E-Book, Deutsch, 170 Seiten
Reihe: Unirep Jura
Möller / Bar / Forster Die mündliche Prüfung im Ersten Staatsexamen
2024
ISBN: 978-3-8114-9110-6
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prüfungsgespräche, Kurzvortrag, Prüfungstipps
E-Book, Deutsch, 170 Seiten
Reihe: Unirep Jura
ISBN: 978-3-8114-9110-6
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Buch deckt sämtliche Bereiche ab, die für das erfolgreiche Bestehen der mündlichen Prüfung im ersten Examen erforderlich sind. Den Hauptteil bilden je 4-5 simulierte Prüfungsgespräche im Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichen Recht im „Frage-Antwort“-Stil, wie sie in Art, Umfang und Schwierigkeitsgrad beispielhaft für die mündliche Prüfung des Ersten Staatsexamens sind. Sie sind entweder aus der Sicht eines Anwalts oder eines Richters zu bearbeiten. Vor jedem Fall werden knapp die Themenschwerpunkte angegeben. Jeweils im Anschluss an das Prüfgespräch schließen Literaturhinweise zur raschen Wiederholung und Vertiefung der Lerninhalte die Darstellung ab.
Ein allgemeiner Teil widmet sich dem Gewicht der mündlichen Prüfung im Vergleich zum Schriftlichen, dem Aufbau und Ablauf der Prüfung. Ein weiterer Teil erläutert den in einigen Bundesländern geforderten Kurzvortrag und seinen Aufbau anhand je eines Sachverhalts mit Kurzlösung pro Rechtsgebiet.
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Fall 1 Freundschaft in Gefahr
BGB AT: Willenserklärungen Schuldrecht AT: Abgrenzung Gefälligkeit und Vertrag, Umfang des Schadensersatzes, Haftungsreduzierung Deliktsrecht: Schadensersatz gemäß § 823 Absatz 1 BGB A ist Eigentümer eines Rennrads. Das Rennrad hat er zu einem Preis von 3000 Euro erworben. Bei einer Tour mit dem Fahrrad fährt A in eine Scherbe. Da der Fahrradschlauch hierdurch zerstört wird, bringt A das Fahrrad in eine Werkstatt, um den Schlauch austauschen zu lassen. Kurze Zeit später fährt A in den Urlaub. Er bittet deshalb seinen Freund, B, das Fahrrad während seiner Abwesenheit aus der Werkstatt abzuholen. A fragt bewusst den B und nicht andere Freunde, da B selbst ein Rennrad nutzt und deshalb weiß, wie man mit Rennrädern umgeht. B holt das Rennrad des A ab. B fährt mit dem Fahrrad des A ebenso vorsichtig, wie er auch mit seinem eigenen Rennrad fährt. Auf dem Weg von der Werkstatt zum Haus des A übersieht der B eine kleine Unebenheit auf der Straße. B gerät mit dem Fahrrad ins Schlingern und stürzt zu Boden. Hierbei wird das Fahrrad derart beschädigt, dass es für 500 Euro repariert werden muss. A verlangt von B die Zahlung der Reparaturkosten in Höhe von 500 Euro. Zurecht? Prüferin: A bittet Sie um Erstellung eines Gutachtens bezüglich seiner Ansprüche gegen B. Wie würden Sie Ihre Prüfung beginnen? Kandidat: Ich würde zunächst vertragliche Ansprüche prüfen. Prüferin: Keine Einwände. Wieso würden Sie mit diesen anfangen und welche kämen in Betracht? Kandidat: Vertragliche Ansprüche sollten in einer gutachterlichen Prüfung immer zuerst geprüft werden, da das Vorliegen eines Vertrages eine Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließen würde, einen Rechtfertigungsgrund für deliktische Ansprüche darstellen kann und als Rechtsgrund Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung entfallen ließe. Prüferin: Das stimmt. Fällt Ihnen zudem ein Grund ein, warum vertragliche Schadensersatzansprüche für den Gläubiger vorteilhaft sein können? Kandidat: Ja, mir fällt hierzu zum Beispiel ein, dass bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Absatz 1 BGB, mit welchem ich hier beginnen würde, das Verschulden gemäß § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB vermutet wird. Der Schuldner muss belegen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. Bei einem Anspruch gemäß § 823 Absatz 1 BGB hingegen müsste der Gläubiger das Verschulden des Schuldners beweisen. Prüferin: Bei § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet? Kandidat: Genau genommen wird das Vertretenmüssen vermutet. Aus § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB ergibt sich, dass der Gläubiger keinen Ersatz für einen durch die Pflichtverletzung des Schuldners entstanden Schaden verlangen kann, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dieses Vertreten umfasst zum einen eigenes Verschulden des Schuldners und zum anderen auch beispielsweise das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines sogenannten Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 Absatz 1 Satz 1 BGB. Prüferin: Ganz genau. Mal eine Frage am Rande: wann ist eigentlich das BGB in Kraft getreten? Kandidat: Am 1. Januar 1900. Prüferin: Richtig. Sie wollten mit der Prüfung von § 280 Absatz 1 BGB anfangen. Dann machen Sie das bitte. Kandidat: A könnte einen Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten in Höhe von 500 Euro gegen B gemäß § 280 Absatz 1 BGB haben. Dafür müsste zunächst ein Vertrag zwischen A und B zustande gekommen sein. Prüferin: Wie kommen Verträge zustande? Kandidat: Durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, die Angebot und Annahme genannt werden. Prüferin: Was ist eine „Willenserklärung“? Kandidat: Eine Willenserklärung ist eine auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete Entäußerung des Willens in den Rechtsverkehr. Prüferin: Und welche sind die Tatbestandsmerkmale einer Willenserklärung? Kandidat: Die Willenserklärung wird in einen objektiven und in einen subjektiven Tatbestand aufgeteilt. Der objektive Tatbestand umfasst das Gesagte und der innere Tatbestand das Gewollte. Prüferin: Können Sie das weiter unterteilen? Kandidat: Im Rahmen des objektiven Tatbestands gilt es im Wege der Auslegung gemäß § 133 BGB zu ermitteln, ob ein objektiver Dritter davon ausgehen darf, dass der Erklärer mit seiner Erklärung eine Rechtsfolge herbeiführen wollte. Der subjektive Tatbestand hingegen wird in Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille untergliedert. Prüferin: Das ist alles richtig. Liegen hier denn übereinstimmende Willenserklärungen seitens A und B vor und ist somit ein Vertrag zustande gekommen? Kandidat: Es könnte ein Auftrag im Sinne des § 662 BGB zwischen A und B geschlossen worden sein. Allerdings könnte hier der sogenannte Rechtsbindungswille fehlen. Prüferin: Wo wird der Rechtsbindungswille geprüft? Kandidat: Im subjektiven Tatbestand der Willenserklärung. Prüferin: Das wird teilweise vertreten. Das Wort „Wille“ lässt darauf schließen. Allerdings ist es überzeugender anzunehmen, dass Rechtsbindungswille im objektiven Tatbestand geprüft wird. Das hatten Sie im Grunde auch schon gesagt. Denn es ist aus Sicht eines objektiven Dritten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte durch Auslegung analog den §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, ob sich die Parteien rechtlich binden wollten. Wissen Sie, wie die Rechtsprechung hier vorgeht? Kandidat: Ja, die Rechtsprechung hat einen „bunten Strauß“ von äußeren Indizien und Kriterien zusammengestellt, mit deren Hilfe auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Rechtsbindungswillen der Parteien geschlossen werden kann. Prüferin: Welche Kriterien fallen Ihnen hiervon ein und wie ist es im vorliegenden Fall? Kandidat: Die Art der „Gefälligkeit“ spielt hierbei eine Rolle. Im Rahmen der Prüfung sollten Grund und Zweck, die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, ermittelt werden. Zudem spielen die Umstände, unter denen die Gefälligkeit vereinbart wird und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien eine Rolle. Prüferin: Prima. Wie ist das im vorliegenden Fall? Kandidat: Von besonderer Bedeutung ist vorliegend der Wert des Fahrrads, welcher mit 3000 Euro als hoch einzustufen ist. Zudem weiß B, welche Bedeutung das Fahrrad für den A hat. Außerdem hat der A den B gefragt, ob er das Fahrrad abholen könne, da B sich mit Rennrädern auskennt. Er hat bewusst nicht irgendeinen Freund gebeten, das Fahrrad abzuholen. Deshalb spricht für mich viel dafür, dass ein Rechtsbindungswille zu bejahen ist. Prüferin: Ihre Argumente sind schlüssig. Aber kann man das im Ergebnis auch anders sehen? Was spräche hier gegen das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens? Kandidat: Gegen die Annahme eines Rechtsbindungswillens spricht, dass A und B Freunde sind. B holt das Fahrrad also als Freund des A ab und erbringt damit im wahrsten Sinne des Wortes einen Freundschaftsdienst. Zudem hätte A auch nach seinem Urlaub das Fahrrad selbst abholen können. Es bestand, wenn ich den Sachverhalt richtig verstanden habe, keine Eile. A war nicht wirtschaftlich auf das Fahrrad angewiesen. Vor diesem Hintergrund könnte man hier auch argumentieren, dass es sich um ein Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens handelt und dass die Annahme eines Rechtsbindungswillens dazu führen würde, dass Freundschaftsdienste weniger geleistet werden würden. Prüferin: Diese Argumentation überzeugt mich noch mehr als Ihre vorherige. Wenn wir Ihrer zweiten Argumentation folgen, was würde das für die weitere Prüfung bedeuten? Kandidat: Es würden bedeuten, dass mangels Rechtsbindungswillens kein Vertrag zwischen A und B zustande gekommen ist. Prüferin: Keine Einwände....