Buch, Deutsch, 160 Seiten, HALBLN, Format (B × H): 105 mm x 180 mm, Gewicht: 201 g
Reihe: Lilienfeldiana
Buch, Deutsch, 160 Seiten, HALBLN, Format (B × H): 105 mm x 180 mm, Gewicht: 201 g
Reihe: Lilienfeldiana
ISBN: 978-3-940357-18-2
Verlag: Lilienfeld Verlag
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Dr. Ferdinand Nuttinger kam jeden Tag pünktlich um neun Uhr ins Büro und arbeitete langsam, aber fast ohne Unterbrechung bis Schlag vier Uhr. Ohne von Haus aus fleißig zu sein oder für seine Beschäftigung ein besonderes Interesse zu haben, hatte er sich mit der Zeit so an seinen Dienst gewöhnt, daß er völlig in ihm aufging. Das Gefühl der absoluten Wichtigkeit seines beschränkten Wirkungskreises hatte ihn allmählich mit einem Mantel von Selbstzufriedenheit und Überlegenheit gegen alle anderen Menschenklassen umwoben, wie man das in Beamtenkreisen, besonders bei erblich belasteten Individuen, deren Vorfahren auch schon Staatsbeamte gewesen sind, häufig genug beobachten kann.
Sein Leben außerhalb der Amtsstuben war für ihn eigentlich nur eine zwecklose Pause, die er zur Not mit Essen, Biertrinken und Schlafen ausfüllte. Seine wenigen Gedanken bewegten sich mit mäßiger Geschwindigkeit in den ausgefahrenen Bahnen eines gutgenährten Gewohnheitsmenschen. Seelische
Emotionen kannte er nur aus Polizeirelationen und aus einigen Operetten, von denen er übrigens, wie von der Literatur überhaupt, nicht viel hielt. Dagegen hatte er eine kleine Monographie „Über die teilweise Veränderung der Verordnung von 1876 betreffend die verkehrspolizeilichen Vorschriften beim Transporte von Leichen auf öffentlichen Überfuhren“ verfaßt, die in Fachkreisen einige Anerkennung gefunden hatte und auf die er nicht wenig stolz war.
Von den Frauen wußte er, daß die schönsten in der Regel auch die teuersten sind, und hatte sich mit seinen vierzig Jahren ihnen gegenüber jene lebensgefährliche theoretische Überlegenheit bewahrt, die eine Folge der vollständigen Unkenntnis des Wesens dieser süßen und komplizierten Geschöpfe darstellt. „Mich kriegt keine dran, mich nicht“, pflegte er zu sagen.