Seine kühnen Prosaexperimente wurden von der zeitgenössischen Kritik sofort gerühmt, trotzdem ist Paul Adlers Werk später nur verstreut in Anthologien veröffentlicht und noch bis heute zu wenig beachtet worden. In jüngster Zeit mehren sich allerdings die Stimmen, die endlich die einzigartige Sprachkunst Adlers würdigen. Seine wichtigsten Bücher, Elohim, Nämlich und Die Zauberflöte, gehören ohne jeden Zweifel in eine Reihe mit den bedeutendsten Erzählexperimenten der deutschen Literatur der Moderne, sie sind Benns "Der Garten von Arles" und "Kafkas Beschreibung eines Kampfes", was Raffinesse der Komposition, Musikalität und suggestiven Klangzauber angeht, ebenbürtig. Selten wurde radikaler mit den konventionellen Erzählgesetzen, mit Zeit- und Handlungsordnungen gebrochen, um noch den verschlungensten Bewusstseinsvorgängen der Protagonisten mit größtmöglicher sprachlicher Virtuosität zu folgen. Adlers Prosa ist frei von Zwängen, sie überrascht die Leser, sie ist "absolute Prosa" (Gottfried Benn).
Adler / Zittel
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Ich weiß wirklich nicht, warum ich seit einiger Zeit so abgerissen in meinen Niederschriften bin. Mein Gedächtnis leidet zusehends. Ich merk es auch schon beim Geigen mir bekannter Stücke. Und doch trinke ich jetzt überhaupt nicht mehr. Ich bin mir selbst schon vollkommen mysteriös. Ich will es gestehn, ich war gestern sogar bei einem Arzt. Für tadellos gesund erklärte er mich. Als er hörte, daß ich nicht mehr trinke, lobte er mich ausnehmend. Er lud mich auch ein, später einmal wiederzukommen. Denn vorläufig brauche ich niemand. Es ist aber etwas auf meinem Grunde, was nicht den Arzt, sondern vielleicht einen Zauberer verlangt. Es rauscht in mir wie in der Muschel fern von dem Meere. Aber Zauberer gibt es doch seit Hoffmann nicht mehr.
Paul Adler, 1878 in Prag im jüdischen Ghetto geboren, studierte von 1896 bis 1900 in seiner Heimatstadt Jura und war danach für kurze Zeit in Wien als Rechtspraktikant tätig. Als er gegen eine Näherin, die von den Siemens-Werken verklagt worden war, juristisch vorgehen sollte, weigerte er sich und gab seinen Beruf auf, um fortan als freier Schriftsteller und Übersetzer meist in Italien und ab 1912 in der Künstlerkolonie Hellerau bei Dresden zu leben. Adler war pazifistischer Aktivist und gründete 1918 die "Sozialistische Gruppe geistiger Arbeiter". 1921 begann er in Prag als Redakteur für die Prager Presse zu arbeiten, 1923 kehrte er nach Hellerau zurück. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit der japanischen Literatur, zu der er eine Literaturgeschichte mit Textbeispielen und ein Sachwörterbuch publizierte. 1933 musste er vor den Nazis, die ihn zusammengeschlagen hatten, nach Prag fliehen, wo er später den Krieg in einem Versteck überleben konnte. 1946 starb er an den Folgen eines zweiten Schlaganfalls.