Kölbel / Geleri / Walther | Audiovisuelle Vernehmung im Ermittlungsverfahren | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

Reihe: Grundlagen der Kriminalistik

Kölbel / Geleri / Walther Audiovisuelle Vernehmung im Ermittlungsverfahren

Leitfaden für die polizeiliche Praxis
2024
ISBN: 978-3-7832-4065-8
Verlag: Kriminalistik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Leitfaden für die polizeiliche Praxis

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

Reihe: Grundlagen der Kriminalistik

ISBN: 978-3-7832-4065-8
Verlag: Kriminalistik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses anwenderorientierte Buch gibt einen Überblick über die Theorie und Praxis audiovisueller Vernehmung (AVVs). Es erläutert die rechtlichen Rahmenbedingen und behandelt die Chancen und Herausforderungen, die mit dem Einsatz von AVV im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verbunden sind. Sein besonderes Augenmerk legt es auf mögliche Fehlerquellen und Fallstricke bei der Anwendung von AVVs. Dabei werden insbesondere psychologische Aspekte der Vernehmungssituation berücksichtigt. Das Buch richtet sich an die polizeiliche, justizielle und anwaltliche Strafrechtspraxis, aber auch an Studierende der Rechtswissenschaften und Psychologie.
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III. Der Rechtsrahmen der audiovisuellen Vernehmung
(Max Mewes) 1. Einleitung
Wie beschrieben, sind die mit der audiovisuellen Aufzeichnung von Vernehmungen verbundenen Funktionalitätsannahmen vielfältig, insbesondere was deren Vorzüge gegenüber herkömmlichen Dokumentationsformen betrifft. Diese Erwartungen werden auch durch den Gesetzgeber geteilt und liegen der sukzessiven Erweiterung der Aufzeichnungsbefugnisse seit 1990 zugrunde. Gleichzeitig begründet die Aufzeichnung aber einen (teils gewichtigen) Eingriff in die Rechte der vernommenen Person. Diesem Konflikt zwischen bestmöglicher Konservierung des Vernehmungsinhaltes und den Rechten der vernommenen Person tragen die entsprechenden Normen regelmäßig Rechnung, indem sie eine Einzelfallbeurteilung erfordern. Hierdurch gestaltet sich ihre Anwendung nicht immer einfach. Ziel des Beitrages ist es daher, die rechtlichen Vorgaben hinsichtlich der audiovisuellen Vernehmung anwendungsbezogen darzustellen. Dafür soll zunächst ein erster Überblick über die die audiovisuelle Aufzeichnung von Vernehmungen betreffenden Regelungen gegeben werden (2.). Im Anschluss werden zunächst die Anordnung und Durchführung der Vernehmungsaufzeichnung betreffenden Regelungen vorgestellt, wobei zwischen ZeugInnen (3.1.) – und Beschuldigtenvernehmungen (3.2) unterschieden wird. Daran anknüpfend wird der Transfer der Aufzeichnung in die Hauptverhandlung als notwendige Folgefrage dargestellt (4.). Schließlich werden einige revisionsrechtliche Aspekte beleuchtet, soweit sie einen Bezug zur audiovisuellen Vernehmung aufweisen (5.). Der Beitrag beschränkt sich dabei auf jene audiovisuelle Vernehmung, die für die Polizei von Bedeutung ist und im Ermittlungsverfahren erfolgt; die audiovisuelle Vernehmung in der Hauptverhandlung nach § 247a StPO wird nicht behandelt. 2. Überblick über die Normen zur audiovisuellen Vernehmung und deren systematischen Zusammenhang
Normiert der Gesetzgeber eine neue Möglichkeit der Beweismittelgewinnung, bedarf es stets der Regelung zweier Themenkomplexe: Erhebung des Beweises und Transfer der gewonnenen Beweise in die Hauptverhandlung. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Gliederung des Strafverfahrens in mehrere, grundsätzlich voneinander unabhängige Verfahrensabschnitte sowie aus dem in der Hauptverhandlung geltenden Unmittelbarkeitsprinzip, welches die Einführung der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse in die Hauptverhandlung gebietet. Hinsichtlich der Beweiserhebung gilt es vornehmlich die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen die Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung (AVV) möglich ist („Ob“ der Durchführung einer AVV). Hinsichtlich der ZeugInnen-AVV enthält § 58a Abs. 1 StPO die Regelung dieser Frage. Der unmittelbare Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich zwar auf richterliche Vernehmungen, im Wege der Verweisung findet sie jedoch auch auf staatsanwaltliche (§ 161a Abs. 1 2 StPO) sowie polizeiliche (§ 163 Abs. 3 S. 2 StPO) ZeugInnenvernehmungen Anwendung. In der Hauptverhandlung hat § 58a StPO dagegen keine Bedeutung; dort geht die Vorschrift des § 247a StPO vor.[1] Die Möglichkeit der audiovisuellen Vernehmung der/des Beschuldigten ist in § 136 Abs. 4 StPO geregelt. Der unmittelbare Anwendungsbereich der Vorschrift ist hier ebenfalls auf die richterliche Vernehmung beschränkt, doch wird er gleichermaßen im Wege der Verweisung auf staatsanwaltliche (§ 161 Abs. 3 S. 2 StPO) sowie polizeiliche (§ 161 Abs. 4 S. 2 StPO) Vernehmungen erweitert. Die in Anwendung dieser Vorschriften gewonnene Aufzeichnung dokumentiert unter anderem den Inhalt der Vernehmung und tritt insoweit neben das „reguläre“ Vernehmungsprotokoll. Diesem Gedanken folgend hat der Gesetzgeber die Aufzeichnung der AVV hinsichtlich des Transfers in die Hauptverhandlung dem Protokoll in weiten Teilen gleichgestellt. Entsprechend der unterschiedlichen Form der Dokumentation unterscheidet sich zwar die Art der Einführung (Verlesung beim Protokoll – Vorführung bei der Aufzeichnung), hinsichtlich der Voraussetzungen ordnet die StPO hingegen weitestgehend einen Gleichlauf mit den Vorschriften über die Protokollverlesung an. Am deutlichsten wird dies hinsichtlich der Aufzeichnung der ZeugInnen-AVV. Hier ordnet § 255a Abs. 1 StPO eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Protokoll-Verlesung auf die Vorführung der Aufzeichnung an. Absatz 2 enthält ergänzend eine zusätzliche Vorführungsmöglichkeit, die in bestimmten Konstellationen die Vorführung der Aufzeichnung auch dann ermöglicht, wenn eine Verlesung des Protokolls nicht zulässig ist. Dabei hängt die Verwertung der Aufzeichnung maßgeblich von der Durchführung der Vernehmung im Vorverfahren ab. Nur Aufzeichnungen prozessordnungsgemäßer Vernehmungen können die Vernehmung der ZeugInnen in der Hauptverhandlung entbehrlich machen. Gleichzeitig wird das Gericht regelmäßig die ZeugInnen vernehmen müssen, wenn die Aufzeichnung der Vernehmung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Während das Gesetz hinsichtlich der Einführung in die Hauptverhandlung die Aufzeichnung der AVV dem Protokoll weitestgehend gleichstellt (denn auch die Aufzeichnung einer Beschuldigtenvernehmung wird in § 254 StPO dem Protokoll einer richterlichen Vernehmung gleichgestellt), unterscheiden sich beide Formen der Dokumentation doch erheblich hinsichtlich des Umfangs der erhobenen Daten: Während das Protokoll lediglich den Inhalt des Vernehmungsgesprächs verschriftlicht, erfasst die Aufzeichnung neben dem Inhalt des Gespräches unter anderem auch Mimik, Gestik und etwaige Gefühlsäußerungen. Diese Daten weisen mitunter einen starken Persönlichkeitsbezug auf, sodass ihre weitere Verwendung einen gewichtigen Grundrechtseingriff darstellen kann. Dieser erhöhten Grundrechtsrelevanz trägt der Gesetzgeber Rechnung, indem er die Verwendung der Aufzeichnung beschränkt (§ 58a Abs. 2 S. 1, 2 StPO) und die Akteneinsicht modifiziert (§ 58a Abs. 2 S. 3–6, III StPO). Während diese Regelungen vollumfänglich nur für die ZeugInnenvernehmung gelten, findet § 58a Abs. 2 StPO im Wege der Verweisung des § 136 Abs. 4 S. 3 StPO auch auf die Beschuldigten-AVV Anwendung. 3. Die audiovisuelle Vernehmung im Ermittlungsverfahren
Die audiovisuelle Vernehmung reiht sich als besondere Form der Vernehmung in die zahlreichen Möglichkeiten der Beweiserhebung ein, die die StPO zur Verfügung stellt. Es gilt zwischen der audiovisuellen Vernehmung von ZeugInnen und Beschuldigten zu unterscheiden. Die Unterscheidung zwischen ZeugInnen und Beschuldigten richtet sich dabei nach den allgemeinen Grundsätzen: Beschuldigte/r ist grundsätzlich nur, wem diese Rolle durch die Strafverfolgungsbehörden zugewiesen wird; es bedarf der Manifestation des Verfolgungswillens in einem Akt der Strafverfolgungsbehörden (sog. Inkulpationsakt).[2] Dies kann durch die förmliche Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen eine Person (ausdrücklich)[3] oder durch die Vornahme bestimmter Ermittlungsmaßnahmen erfolgen, die nur gegen Beschuldigte zulässig sind oder an einen Tatverdacht anknüpfen (konkludent).[4] Ist im Zeitpunkt der Vernehmung die Rolle der vernommenen Person (ZeugIn oder Beschuldigte/r) noch unklar, bedarf es einer Entscheidung über die Begründung der Beschuldigtenstellung, wobei ein Beurteilungsspielraum besteht.[5] Maßgebliches Kriterium für diese Entscheidung ist die Stärke des Tatverdachts; ausnahmsweise kann eine Pflicht zur Begründung der Beschuldigtenstellung bestehen.[6] 3.1 Audiovisuelle Vernehmung der Zeugin oder des Zeugen
Bevor auf die Frage, in welchen Fällen eine audiovisuelle Vernehmung der Zeugin oder des Zeugen zu erfolgen hat, eingegangen wird, soll behandelt werden, wer diese Entscheidung zu treffen hat und wie in diesen Fällen zu verfahren ist. 3.1.1 Entscheidungszuständigkeit und Vorgehensweise
Die Entscheidung über die Anordnung der Aufzeichnung der Vernehmung obliegt der die Vernehmung leitenden Person.[7] Im Falle einer polizeilichen Vernehmung ist dies die/der leitende BeamtIn, die/der hierüber grundsätzlich eigenständig entscheiden kann, ohne dass eine Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft erforderlich wäre.[8] Da die audiovisuelle Aufzeichnung bei jeder ZeugInnenvernehmung zumindest möglich ist, muss vor Vernehmungsbeginn stets eine Entscheidung über deren Aufzeichnung getroffen werden, wobei diese auch implizit im Verzicht auf die Aufzeichnung liegen kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vernehmung nach § 58a Abs. 1 S. 2, 3 StPO als richterliche zu erfolgen hat (bspw. bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder minderjährigen ZeugInnen, s. hierzu Kapitel 3.1.2.1 und 3.1.2.2). In diesen Fällen muss die audiovisuelle Vernehmung des/der ZeugIn durch eine/n ErmittlungsrichterIn in die Wege geleitet werden. Diese Ermittlungsmaßnahme muss grundsätzlich durch die Staatsanwaltschaft beantragt werden, vgl. § 162 Abs. 1 StPO (dazu unten C.I.3.). Die Polizei kann dies allerdings anregen.[9] Die/der ErmittlungsrichterIn hat die Zulässigkeit der AVV wiederum selbst zu prüfen. 3.1.2 Voraussetzungen für die Aufzeichnung der ZeugInnenvernehmung
Da die meisten ZeugInnenvernehmungen durch die Polizei durchgeführt...


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