E-Book, Deutsch, 450 Seiten
Reihe: Schwerpunktbereich
Weitemeyer / Maciejewski Unternehmensteuerrecht
2., neu bearbeitete Auflage 2024
ISBN: 978-3-8114-9147-2
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 450 Seiten
Reihe: Schwerpunktbereich
ISBN: 978-3-8114-9147-2
Verlag: C.F. Müller
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§ 1 Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensbesteuerung
A. Einleitung
1 Anders als der Titel dieses Lehrbuchs vermuten lassen könnte, gibt es in Deutschland keine einheitliche Unternehmensteuer. Unternehmerische Tätigkeiten unterliegen mehreren, teilweise verschiedenen Steuerarten und -gesetzen.[1] Dabei knüpft die subjektive Steuerpflicht auch nicht an das Unternehmen an, sondern an natürliche oder juristische Personen, die Träger eines Unternehmens sind und dieses betreiben.[2] 2 Das Lehrbuch befasst sich mit der Besteuerung unternehmerischer Erträge.[3] Dabei wird die Gewerbesteuer als kommunale Steuer auf den (objektivierten) Gewerbeertrag ausgeklammert.[4] Der Fokus der Ausführungen in §§ 2 bis 4 liegt auf der Belastung unternehmerischer Gewinne mit Einkommen- und Körperschaftsteuer. Den Schwerpunkt bildet die Besteuerung gewerblicher Tätigkeiten (siehe dazu insbesondere Rn. 56 ff., 364 ff.). Gleichwohl soll nicht unterschlagen werden, dass natürliche Personen, Personengesellschaften und Körperschaften auch andere Tätigkeiten ausüben können, die (im Rechtsverkehr) als unternehmerisch angesehen werden. Dabei handelt es sich um selbständige Arbeit im Sinne des § 18 EStG (siehe dazu Rn. 116 ff., 460 ff.) und Vermögensverwaltung im Sinne der §§ 20, 21, 22 Nr. 2 i.V.m. 23 EStG (siehe dazu insbesondere Rn. 798 ff.). Auf diese Einkunftsarten wird insbesondere im Rahmen der Darstellung des Steuerrechts der Personengesellschaften ebenso eingegangen. Für Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG, also insbesondere im Inland ansässige Kapitalgesellschaften, gilt die Besonderheit, dass alle Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind, § 8 Abs. 2 KStG (siehe noch im Detail unter Rn. 967 ff.). Die nachfolgende Darstellung des Systems der Unternehmensbesteuerung (siehe Rn. 3 ff.) beschränkt sich zur Vereinfachung auf den gedanklichen Normalfall, die Besteuerung gewerblicher Einkünfte. B. System der Unternehmensbesteuerung de lege lata
I. Überblick
3 Die Besteuerung unternehmerischer Erträge erfolgt in Deutschland nicht einheitlich für alle Unternehmen, sondern abhängig von der Rechtsform des Unternehmensträgers. 4 Natürliche Personen unterliegen mit ihren unternehmerischen Gewinnen als Einzelunternehmer der Einkommensteuer. Die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zur Qualifikation und Ermittlung der Einkünfte eines Einzelunternehmers sind zentral, weil sie aufgrund des Transparenzprinzips auch für das Steuerregime von Personengesellschaften gelten und für Körperschaften auf diese Vorschriften verwiesen wird (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 KStG) und nur das danach ermittelte Ergebnis wegen der Besonderheiten der jeweiligen Rechtsform modifiziert wird. 5 Körperschaften sind eigenständige Steuersubjekte. Zu den Körperschaften zählen insbesondere die Kapitalgesellschaften.[5] Körperschaft und Anteilseigner werden jeweils selbständig und grundsätzlich unabhängig voneinander besteuert (Trennungsprinzip). Die von der Körperschaft erwirtschafteten Gewinne unterliegen der Körperschaftsteuer. Wenn und insoweit die Gewinne an die Anteilseigner ausgeschüttet werden, unterliegen sie dem Grunde nach bei ihnen – abhängig von ihrer Rechtsform – einer (erneuten bzw. ergänzenden) Besteuerung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer. 6 Demgegenüber sind Personengesellschaften kein eigenes Einkommen- oder Körperschaftsteuersubjekt. Vielmehr wird der auf Ebene der Gesellschaft erzielte Gewinn zwischen den Gesellschaftern verteilt und dann von diesen nach den für sie jeweils einschlägigen Regelungen versteuert. Die Gewinne unterliegen also entweder der Einkommen- (soweit natürliche Personen beteiligt sind) oder der Körperschaftsteuer (soweit Körperschaften beteiligt sind). Ist an einer Personengesellschaft eine andere Personengesellschaft beteiligt (doppelstöckige Personengesellschaft), werden die Gewinne den Gesellschaftern der Obergesellschaft zugerechnet. Dass es für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht auf die Personengesellschaft, sondern auf die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter ankommt, bezeichnet man als Transparenzprinzip. 7 Die rechtsformabhängige Besteuerung der Erträge von Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften ist kein Spezifikum des deutschen Rechts. Das Trennungsprinzip bei Kapitalgesellschaften entspricht weltweit dem Standard. In einigen Staaten unterfallen Personengesellschaften ebenfalls der Körperschaftsteuer und dem Trennungsprinzip; in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden sie steuerlich aber überwiegend transparent behandelt.[6] Einige Jurisdiktionen gewähren Personen- und/oder Kapitalgesellschaften eine Wahlmöglichkeit über ihre steuerliche Behandlung. So können einerseits Personengesellschaften in den USA für die Anwendung des Trennungsprinzips optieren, sogenannte kleine Kapitalgesellschaften bzw. ihre Gesellschafter können andererseits eine Besteuerung nach dem Transparenzprinzip wählen (sog. Check-the-Box-Verfahren). In Deutschland wird mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.2021[7] erstmals Personengesellschaften bzw. ihren Gesellschaftern eine Option zur Körperschaftsbesteuerung eingeräumt (dazu eingehend unten unter Rn. 50, 918 ff.). 8 De lege lata bietet die unterschiedliche Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften den Unternehmen vor allem Gestaltungsspielraum. Da zivilrechtlich (insbesondere bei Personengesellschaften) das Innenverhältnis der Gesellschaft weitgehend gestaltbar ist und die Rechtsformen einander angenähert werden können, können die unterschiedlichen steuerrechtlichen Folgen ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Rechtsformwahl sein. Teilweise finden sich aber Regelungen, mit denen bestimmte Gestaltungen beschränkt werden, um das insgesamt verfolgte und verfassungsrechtlich gebotene Ziel einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu verwirklichen (z.B. die Verlustausgleichsbeschränkungen bei Einkünften eines zivilrechtlich beschränkt haftenden Gesellschafters nach § 15a EStG, siehe dazu im Detail unter Rn. 779 ff.). II. Einfachrechtliches System, typisierte Steuerbelastung
1. Grundsätzliche Systematik und Bemessungsgrundlage
9 Die augenfälligste Differenzierung der Unternehmensbesteuerung liegt in der Anwendbarkeit des Einkommensteuergesetzes allein auf natürliche Personen und des Körperschaftsteuergesetzes auf Körperschaften andererseits. 10 Das Einkommen der Körperschaften wird getrennt vom Einkommen der Anteilseigner besteuert, das heißt, es findet grundsätzlich keine Verrechnung von Verlusten der Körperschaft mit Gewinnen des Anteilseigners und vice versa statt.[8] Die dem Gesellschafter eines Personenunternehmens zuzurechnenden Einkünfte aus der Gesellschaft werden hingegen grundsätzlich mit seinen übrigen Einkünften ver- bzw. zusammengerechnet (§ 2 EStG).[9] 11 Die Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Körperschaftsteuer wird im Grundsatz nach den gleichen Vorschriften ermittelt, da § 8 Abs. 1 S. 1 KStG zur Bestimmung des Einkommens einer Körperschaft auf die Regelungen des Einkommensteuergesetzes verweist. Damit sind insbesondere die Regelungen des Bilanzsteuerrechts der §§ 4 bis 7i EStG bedeutsam. Der wichtigste systematische Unterschied auf Ebene der Bemessungsgrundlage liegt in der Behandlung der Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter: 12 Schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen einer Körperschaft und ihren Anteilseignern werden steuerlich grundsätzlich wie Verträge zwischen fremden Dritten behandelt. Das heißt, dass Betriebsausgaben bzw. -einnahmen der Körperschaft aus diesem Leistungsverhältnis die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage mindern bzw. erhöhen. Einkünfte des Anteilseigners aus einer solchen Vereinbarung unterliegen bei ihm der Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Sie sind autonom zu qualifizieren; das heißt beispielsweise, dass Einnahmen des Anteilseigners aus einer Tätigkeit als Angestellter der Körperschaft als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG behandelt werden. Überlässt der Gesellschafter der Gesellschaft ein Wirtschaftsgut zur Nutzung, bleibt es grundsätzlich Privatvermögen des Gesellschafters; Einnahmen aus der Nutzungsüberlassung sind nach §§ 20 ff. EStG steuerbar (zur abweichenden Beurteilung bei einer Betriebsaufspaltung siehe Rn. 100 ff.). Wenn und soweit eine Leistungsbeziehung zwischen der Körperschaft und dem Anteilseigner allerdings nicht fremdüblich ausgestaltet ist, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung oder verdeckte...