E-Book, Französisch, Deutsch, 150 Seiten
Alfa / Elwert / Nix Theater in Afrika II - Theaterpraktiken in Begegnung
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95749-316-3
Verlag: Theater der Zeit
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kooperation zwischen Togo, Burundi, Tansania und Deutschland
E-Book, Französisch, Deutsch, 150 Seiten
ISBN: 978-3-95749-316-3
Verlag: Theater der Zeit
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Während der Intendanz von Christoph Nix pflegte das Theater Konstanz in den Jahren 2008 bis 2020 vielfältige Partnerschaften mit afrikanischen Theatergruppen und Compagnien. Dieser Austausch hat das Verständnis der Beteiligten von der Vielfalt der Theaterpraktiken nachhaltig verändert. Der vorliegende Sammelband unternimmt den Versuch, Praktiken und Arbeitsweisen mehrperspektivisch zu beschreiben, um Einblicke in die aktuelle Situation des Theaters in Togo, Burundi und Tansania zu ermöglichen. Wer macht mit wem in welchem Kontext welches Theater? Wodurch zeichnen sich die Arbeitsweisen der Theatermacher*innen und ihrer künstlerischen Infrastrukturen aus? Und welche kulturpolitischen Visionen gibt es für die Zukunft der Theaterkunst? Entre 2008 et 2020, le Theater Konstanz, dirigé par Christoph Nix, a mis en place plusieurs partenariats avec différentes compagnies et troupes de théâtre africaines. Autant d'échanges qui ont profondément modifié la vision de l'ensemble des parties prenantes quant à la diversité des pratiques du théâtre. Ce recueil de textes s'est donné pour but de décrire, en faisant varier les perspectives, différentes pratiques et méthodes de travail, afin de livrer un aperçu de la situation actuelle du théâtre au Togo, au Burundi et en Tanzanie. Qui fait quel théâtre, avec qui, et dans quel contexte ? E quoi se distinguent les infrastructures et méthodes de travail de ces hommes et femmes de théâtre ? Et quel sort les politiques culturelles réservent-elles à l'avenir du théâtre dans ces pays ?
Ramsès Bawibadi Alfa ist Regisseur, Schauspieler und Autor. Er gründete 1996 die Compagnie Louxor de Lomé. Im Jahr 2007 war er Stipendiat des Internationalen Forums der Berliner Festspiele. Mit dem Theater Konstanz verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit, in der er Inszenierungen und Projekte in Togo und Deutschland mit internationalen Ensembles erarbeitete. Ramsès Bawibadi Alfa est metteur en scène, comédien et auteur. Il fonde la compagnie Louxor de Lomé en 1996. En 2007, il est boursier du Forum international du Berliner Festspiele. Il a travaillé avec le Theater Konstanz pendant de nombreuses années, réalisant des productions et des projets au Togo et en Allemagne avec des troupes internationales. Elisa Elwert ist Dramaturgin. Sie studierte in Hamburg, Hildesheim und Marseille Medienwissenschaften, Ethnologie und Kulturvermittlung des Theaters. Internationale Arbeiten führten sie nach Tunesien, Montenegro, Frankreich und Togo. Sie war von 2018 - 2020 am Theater Konstanz tätig, wo sie u. a. federführend die togoisch-deutsche Kooperation betreute. Elisa Elwert est dramaturge. Elle a étudié les médias, l'ethnologie et la médiation culturelle du théâtre à Hambourg, Hildesheim et Marseille. Son travail international l'a conduite en Tunisie (JTC), au Monténégro, en France et au Togo. De 2018 à 2020, elle a travaillé au Theater Konstanz, où elle était responsable de la coopération entre le Togo et l'Allemagne. Christoph Nix ist Jurist und Intendant. Er studierte Rechts- und Politikwissenschaften in Gießen und promovierte 1988 an der Bremer Universität. Seitdem lehrt er Straf- und Bühnenrecht an Universitäten in Deutschland und in der Schweiz. In seiner Studienzeit erlernte er das Clownshandwerk und spielte bei Augusto Boal und Gardi Hutter. 1994 wurde er Intendant am Theater Nordhausen und später in Kassel. Seit der Spielzeit 2006/07 ist er Intendant des Theaters Konstanz. Er schreibt Romane und Essays, rechts- und theaterwissenschaftliche Fachaufsätze, führt gelegentlich Regie, schreibt Theaterstücke, filmt und arbeitet besonders gerne an Theatern auf dem afrikanischen Kontinent. Christoph Nix est avocat et directeur artistique. Il a étudié le droit et les sciences politiques à Gießen et enseigne le droit pénal et le droit de la scène dans des universités en allemands et suisses. En 1994 il devient directeur artistique du Théâtre Nordhausen, puis, de 1999 à 2004, du Staatstheater Kassel. Depuis 2006 il est directeur artistique du Theater Konstanz. Il écrit des romans, des essais et des pièces de théâtre, réalise des mises en scène et coopère depuis 14 ans avec des artistes originaires de Tanzanie, du Malawi, du Burundi et du Togo.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitung
von Christoph Nix, Ramsès Bawibadi Alfa und Elisa Elwert / Seite 7
Auf den Spuren des Kaisers – Ein Rechercheprojekt zur deutsch-togoischen Kolonialgeschichte
von Jonas Pätzold und Elisa Elwert / Seite 13
Comédie?Humaine 21st – Mit den Farben des Lachens unterwegs zwischen Konstanz und Bujumbura
von Georg Melich / Seite 22
Darstellende Künste in Tansania – Traditionelle Performancepraktiken und der koloniale Einfluss am Beispiel des TaSUBa Instituts
von Nkwabi Elias Ng'hangasamala / Seite 29
Togoisches Theater – Von doppelter finanzieller Abhängigkeit und Professionalisierung
von Ayayi Togoata Apédo-Amah / Seite 44
Von unterfinanzierter Theaterkultur und der Hoffnung auf Verbesserung – Ein kritischer Blick auf die Situation des togoischen Theaters
von Rodrigue Yao Norman / Seite 55
Grenzen verschieben – Reflexionen zu Identität und Visionen des togoischen Theaters
von Gaëtan Noussouglo / Seite 64
Bertolt Brecht in Afrika – So fern, so nah
von Ramsès Bawibadi Alfa / Seite 76
Über das Warten – En attendant Godot in Togo
von Christoph Nix / Seite 78
Theater ist wie täglich Brot – Über Widerstände, Missbräuche und Erfolge des Theaters in afrikanischen Ländern
von Johannes Nix / Seite 85
Die Stellung der Frau im togoischen Theater
von Hanifatou Salifou Dobila und Félicité Notson Kodjo-Atsou / Seite 96
Die Theaterliteratur des Kinder- und Jugendtheaters in Togo
von Kokouvi Dzifa Galley / Seite 106
Räume theatralen Ausdrucks in Togo – Institutionen, Infrastrukturen und Orte der Begegnung
von Joël Amah Ajavon / Seite 114
Oralität in Togo – Erzählkunst und mündliches Kulturerbe
von Allassane Sidibé / Seite 120
Im Herzen des Figurentheaters in Togo
von Simone Thon und Vicky Tsikplonou / Seite 127
In den Fußstapfen Augusto Boals. Das Theater der Unterdrückten – Ein Werkzeug für gesellschaftliche Veränderung?
von Arthur Banshayekó / Seite 136
Theater und psychisches Trauma in Burundi
von Désiré Tuyishemeze / Seite 144
Berichte, Kooperationen, Bestandsaufnahme Comptes rendus, coopérations, états des lieux
Auf den Spuren des Kaisers
Ein Rechercheprojekt zur deutsch-togoischen Kolonialgeschichte
Elisa Elwert & Jonas Pätzold Résumé en français: page 20 Seit 2009 arbeitet das Theater Konstanz eng mit der Compagnie Louxor de Lomé in Togo zusammen. Die Compagnie existiert seit 1996, ist als eingetragener Verein organisiert und formiert sich je nach Projekt aus einem Pool von verschiedenen Künstler*innen. Sie ist in der Hauptstadt Lomé, im ländlichen Raum um die Hauptstadt und überregional tätig. Das Theater Konstanz und die Compagnie Louxor kooperierten in den vergangenen zehn Jahren in zahlreichen Projekten und Gastspielen in Deutschland und in Togo. Ramsès Alfa, der Leiter der Compagnie, inszenierte in Konstanz bereits im Jahr 2009 Ein Bericht für eine Akademie (von Franz Kafka) und brachte zuletzt im Winter 2019 Ngunza – Der Prophet (von Rafael David Kohn) zur Uraufführung. Derzeit entsteht in Lomé auf einem durch den Verein Theater in Afrika e.V. finanzierten Grundstück ein Gebäude, das Probe- und Aufführungsräume für die Compagnie Louxor und assoziierte Künstler*innen bereitstellt. Als Schauspieler arbeitet Ramsès Alfa regelmäßig mit unterschiedlichen Regisseuren. In Lomé fanden wiederholt Kooperationen der beiden Theater statt: 2010 eine Inszenierung von Warten auf Godot in internationaler Besetzung, 2011 das Projekt Kinderkreuzzug, das sich auf brechtscher Basis thematisch mit Gewalt gegen Kinder und mit Kinderhandel auseinandersetzte, und zuletzt 2015 – 2020 das Projekt One coup for Kaiser, das sich mit der togoisch-deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzt und das im Fokus dieses Berichtes steht. Elisa Elwert hat es in der Wiederaufnahme als Dramaturgin und Projektleiterin betreut und Jonas Pätzold war als Schauspieler Teil des Projektes. Akassimé (Lomé), 10. Dezember 2016 Während die Sonne erbarmungslos auf den weiten Platz herunterbrennt, stehe ich umringt von freilaufenden Hühnern und Ziegen und warte auf meinen Auftritt. Der weiße Anzug – für die Premiere noch einmal gereinigt und gebügelt – ist schon gezeichnet von den Spuren des schwarzen Staubs, der unseren Spielort, einen ehemaligen Kohlenmarkt, bedeckt. Direkt neben mir auf dem Boden kocht eine Frau über einem Feuer ein einfaches Abendessen. Immer wieder schaut sie mich mit einem merkwürdig ausdruckslosen Gesicht an. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft hier in Lomé fühle ich mich völlig fehl am Platze und hoffe einfach, dass sie begreift, dass ich Teil einer Theateraufführung bin. Und auch, wenn die Deutschen in Togo anscheinend ein gutes Ansehen genießen, ist es mir wahnsinnig unangenehm, im Kolonialanzug samt Tropenhelm hier zu stehen. Rund um die gemeinsame Geschichte Togos und Deutschlands initiierte Ramsès Alfa das Kooperationsprojekt. Im Sommer 2015 entstand ein Theatertext, im Jahr darauf eine Straßentheaterinszenierung zur Auseinandersetzung mit dem Einfluss der gewaltsamen Kolonialregierung Deutschlands in Togo. Das Stück wurde 2016 in Togo mit den sechs togoischen Schauspieler*innen Akofa Kougbenou, Joseph Koffi Bessan, Jean Touglo, Marléne Douty, Sonia Akou Novinyo, Raoul Ketehouli und dem deutschen Schauspieler Jonas Pätzold vom Konstanzer Ensemble inszeniert. Regie führte Ramsès Alfa, die dramaturgische Betreuung lag bei Asmara Lechner (Theater Konstanz). Parallel zu den Proben fand eine theaterpädagogische Arbeit mit Kindern statt, die anschließend in die Inszenierung integriert wurden. Weiterhin waren Statist*innen an den Proben und am Inszenierungsprozess beteiligt, die unter der Leitung des Choreographen Raouf Tchakondo tänzerisch in die Inszenierung eingebunden wurden. Lomé, 29. November 2016 Die sogenannten Statisten sind integraler Bestandteil der Inszenierung. Die meisten von ihnen sind professionelle Musiker oder Tänzer und bringen eine wunderbare Energie und Dynamik in die sonst für ein Straßentheater recht textlastige Aufführung. Mich fasziniert es, mit welch unermüdlicher Freude die Kollegen trotz der herausfordernden Probenbedingungen die Choreographien wiederholen. Ich bin schon nach dem gemeinsamen Aufwärmen schweißgebadet und suche mir immer sofort ein Schattenplätzchen, von dem aus ich zuschauen kann, wenn ich nicht selbst dran bin. Während sich die Probenarbeit an den Spielszenen zunächst nicht groß von der in Deutschland unterschieden hat, kommen nun durch Musik und Tanz neue Elemente dazu, die dem Ganzen etwas Lebendiges und oft auch herrlich Groteskes verleihen. Ich merke, wie ich die Kolleg*innen etwas neidisch beobachte. Ich darf in meiner Rolle die meiste Zeit nur als stocksteifer deutscher Kolonialbeamter herumbrüllen und frage mich insgeheim, ob diese Darstellung überzogen ist oder nicht doch der damaligen Realität entspricht. Wie werden die togoischen Zuschauer wohl auf meine Rolle und die Inszenierung reagieren? Kurz vor Aufbruch zur Tournee in den Norden des Landes mit One coup for Kaiser. / Peu avant le départ en tournée dans le nord du pays avec One coup for Kaiser.
Foto: Moïse Pak Der kaiserliche Verwalter mit seinem Übersetzer und der lokalen Bevölkerung kurz vor seiner Flucht vor der Wut der Dorfbewohner. / L’administrateur impérial avec son traducteur et la population locale peu avant sa fuite devant la fureur des villageois.
Foto: Moïse Pak Die Premiere fand am 10. Dezember 2016 statt und wurde in und rund um Lomé mehrmals aufgeführt. Mit dem Ziel, das Projekt auch auf die abgelegeneren Regionen auszudehnen, wurde das Stück im März und April des Jahres 2019 wiederaufgenommen und ging auf Tournee. Die Reise führte weit in den Norden Togos, Spielorte waren ausschließlich Straßen und öffentliche Plätze in den größeren Städten Sokodé, Sotouboua, Atakpamé, Kpalimé, Assahoun und Lomé. An den einzelnen Orten fand eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Ansprechpartnern statt, was für die Mobilisierung und Generierung von Aufmerksamkeit auf das Theaterstück von zentraler Bedeutung war, genauso wie für die Akquise der Kinderstatist*innen. Über die Arbeit mit den Kindern kamen auch die Eltern in Kontakt mit dem Projekt und wurden zu interessierten Zuschauer*innen. Zu Beginn der Vorstellungen bestand das Publikum meist nur aus einigen wenigen Personen, im Verlauf der Aufführung wurden sukzessive Bewohner*innen und Passant*innen aus der unmittelbaren Umgebung aufmerksam – gegen Ende der Vorstellung hatten sich jedes Mal mehrere hundert Personen als Publikum versammelt. Sokodé, 02. April 2019 Immer wieder spähe ich im Off durch die Bastmatten, die uns als Kulissen dienen und kann kaum glauben, dass immer noch mehr Menschen hinzuströmen und stehen bleiben. Auch wenn ich dieses Phänomen von den Vorstellungen meines ersten Aufenthaltes schon kenne, wundere ich mich, ob die hinteren Zuschauer, die teilweise in die Bäume geklettert sind, um besser zu sehen, überhaupt noch etwas verstehen können. Die Stimmung ist unglaublich ausgelassen und die Zuschauer reagieren unmittelbar und lautstark auf das Bühnengeschehen. Sie lachen, grölen, empören sich, rufen dazwischen, feuern an … An einigen Stellen ist das Lachen des Publikums so ansteckend, dass ich mich auf der Bühne sehr zusammen nehmen muss, um nicht aus der Rolle zu fallen. Der Text entstand im Schreibatelier mit den Schriftsteller*innen Joël Amah Ajavon, Kokouvi Dzifa Galley, Marie-José Gbegbi, Jean Kantchebe, Séli Kodjovi-Numado, Ayao Edem Modjro aus Togo und dem mit dem Theater Konstanz assoziierten Schriftsteller Rafael David Kohn aus Luxemburg. Der Text befasst sich mit der togoisch-deutschen Geschichte zu Zeiten der deutschen Kolonialherrschaft. Durch die differenzierte Zeichnung der Figuren stellt er eindrücklich die verschiedenen (macht-)politischen Interessen der lokalen Bevölkerung und der deutschen Kolonialmacht in einem humoristischen Stil dar. Lomé, 26. November 2016 Der Text wurde im Schreibprozess komplett auf Französisch verfasst, doch schnell stellt sich bei den Proben heraus, dass sich das Nichtverstehen zwischen den Figuren nicht erklärt, wenn sowohl die Einheimischen im Stück, als auch der Deutsche und der zwischen ihnen vermittelnde Übersetzer dieselbe Sprache sprechen. Also entscheidet Ramsès, die meisten Szenen in Éwé zu spielen. Immer wieder gibt es längere Diskussionen zwischen den Spielern, wie man den ein oder anderen Satz wohl am besten formulieren kann. Die Wirkung ist jedenfalls verblüffend. Während die Szenen auf Französisch einfach nur glatt durchliefen, kringeln sich die Kollegen...