Dinter / Jakob / Weisser | Die Staatsanwaltsklausur: Prüfungswissen für das Assessorexamen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: Referendariat

Dinter / Jakob / Weisser Die Staatsanwaltsklausur: Prüfungswissen für das Assessorexamen


5., neu bearbeitete Auflage 2024
ISBN: 978-3-8114-9133-5
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: Referendariat

ISBN: 978-3-8114-9133-5
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
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Dieses Lernbuch für Referendare vermittelt strukturiert und prägnant den gängigen strafprozessualen Prüfungsstoff staatsanwaltlicher Assessorklausuren. Entlang der verschiedenen Klausurprüfungspunkte werden die ausbildungsrelevanten Vorschriften der StPO behandelt, wie sie den Autoren in der Auswertung zahlreicher Examensklausuren der letzten Jahre begegnet sind.Gegliedert in einen materiellen, einen prozessualen sowie einen abschließenden praktischen Teil sind insbesondere hinreichender Tatverdacht, Beweismittel und deren Verwertbarkeit, Anklage bzw. Einstellung sowie die verschiedenen Anträge und Verfügungen übersichtlich dargestellt. Fallbeispiele und Klausurtipps veranschaulichen dabei die Ausführungen und unterstützen den systematischen Zugang zu typischen Fallgestaltungen in der Staatsanwaltsklausur. Zahlreiche Formulierungshinweise sowie die regionalen Besonderheiten berücksichtigende Muster helfen beim Verfassen von Anklageschrift und Begleitverfügungen.
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Zielgruppe


Rechtsreferendare in der Examensvorbereitung

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Erster Abschnitt Prüfung des hinreichenden Tatverdachts
5 Der Prüfungsgegenstand im A-Gutachten ist der hinreichende Tatverdacht. Er liegt vor, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Beschuldigte in der Hauptverhandlung wegen einer Straftat verurteilt wird.[1] Der hinreichende Tatverdacht ist Voraussetzung für die Erhebung der Anklage, § 170 Abs. 1 StPO i.V.m. § 203 StPO und auch für den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, §§ 407 Abs. 1 S. 1, 408 Abs. 2 S. 1 StPO. Bevor der Beschuldigte aber angeklagt werden darf, muss ihm zuvor rechtliches Gehör gewährt werden, § 163a Abs. 1 S. 1 StPO. Ist das geschehen, wird der hinreichende Tatverdacht nur aus drei Gründen zu verneinen sein: • die Straftat ist nicht verfolgbar • die Handlung ist nicht strafbar • die Straftat ist nicht nachweisbar Alle genannten Gesichtspunkte müssen sich zwingend in der Prüfungsabfolge des hinreichenden Tatverdachts widerspiegeln. Zum weiteren Aufbau des Lehrbuchs: Im ersten Abschnitt werden die einzelnen Prüfungspunkte des hinreichenden Tatverdachts im Zusammenhang dargestellt. Im zweiten und dritten Abschnitt vertiefen wir gesondert die Strafverfolgungshindernisse sowie die – besonders klausurrelevante – Beweiswürdigung inklusive der wichtigen Beweisverwertungsverbote. A. Gewährung des rechtlichen Gehörs, § 163a StPO
6 In manchen Klausurakten fällt der Tatverdacht auf eine Person, die im Ermittlungsverfahren bislang allenfalls als Zeuge in Erscheinung getreten ist. Beispiel: In der Wohnung des B soll nach Aussage des A der B den C geschlagen haben. In der Beschuldigtenvernehmung lässt sich B ein, dass sich A zuvor gegen dessen Willen Zutritt zur Wohnung verschafft habe. Laut Akte wurde A bislang nur als Zeuge vernommen. 7 Der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts gegen A wegen § 123 Abs. 1 StGB steht im Beispiel § 163a Abs. 1 S. 1 StPO entgegen. Erst wenn dem Beschuldigten rechtliches Gehör gewährt worden ist, soll Anklage erhoben bzw. ein Strafbefehl beantragt werden.[2] Deshalb müssen Sie (vorbehaltlich anders lautender Anweisungen im Bearbeitervermerk) im B-Gutachten den Anfangsverdacht gem. § 152 Abs. 2 StPO gegen den Zeugen prüfen und die Einleitung des Strafverfahrens, insb. die verantwortliche Vernehmung der betreffenden Person als Beschuldigten, in der Abschlussverfügung verfügen. 8 Exkurs: Die Verdachtsstufen der StPO Die StPO kennt drei unterschiedliche Verdachtsstufen: • Anfangsverdacht: Er ist für die Aufnahme von Ermittlungstätigkeiten erforderlich. Er liegt vor, wenn nach kriminalistischer Erfahrung das Vorliegen einer Straftat möglich erscheint[3] bzw. zureichende tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, welche dafür sprechen, dass der zu untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat enthält.[4] Bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder nur denktheoretische Möglichkeiten reichen nicht aus.[5] Denselben Verdachtsgrad weist der sog. einfache Tatverdacht auf, der Voraussetzung für bestimmte Zwangsmaßnahmen ist, beispielsweise für die Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO).[6] • Hinreichender Tatverdacht wird bejaht, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte in einem künftigen Strafprozess verurteilt wird.[7] Wörtlich steht er in § 203 StPO, wonach der Richter nach Anklageerhebung nur bei diesem Verdachtsgrad das Hauptverfahren eröffnen darf. Da das Ziel der Anklageerhebung immer die Eröffnung des Hauptverfahrens sein wird, ist der Maßstab des § 203 StPO schon im Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage gem. § 170 Abs. 1 StPO maßgeblich und bindet damit auch den Staatsanwalt. • Dringender Tatverdacht: Für besonders eingriffsintensive Ermittlungshandlungen wie die Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO), die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) oder die Öffentlichkeitsfahndung (§ 131a Abs. 3 StPO) ist ein dringender Tatverdacht notwendig. Er ist gegeben, wenn der Beschuldigte nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand mit großer Wahrscheinlichkeit Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist.[8] B. Der Obersatz
9 Die Formulierung des Obersatzes weist Unterschiede zum 1. Staatsexamen auf. Zum einen ist der Prüfungsgegenstand nie die Strafbarkeit einer Handlung (nicht: „A könnte sich wegen (…) strafbar gemacht haben, indem (…)“), sondern stets nur der hinreichende Tatverdacht. Fehler an dieser Stelle wiegen schwer, weil Ihnen fehlendes Systemverständnis vorgeworfen werden könnte. Zum anderen wird in manchen Bundesländern wie in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt verlangt, dass Sie das Beweismittel nennen, das Sie zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts veranlasst.[9] Formulierungsbeispiel: „Die Aussage des Zeugen Bähre, der Beschuldigte A habe ihn geschlagen, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 223 Abs. 1 StGB.“ In Bundesländern wie NRW und im Bereich des Gemeinsamen Prüfungsamtes der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein (GPA) ist es hingegen üblich, dass Sie die zu prüfende tatsächliche Handlung benennen. Formulierungsbeispiel: „A könnte sich gem. § 223 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig gemacht haben, indem/wenn[10] er M schlug.“ 10 Wenn Sie die Tathandlung näher beschreiben, benutzen Sie – wie auch bei der Bezeichnung der Abschnitte im A-Gutachten – nie Rechtsbegriffe; diese gilt es erst noch zu prüfen. Falsch: „Die Aussage des Zeugen B, der Beschuldigte A habe ihm das Handy weggenommen, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 242 Abs. 1 StGB.“ Richtig: „Die Aussage des Zeugen B, der Beschuldigte A habe Bs Handy in die eigene Jackentasche gesteckt, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 242 Abs. 1 StGB.“ Nach dem Obersatz sollten Sie den hinreichenden Tatverdacht einmalig in der Klausur definieren. C. Vorliegen von Strafverfolgungshindernissen
11 Bevor Sie in die Deliktsprüfung einsteigen, denken Sie, wie in der Praxis auch, zunächst an das Vorliegen etwaiger Strafverfolgungshindernisse bzw. -voraussetzungen, die Sie nur ansprechen, sofern hierzu Anlass besteht. Es gibt personenbezogene (z.B. Strafunmündigkeit, § 19 StGB) und sachbezogene (z.B. anderweitige Rechtshängigkeit) Strafverfolgungshindernisse bzw. -voraussetzungen. Typischerweise sind aber lediglich drei von ihnen in der Klausur relevant: • der Strafklageverbrauch • kein (wirksamer) Strafantrag bei absoluten Strafantragsdelikten • die Verjährung Liegt ein Strafverfolgungshindernis vor bzw. fehlt eine Strafverfolgungsvoraussetzung, ist der hinreichende Tatverdacht aus Rechtsgründen zu verneinen. Jede weitere Prüfung der Strafvorschrift verbietet sich sodann in der Klausur. Vertiefendes hierzu in Abschnitt 2. D. Prüfung des Delikts
12 Ist die Straftat verfolgbar, sind im nächsten Schritt die Voraussetzungen der Strafvorschrift zu prüfen. Das kennen Sie aus dem 1. Staatsexamen. 13 Im Tatbestand prüfen Sie wie gewohnt die Tatbestandsmerkmale des Delikts unter Auswertung des ermittelten Sachverhalts. Liegen Tatbestandsmerkmale unproblematisch vor (z.B. das Polizeiauto ist eine „fremde bewegliche Sache“ gem. § 242 Abs. 1 StGB), sollten Sie dies im Urteilsstil feststellen. Im 2. Staatsexamen gilt es in verstärktem Maße nur die problematischen Tatbestandsmerkmale im Gutachtenstil zu prüfen. Bei der Subsumtion müssen Sie die in Betracht kommenden Beweismittel würdigen und ggf. prüfen, ob sie prozessual verwertbar sind. Hier können Schwerpunkte der Klausur liegen. Vertiefendes hierzu in Abschnitt 3. Benannte minder schwere bzw. besonders schwere Fälle wie § 213 StGB oder § 246 Abs. 2 StGB sowie Tatbestände mit Regelbeispielen (insb. § 243 StGB) werden – wie auch Qualifikationen und Privilegierungen – in die Deliktsprüfung integriert.[11] Die erheblich verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB soll teilweise im...


Prof. Dr. Lasse Dinter, LL.M. ist Professor an der HSPV NRW, ehemaliger Staatsanwalt und ehemaliger Richter am Landgericht; Dr. Christian Jakob, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner sowie Lehrbeauftragter an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Prof. Dr. Niclas-Frederic Weisser, LL.M. ist Professor an der HfÖV Bremen und bildete als Staatsanwalt über viele Jahre Referendare aus.


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