bei, dass auch das Verständnis von Bildung neu reflektiert wurde. Stand bisher eher die Auffassung, Bildung sei ein individuumszentrierter Prozess, der durch die Eigenaktivität des Kindes ausgelöst und gesteuert wird und lediglich einer lernanregenden, die kindliche Entwicklung stimulierenden Umgebung bedürfe, im Vordergrund, so geraten zunehmend die kontextuellen Rahmenbedingungen der Bildungsprozesse in die Diskussion (Gisbert 2004; Driescher 2010; Vogt 2015). Die Vorstellung, Bildung sei in erster Linie Selbstbildung, die vom Kind ausgehe und sich dem direkten Einfluss von Pädagoginnen und familiären Bezugspersonen entziehe, wurde durch die Definition von Bildung als soziale Ko-Konstruktion erweitert. Damit ist ein sozialer Prozess gemeint, der im sozialen und kulturellen Kontext stattfindet und an dem Kinder, Eltern sowie pädagogische Fachkräfte aktiv beteiligt sind (Fthenakis 2002; Gisbert 2004; Driescher 2010; Vogt 2015). Es muss also nach wie vor darum gehen, das Selbstbildungspotenzial der Kinder zu unterstützen; wichtig ist aber auch die anregende Begleitung durch den Erwachsenen, der dazu beiträgt, dass Kinder ihr Interesse an der Welt aufrechterhalten, ihre Neugier sich entfalten kann und sie vielfältige Gelegenheiten haben, ihr Wissen über die Welt selbstständig zu konstruieren. Bildung in diesem Sinne ist geprägt durch Wilhelm von Humboldt, einem Klassiker der Pädagogik, der Bildung als »Aneignung der Welt« verstand. Sich bilden heißt, sich ein Bild von der Welt zu machen. Das bedeutet jedoch auch immer, sich ein Bild zu machen von sich selbst und von den anderen in dieser Welt (Merkel 2005). 2.3 Eigenaktivität – wichtigster Faktor des Bildungsprozesses
Verfolgt man die aktuelle Diskussion um die frühkindliche Bildung, fällt auf, dass bei der Frage nach den Fähigkeiten, die Kinder in den ersten Lebensjahren erwerben sollen, vor allem sprachliche, kognitive und lernmethodische Kompetenzen im Vordergrund stehen. Obwohl immer wieder betont wird, dass Bildung abhängig sei von der Eigenaktivität des Kindes und von Gelegenheiten, die es zum Selberentdecken motivieren, wird die entscheidende Rolle der Bewegung beim Gewinn von Erfahrungen und Erkenntnissen erst in den letzten Jahren verstärkt diskutiert. Die Auffassung von Bildung als aktive Aneignung der Welt hat Konsequenzen für die konkrete Gestaltung von Bildungsprozessen. Es kann nicht darum gehen, Kindern bestimmte Sachverhalte »beizubringen«. Kinder müssen vielmehr an Lernprozessen selbst beteiligt werden. Es gilt, das Selbstbildungspotenzial der Kinder zu unterstützen, indem sie möglichst viel selbstständig handeln, entdecken, experimentieren, sich mit allen Sinnen beteiligen können. Schäfer (2011, S. 33) betont in seinen Thesen zur frühkindlichen Bildung insbesondere die Bedeutung sinnlicher Erfahrungen: »Frühkindliche Bildung ist zunächst ästhetische Bildung. Frühkindliche Bildung ist auf die eigenen Wahrnehmungen des Kindes angewiesen.« 2.4 Sinnliche Erfahrungen als Ausgangspunkt für Bildungsprozesse
Frühkindliche Bildung geht von der sinnlichen Erfahrung aus. Die Kinder lernen, ihre Wahrnehmungsfähigkeit auszudifferenzieren – Ausgangspunkt für forschendes Lernen. Aus den Erfahrungen formen Kinder Erwartungen, Theorien, Hypothesen. Sie machen sich Vorstellungen über mögliche Zusammenhänge und überprüfen sie, indem sie die Dinge genauer untersuchen (Schäfer 2011; Zimmer 2020a). Das Kind ergreift zum Beispiel eine Rassel, bewegt sie hin und her, um ihr Geräusche zu entlocken; es ertastet sie und steckt sie in den Mund, um ihre Oberfläche näher zu erkunden; es klopft, hämmert und schüttelt sie, lässt sie fallen und entdeckt das Gesetz: Alle Rasseln fallen auf den Boden. Sinnliche Erfahrungen sind eng mit dem Körper und der Bewegung verbunden. Bewegungsaktivitäten ermöglichen dem Kind, mit seiner dinglichen und räumlichen Umwelt zu experimentieren und so Erfahrungen über sie zu sammeln. Im Umgang mit Materialien und Spielobjekten gewinnt das Kind Erkenntnisse, die das Verstehen ihrer Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten zur Folge haben. Körper- und Bewegungserfahrungen sind somit auch immer verbunden mit der Erfahrung der Dinge und Gegenstände, mit denen und an denen Kinder sich bewegen. Indem sie Dinge und Gegenstände im Spiel handhaben, mit ihnen umgehen und sie erproben, lernen sie ihre spezifischen Eigenschaften kennen. Nach Piaget (2003) entwickelt sich die Intelligenz in der handelnden Auseinandersetzung des Kindes mit den Objekten seiner Umwelt. Denken vollzieht sich zunächst in der Form aktiven Handelns. Über die praktische Bewältigung von Situationen gelangt das Kind zu deren theoretischer Beherrschung. In der Folge von Piagets Theorien kann Denken als verinnerlichtes Handeln aufgefasst werden (Zimmer 1996, S. 17 ff.). Bewegung bedeutet für Kinder einen wesentlichen Zugang zur Welt. Mit dem Erwerb vielseitiger Erfahrungen durch das Medium Bewegung wird eine Erweiterung kindlicher Handlungsfähigkeit erreicht. Das Kind setzt die Bewegungsaktivität ein, um zu einem Wissen über seine Umwelt zu gelangen – ein Wissen, das auf der eigenen, selbstständig gewonnenen Erfahrung basiert und nicht...


Dr. Renate Zimmer ist Erziehungswissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt frühe Kindheit und Professorin für Sportwissenschaft an der Universität Osnabrück. Auf dem Gebiet der Bewegungserziehung ist sie die bekannteste und erfolgreichste Expertin im deutschsprachigen Raum. Ihre Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Für ihr bildungspolitisches Engagement wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.



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