E-Book, Deutsch, 800 Seiten
Clages / Ackermann / Gundlach Der rote Faden
15., neu bearbeitete Auflage 2023
ISBN: 978-3-7832-4056-6
Verlag: Kriminalistik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Grundsätze der Kriminalpraxis
E-Book, Deutsch, 800 Seiten
ISBN: 978-3-7832-4056-6
Verlag: Kriminalistik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminaltaktik und Kriminaltechnik in der Vielfalt ihrer speziellen Methoden sind die grundlegenden Säulen der kriminalistischen Ermittlungstätigkeit. Analysiert werden die jeweils neuesten Phänomene kriminellen Handelns, z.B. in:
- der kriminalistischen Tatortarbeit,
- der Spurensuche und -sicherung,
- der kriminalistischen Fallanalyse,
- der Versions-/Hypothesenbildung sowie in
- ausgewählten forensischen Wissenschaften wie Rechtsmedizin und kriminalistische Psychologie.
Aus dem Bereich der Speziellen Kriminalistik werden Sexualstraftaten, polizeiliche Todesermittlung sowie Internetkriminalität behandelt. Neu strukturiert wurde das Kapitel naturwissenschaftlich-technischer Methoden.
Alle Inhalte wurden dabei nicht nur aktualisiert, sondern z.T. vollständig überarbeitet bzw. neu bearbeitet.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Rechtswissenschaften Strafrecht Kriminologie, Strafverfolgung
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Forensik, Rechtsmedizin, Gerichtsmedizin
- Mathematik | Informatik EDV | Informatik Technische Informatik Computersicherheit Computer-Forensik
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Kriminalpsychologie, Forensische Psychologie
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Verwaltungsrecht Verwaltungspraxis Polizei
Weitere Infos & Material
1. Kapitel: Einführung in die Kriminalistik
I. Kriminalwissenschaften
von Horst Clages 1. System der Kriminalitätskontrolle
Unter Kriminalitätskontrolle (i. w. S.)[1] wird die Beeinflussung der Kriminalität als Massenerscheinung durch staatliche und gesellschaftliche Institutionen sowie Strategien und Sanktionen der strafrechtlichen Sozialkontrolle verstanden.[2] Die Umsetzung geschieht durch - Kriminalprävention (Vorbeugung, Verhütung, Verhinderung im Vorfeld) und - Strafverfolgung. Die Kontrolle der Kriminalität als soziales Phänomen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich folglich nicht nur an die Sicherheitsorgane und an die Justiz richtet, sondern alle gesellschaftlichen Bereiche einschließlich der Wirtschaft und die Institutionen der informellen und formellen Sozialkontrolle einbezieht. Örtlich wird diese Aufgabe der sog. Kommunalen Kriminalprävention zugeschrieben. Untersuchungsinstrumente sind u. a. Mittel der Kriminalgeografie und die Kriminologische Regionalanalyse. Unter Kriminalitätskontrolle (i. e. S.) wird nach neuerem Verständnis die direkte Verhütung und Aufdeckung sowie die Verfolgung von Straftaten und Straftätern verstanden. Als Synonym finden auch nach wie vor die Begriffe Verbrechensbekämpfung/Kriminalitätsbekämpfung Anwendung. Nach Brisach u. a. steht der Begriff „Kriminalitätskontrolle“ als Synonym für ein verändertes Aufgabenverständnis des Staates und seiner Sicherheitsorgane.[3] Unmittelbare Träger sind Polizei und Staatsanwaltschaft und sonstige mit der Strafverfolgung gesetzlich beauftragte staatliche Institutionen. Der gesetzliche Auftrag der Staatsanwaltschaft beschränkt sich unmittelbar auf die repressive, d. h. auf die strafverfolgende Tätigkeit, obwohl ihr Wirken auch auf Prävention ausgerichtet ist, so z. B. im sog. Jugendstrafverfahren. Die Aufgabe der Polizei erstreckt sich unmittelbar sowohl auf die vorbeugende als auch auf die strafverfolgende Verbrechensbekämpfung. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Doppelfunktionalität[4] der polizeilichen Aufgabe. Definitionen: Kriminalität[5] ist die Summe aller Straftaten, definiert in Bezug auf einen Zeitraum, einen geografisch abgegrenzten Raum, zugeschrieben bestimmten Bevölkerungsgruppen oder geordnet nach Delikten und Deliktgruppen. Verbrechen wird dagegen als die Einzeltat verstanden. Der Begriff Verbrechen orientiert sich nicht an den strafrechtlichen Kriterien des § 12 StGB, Verbrechen und Vergehen, der nach Art und Dauer der Strafandrohung für rechtswidrige Taten unterscheidet. Der kriminalistische Verbrechensbegriff[6] orientiert sich am Kriminalstrafrecht allgemein. Der kriminalistische Verbrechensbegriff umfasst somit alle mit einer Kriminalstrafe bedrohten rechtswidrigen Taten, also Verbrechen und Vergehen. Kriminalpolitik Kaiser[7] unterscheidet zwischen wissenschaftlicher und praktischer Kriminalpolitik. Die „wissenschaftliche Kriminalpolitik“ strebt die systematisch geordnete Darstellung der gesellschaftlichen Strategien, Taktiken und Sanktionsmittel zur Erzielung optimaler Verbrechenskontrolle an.“ „Praktische Kriminalpolitik“ hingegen beschränkt sich auf jene staatliche Tätigkeit, die vor allem mit den Grundsätzen, Verfahrensweisen und Mitteln des Kriminalstrafrechts auf Verbrechenskontrolle zielt und durch Strafjustiz und Polizei ausgeübt wird.“ Die Institutionen der Kriminalitätskontrolle erhalten ihre Vorgaben von der Kriminalpolitik. Diese wiederum wird bestimmt und formuliert aufgrund der sich ständig in Umfang, Art und Schwere verändernden Kriminalität, dem sich wandelnden Normenverständnis der Gesellschaft sowie dem Sicherheitsbedürfnis bzw. der Verbrechensfurcht der Bürger. Die Kriminalpolitik hat als verfassungsmäßige Beschränkung ihrer politischen Vorstellungen über eine wirkungsvolle Verbrechensbekämpfung das Gebot der Rechtsstaatlichkeit sicherheitspolitischen Handelns zu beachten. Theorie und Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis zeigen, dass eine Reduzierung der Kriminalität auf „Null“ nicht zu erreichen ist, denn ein gewisses Maß an negativ sozialabweichendem Verhalten ist eine normale Erscheinung in der Gesellschaft. Abb. 1: System der Verbrechenskontrolle
[Bild vergrößern] Das Gebot der Rechtsstaatlichkeit verbietet Kriminalitätskontrolle um jeden Preis. Die Institutionen der Verbrechensbekämpfung erhalten ihren Auftrag – in Ausfüllung der kriminalpolitischen Zielsetzung – durch Gesetze. Dies sind im Wesentlichen für die Strafverfolgung (Repression) die Strafprozessordnung und für die Gefahrenabwehr (Prävention) die Polizeigesetze des Bundes und der Länder sowie das Jugendgerichtsgesetz. Die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags in der polizeilichen Praxis erfolgt auf der Grundlage von Kriminalitäts- und Verbrechensanalysen, die ihren Niederschlag in strategischen und operativen Kriminalitätslagebildern finden. 2. Kriminalwissenschaften[8]
Erkenntnisgrundlage der Kriminalitätskontrolle allgemein sind die Kriminalwissenschaften und hier insbesondere die Kriminologie. Methodik, Strategie und Taktik der präventiven und repressiven Verbrechensbekämpfung sind Instrumente der Kriminalistik, die wiederum ein wesentliches Element im Ordnungssystem der Kriminalwissenschaften repräsentiert. Definitionen: Kriminalwissenschaften Den Kriminalwissenschaften werden jene Wissenschaftsdisziplinen zugeordnet, die sich primär mit dem kriminellen Verhalten von Menschen befassen.[9] Juristische Kriminalwissenschaften Zu den juristischen Kriminalwissenschaften zählen die Strafrechtswissenschaft und die Strafprozessrechtswissenschaft. Kriminologie Kriminologie ist die geordnete Gesamtheit des Erfahrungswissens über das Verbrechen, den Rechtsbrecher, die negativ soziale Auffälligkeit und über die Kontrolle dieses Verhaltens.[10] Kriminalistik Die Kriminalistik ist die Wissenschaft von der Aufdeckung, Untersuchung und Verhütung von Straftaten und kriminalistisch relevanten Sachverhalten. Ihr Gegenstand sind die Gesetzmäßigkeiten und Erscheinungen des Entstehens von Informationen (Spuren/Beweisen) bei der Begehung von Straftaten sowie die Methoden ihres Auffindens, Sicherns und Bewertens für Ermittlungs- und Beweiszwecke. Ihre Aufgabe ist, Ereignisse mit kriminalistisch-strafrechtlicher Relevanz aufzudecken, deren Ablauf zu untersuchen, den Täter zu ermitteln und mit hinreichender Sicherheit (hinreichender Tatverdacht) zu überführen sowie Wirkungsmöglichkeiten in präventiver Hinsicht zu erkennen und anzuwenden.[11] Abb. 2: Institution der polizeilichen Kriminalitätskontrolle Institutionen der polizeilichen Kriminalitätskontrolle – Überblick – BUNDESLÄNDER – Polizei Verfassungsrechtlicher Grundsatz: Polizei Ländersache, Art. 30 GG Ministerialebene: - Polizeiabteilung im Innenministerium - Landespolizeipräsidium - Landeskriminalämter Regional: - Polizeipräsidien - Polizeidirektionen/Kriminaldirektionen - Polizeiinspektionen/Kriminalinspektionen - Polizeiwachen/Krim.-Kommissariate Prinzipien: - Schutz- und Kriminalpolizei sind gleichsam Träger der Kriminalitätskontrolle - Arbeitsteilung, Spezialisierung - Länderspezifische Zuständigkeiten/Organisation: nach Delikten oder täterorientiert; zentral und dezentral NATIONAL/
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Bundeskriminalamt Bundespolizei Generalzolldirektion Zollfahndungsdienst/Zollkriminalamt INTERNATIONAL IKPO (INTERPOL) EUROPOL div. multilaterale Abkommen und Einrichtungen Abb. 3: Ordnungssystem der Kriminalwissenschaften
[Bild vergrößern] Definitionen: Kriminalstrategie[12] Unter Kriminalstrategie wird das rationale Zusammenwirken der polizeilichen Kräfte zur Verwirklichung der Ziele der Kriminalpolitik durch Ausrichtung der Gesamtorganisation Polizei auf die Bekämpfung der...