E-Book, Deutsch, 236 Seiten
Zimolong / Elke / Bierhoff Den Rücken stärken
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-8409-2109-4
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Grundlagen und Programme der betrieblichen Gesundheitsförderung
E-Book, Deutsch, 236 Seiten
ISBN: 978-3-8409-2109-4
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Eine erfolgreiche, betriebliche Krankheitsprävention kann nicht nur wesentlich dazu beitragen, das individuelle Wohlbefinden der Mitarbeiter zu erhöhen, sie kann auch die betrieblichen Kosten, die als Folge von Krankheiten entstehen, eindämmen und sich deshalb betriebswirtschaftlich günstig auswirken. Die Praxis der Betrieblichen Gesundheitsförderung stellt sich allerdings immer noch weitgehend als ein Flickenteppich von Einzelaktionen, Kursen und Angeboten zur Verhaltensänderung dar, deren Wirksamkeit häufig nicht kontrolliert wird. Das Buch informiert über die Ergebnisse und die Wirksamkeit von gesundheitsbezogenen Einzelinterventionen in Organisationen und zeigt am Beispiel von Rückenerkrankungen, welche der Verhaltens- und Verhältnispräventionen wissenschaftlich abgesichert und effizient sind.
In diesem Band wird erstmals der Versuch unternommen, die individuelle mit der organisatorischen Perspektive von Gesundheitsförderungsmaßnahmen zu verbinden. Das Buch bietet zunächst Basisinformationen zur betrieblichen Gesundheitslage sowie zu den Grundlagen einer gesundheitsförderlichen Arbeits- und Organisationsgestaltung und Personalführung. Es wird dargestellt, wie gesundheitliche Förderprogramme auf der individuellen Verhaltensebene ansetzen können, um eine positive Bereitschaft zur Verhaltensumstellung zu erzielen. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch Kenntnisse über die erfolgreiche Gestaltung von gesundheitsbezogenen Kommunikationsprozessen im Betrieb. Entsprechend wird erläutert, welche Funktion und Strukturen ein effizientes Gesundheitsmanagementsystem hat, wie die Einbindung der Führungskräfte in Präventionsmaßnahmen erfolgen kann und welche Rolle der Einsatz von Personalsystemen für das Gesundheitsmanagment spielt.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Präventivmedizin, Gesundheitsförderung, Medizinisches Screening
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Umweltmedizin, Arbeitsmedizin, Tropenmedizin, Sportmedizin Arbeitsmedizin
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Vorwort;10
3;1 Berufliche Gesundheitslage;12
3.1;1.1 Datenquellen;12
3.2;1.2 Fehlbelastungen;16
3.3;1.3 Erkrankungen;19
3.4;1.4 Gesundheit und Sicherheit;23
3.4.1;1.4.1 Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Erkrankungen;23
3.4.2;1.4.2 Unfallgeschehen;28
3.4.3;1.4.3 Verrentung wegen Erwerbsminderung;29
3.5;1.5 Kosten der Arbeitsunfähigkeit;31
4;2 Gesundheitsförderliche Arbeits- und Organisationsgestaltung;33
4.1;2.1 Arbeit, Gesundheit und Lebensqualität;34
4.1.1;2.1.1 Gesundheitsverständnis;34
4.1.2;2.1.2 Ressourcen;34
4.1.3;2.1.3 Ziel Gesundheitsförderung;36
4.2;2.2 Organisation und Managementaufgaben;38
4.2.1;2.2.1 Merkmale von Organisationen;38
4.2.2;2.2.2 Wandel von Organisationsformen;41
4.3;2.3 Organisationsgestaltung und Verhaltenssteuerung;45
4.3.1;2.3.1 Arbeitsgestaltung;46
4.3.2;2.3.2 Verhaltenssteuerung: Kontrollformen;51
4.3.3;2.3.3 Strukturen: Gestaltung von Handlungsräumen;54
4.3.4;2.3.4 Kultur: Gemeinsame Werte und Normen;59
4.4;2.4 Externe Einflüsse und Netzwerke;61
4.4.1;2.4.1 Politisch-rechtliches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Umfeld;61
4.4.2;2.4.2 Präventionsnetzwerke;67
5;3 Human Resource Management und Gesundheitsförderung;71
5.1;3.1 Aufgaben und Strategien;71
5.2;3.2 Strukturelle Führung;73
5.2.1;3.2.1 Gestaltung von Systemen;73
5.2.2;3.2.2 Einsatz von Personalsystemen: die erfolgreichen Strategien der Unternehmen;79
5.3;3.3 Personale Führung;84
5.3.1;3.3.1 Psychologische Grundlagen;85
5.3.2;3.3.2 Direkte und indirekte Führung;91
5.4;3.4 Beteiligung;94
5.5;3.5 Selbstmanagement;97
5.6;3.6 Betriebliche Gesundheitskultur;100
5.6.1;3.6.1 Merkmale und Bedeutung;100
5.6.2;3.6.2 Forschungsstand;102
5.6.3;3.6.3 Förderung einer positiven Gesundheitskultur;103
6;4 Individuelles Gesundheitsverhalten: Modelle und Beispiele;106
6.1;4.1 Einleitung: Intentionsbildung vs. Handeln;106
6.2;4.2 Theorie des geplanten Verhaltens;108
6.2.1;4.2.1 Beschreibung der Theorie des geplanten Verhaltens;109
6.2.2;4.2.2 Bewertung der Theorie des geplanten Verhaltens;113
6.3;4.3 Spezielle Modelle zur Verhaltensänderung im Gesundheitsbereich;114
6.3.1;4.3.1 Health-Belief-Model;114
6.3.2;4.3.2 Bewertung des Health-Belief-Models;116
6.3.3;4.3.3 Theorie der Schutzmotivation;117
6.3.4;4.3.4 Bewertung der Theorie der Schutzmotivation;119
6.3.5;4.3.5 Parallel-Reaktions-Modell der Furchterregung;120
6.3.6;4.3.6 Bewertung des Parallel-Reaktions-Modells;123
6.3.7;4.3.7 Theorie der Gewohnheit;123
6.3.8;4.3.8 Integratives Modell der Verhaltensänderung;127
6.4;4.4 Handlungsausführung;129
6.4.1;4.4.1 Sozial-kognitives Prozessmodell gesundheitlichen Handelns;129
6.4.2;4.4.2 Bewertung des sozial-kognitiven Prozessmodells gesundheitlichen Handelns;134
6.4.3;4.4.3 Zielsetzungstheorie;134
6.4.4;4.4.4 Bewertung der Zielsetzungstheorie;136
6.5;4.5 Fazit;138
7;5 Prävention von Rückenerkrankungen;140
7.1;5.1 Ätiologie, Verlauf und Krankheitskosten;140
7.2;5.2 Ursachen und Risikofaktoren;145
7.2.1;5.2.1 Das biopsychosoziale Modell des Schmerzes;145
7.2.2;5.2.2 Risikofaktoren;146
7.3;5.3 Verhaltensprävention;149
7.3.1;5.3.1 Präventionsstrategien;149
7.3.2;5.3.2 Bewegung;151
7.3.3;5.3.3 Information;152
7.3.4;5.3.4 Hilfsmittel;153
7.3.5;5.3.5 Verhaltensprogramme;154
7.4;5.3.6 Ärztlich unterstützte Verhaltensprävention;155
7.5;5.4 Verhältnisprävention;156
7.5.1;5.4.1 Biomechanische Belastungen;156
7.5.2;5.4.2 Wirksamkeitsstudien;157
7.5.3;5.4.3 Ergonomische Interventionen;158
7.5.4;5.4.4 Interventionen in der Krankenpflege;158
7.5.5;5.4.5 Arbeitsorganisatorische Interventionen;160
7.6;5.5 Fazit;161
8;6 Betriebliche Gesundheitsprogramme;164
8.1;6.1 Konzeptionelle Einordnung und Abgrenzung;164
8.2;6.2 Verlauf, Teilnahme und Verbleib in Programmen;166
8.2.1;6.2.1 Ablauf von Programmen;166
8.2.2;6.2.2 Teilnehmer- und Verbleibquoten;167
8.3;6.3 Gesundheitliche Verhaltensveränderung und -stabilisierung;169
8.3.1;6.3.1 Phasenspezifische Angebote;169
8.3.2;6.3.2 Programme zur Verhaltensveränderung;170
8.3.3;6.3.3 Verhaltenstrainings zur Stressbewältigung;171
8.4;6.4 Mehr-Ebenen-Programme;172
8.5;6.5 Wirkung von Gesundheitsprogrammen;174
8.6;6.6 Fazit;178
9;7 Managementsysteme für die betriebliche Gesundheitsförderung;180
9.1;7.1 Betriebliche Gesundheitsmanagementsysteme;181
9.1.1;7.1.1 Zielsetzung und Funktion;181
9.1.2;7.1.2 Vorgehen und Gestaltungsfelder;184
9.2;7.2 Gesundheitsleistungen: Messung und Analyse;185
9.2.1;7.2.1 Leistungsindikatoren und ihre Erhebung;185
9.2.2;7.2.2 Leistungsindikator Gesundheitsquote;188
9.2.3;7.2.3 Integrative Datenanalysen;190
9.3;7.3 Das Gesundheitsmanagementsystem der Volkswagen AG;193
9.4;7.4 Einführung eines Gesundheitsmanagementsystems;196
9.4.1;7.4.1 Grundlagen: Organisationales Lernen und Organisationsentwicklung;196
9.4.2;7.4.2 Organisationsentwicklung: Gestaltungsfelder und Vorgehen;201
9.4.3;7.4.3 Diagnose der Ausgangslage;202
9.4.4;7.4.4 Interventionen: Prozessgestaltung und Maßnahmen;206
9.4.5;7.4.5 Evaluation: Erfolgskontrolle;209
9.4.6;7.4.6 Fazit;212
9.5;Literatur;214
10;Sachregister;231
5 Prävention von Rückenerkrankungen (S. 139-140)
Kapitel 5 im Überblick
Rückenschmerzen nehmen den ersten Rang bei den „Volkskrankheiten" ein. Zunächst behandelt das Kapitel die Ursachen, den Verlauf und die Krankheitskosten. Die Entstehung und insbesondere die Chronifizierung von Schmerzen ist in den meisten Fällen ein multidimensionaler Prozess, der erst im Rahmen eines biopsychosozialen Modells verständlich wird. Die evidenzbasierten Risikofaktoren, also die nachgewiesenen Einflussgrößen für den Rückenschmerz, werden nach arbeitsplatzbezogenen, psychosozialen und individuellen Faktoren geordnet und ausführlich dargestellt. Die Präventionsstrategien lassen sich in die beiden Teilstrategien Verhaltens- und Verhältnisprävention unterscheiden.
Zur Verhaltensprävention zählen u. a. Rückenschulen. Die Schulen alter Art scheinen wirkungslos zu sein, dagegen versprechen Rückenschulen neuer Art, die aus einer Kombination von Gesundheitsinformation und Bewegungsmodulen bestehen, recht wirkungsvoll zu sein. Auch Verhaltensprogramme, die einen Schwerpunkt auf kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze legen, haben positive Auswirkungen auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten. Nicht ganz so eindeutig ist die Befundlage bei den ergonomischen und arbeitsorganisatorischen Interventionen. Sie bilden das Rückgrat der Verhältnispräventionen. Als isolierte Maßnahmen scheinen sie nur einen geringen Einfluss zu haben, in Kombination mit verhaltensorientierten Interventionen ist ihr Einfluss nachweisbar. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass zur Prävention von Rückenproblemen am Arbeitsplatz am ehesten Verhaltens- und multidimensionale ergonomische Verhältnispräventionen geeignet sind.
5.1 Ätiologie, Verlauf und Krankheitskosten
Rückenerkrankungen bzw. das Symptom „Rückenschmerzen" mit seinen Konsequenzen gehört in Deutschland, wie in allen westlichen Industrienationen, zu den „Volkskrankheiten" mit erheblichen Konsequenzen für den Betroffenen wie auch für die Gesellschaft. Unter den Ursachen für Arbeitsunfähigkeitstage, Rehabilitationsmaßnahmen und Frühberentungen nehmen sie, als vorherrschende Subgruppe der Diagnosegruppe muskuloskelettale Erkrankungen (MSE) jeweils den ersten bzw. zweiten Rangplatz ein.
Mit „Rückenschmerzen" werden in Deutschland Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins bezeichnet. Man spricht vom „Rücken" und meint die Brustwirbelsäule. Mit dem „Kreuz" ist die Lendenwirbelsäule gemeint. He xenschuss und Ischias sind typische Kreuzschmerzen an unterschiedlichen Stellen. Abgegrenzt werden Schmerzen in der Nackenregion, den Schultern und den Hüften. Den größten Anteil an Muskel-Skelett-Beschwerden haben Rückenschmerzen mit 60 % aller Fälle. Im Gegensatz hierzu wird im angloamerikanischen Sprachgebrauch häufig der Begriff „Low Back Pain" verwendet. Dieser bezieht sich auf die Region zwischen dem Unterrand der 12. Rippe und einem Teil des Kreuzbeins (Glutealfalten). Der obere Anteil des Rückens wird nicht miteinbezogen.
Aus ätiologischer Sicht werden „spezifische" und „unspezifische" Formen von Rückenschmerzen unterschieden. Spezifische Rückenschmerzen sind solche, bei denen somatische Ursachen als Auslöser der Beschwerden diagnostiziert werden können. Hierzu gehören traumatische, entzündliche und tumoröse Veränderungen an der Wirbelsäule, systemische Erkrankungen (z.B. Osteoporose), aber auch Bandscheibenvorfälle, die Druck auf Nervenwurzeln ausüben. Unspezifische Rückenschmerzen liegen dann vor, wenn sich für die Beschwerden kein somatischer Auslöser findet und sich kein zentraler Pathomechanismus erkennen lässt.
In etwa 80 bis 85 % der Fälle lassen sich die Rückenschmerzursachen nicht klären (Burton, Eriksen & Leclerc, 2004), sie sind als unspezifisch (im englischen Sprachgebrauch auch als „mechanical", „idiopathic" oder „common") zu klassifizieren (ICD10: M 54.9). Im US-amerikanischen Sprachgebrauch werden am Arbeitsplatz aufgetretene unspezifische Rückenschmerzen auch unter dem Begriff „back injuries" geführt. Dies geschieht vor dem Hintergrund des amerikanischen Versicherungswesens, wonach Arbeitern nur nach arbeitsbedingten „Verletzungen" Lohnersatzleistungen zustehen.