Armstrong | Nachts schwimmen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Armstrong Nachts schwimmen

Roman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-641-17366-1
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-641-17366-1
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Heißt lieben, immer die Wahrheit zu sagen?

Tagsüber kämpft Rachel um das Leben ihrer kranken Mutter, nachts entspannt sie sich beim Schwimmen. Eines Abends ist sie nicht allein. Auch Quinn, der Arzt ihrer Mutter, liebt es, in der Dunkelheit durchs Wasser zu gleiten. Jeden Tag fiebert Rachel nun dem Sonnenuntergang entgegen. Den Momenten, wenn sie nebeneinander ihre Bahnen ziehen, reden und sich näherkommen. Die leidenschaftliche Affäre ist unausweichlich, obwohl sie wissen, dass ihre Gefühle nicht sein dürfen. Denn Quinn ist mit Marianna verheiratet, und die wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind ...

Sarah Armstrong wurde in Australien geboren und studierte Journalismus. Danach arbeitete sie beim Radio und gewann den renommierten 'Walkley Award'. Zusammen mit ihrem Mann, der ebenso Schriftsteller ist, unterrichtet sie Kreatives Schreiben. Die Autorin hat eine kleine Tochter und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Sydney.

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1 als Rachel erwachte, trommelte Regen aufs Dach, jener vertraute und trostreiche Ozean aus Lärm. Irgendwo im dunklen Haus schlug eine Tür zu, und Rachel streckte die Hand aus, um ihre Lampe anzuknipsen, aber es gab keinen Strom. Sie tastete sich durch den dunklen Flur, ihre Finger glitten an den Wänden entlang, bis zum Zimmer ihrer Mutter, wo ein Blitz die sich bauschenden Vorhänge erleuchtete. Regen spritzte ins Zimmer, und der Teppich unter ihren Füßen war bereits feucht. Rachel schloss das klemmende Fenster. Das Gesicht ihrer schlafenden Mutter war totenblass. Rachel hasste es, wie schwer sie sich damit tat, dass ihre Mutter zum Sterben bereit war, bereit, Rachel zurückzulassen. »Bist du das, Darling?« »Ja, ich bin da.« Rachel trat zum Bett, und ihre Finger berührten die knochige Schulter ihrer Mutter. Ihre Mutter fingerte an der Nachttischlampe herum. »Wir haben Stromausfall, Mum. Ich werde die Kerze anzünden.« Als sie das Streichholz entfachte, erschütterte ein weiterer Donnerschlag das Haus. Sie stellte die Kerze auf die Kommode und legte sich neben ihre Mutter. War es das letzte Mal, dass sie so daliegen würden? Es war zu einer schrecklichen Angewohnheit geworden: Egal, ob sie Scrabble spielten oder sie ihrer Mutter einen Gutenachtkuss gab, immerzu dachte sie: Ist es das letzte Mal? »Du scheinst hellwach zu sein, Mum«, meinte Rachel. »Das bin ich nachts oft.« Ihre Mutter tätschelte Rachels Arm. »Dann sehe ich Scotty.« Rachels Herz schlug schneller. »Aha.« Am liebsten hätte sie gefragt, ob er glücklich aussehe. »Erinnerst du dich noch an die Nacht, als der Wagen auf dem Dorrigo Mountain liegen geblieben ist?« »Ja.« Jeden Tag stieß ihre Mutter auf eine Erinnerung, nicht selten Ereignisse, an die sich Rachel kaum erinnern konnte: das Kaninchenjunge, das sie vor einem Zuckerrohrbrand gerettet hatten, oder wie ihre Tante sich bei einem Kirchenpicknick unten am Fluss den Knöchel gebrochen hatte. Irgendwann demnächst würde ihre Mutter gewiss den Tag ansprechen, an dem Scotty gestorben war. Ihre Mum richtete den Kragen ihres Nachthemds. »Bei einem Unwetter fühlt sich jede wasserdichte Luftkammer sicher an, selbst ein Auto.« Rachels Dad war die sich windende Bergstraße hinaufgegangen, in der regnerischen Dunkelheit, auf der Suche nach einem Telefon, um den Abschleppdienst zu rufen. Rachel und Scotty und ihre Mum warteten im Auto, wo sie eine immer noch warme Lasagne direkt aus der Ofenform aßen, und der Regen zu laut auf das Autodach trommelte, als dass sie sich hätten unterhalten können. Die Finger ihres Bruders hatten kurz ihre berührt, und er hatte sie mit dem Ellbogen angestoßen, als sie ein Stück geschmolzenen Käse oben von der Lasagne schälte. »Scotty wollte eigentlich mit Dad mitgehen«, sagte Rachel. »Ja. Ich weiß nicht, warum ich solche Angst davor hatte, dass er bei Regen und Wind draußen ist.« Der Tremor im Arm ihrer Mutter setzte ein. »Schon wieder.« Rachel legte die Hand auf den kühlen Ellbogen ihrer Mutter. Draußen prasselte der Regen nieder, und sie stellte sich vor, wie die ehemals undichte Stelle in der Küche wieder aufging und sich das Wasser einen Weg durch all das Silikon bahnte, das ihr Dad unter das Wellblechdach gepumpt hatte. Emily räusperte sich, um den Regen zu übertönen. »Ich fürchte, dass niemand mehr da sein wird, der sich an meinen Jungen erinnert.« »Eines Tages wird niemand mehr da sein, der sich an irgendwen von uns erinnert.« Die Stimme ihrer Mutter bebte. »Aber ich möchte, dass man sich während der Zeit, die er gelebt hätte, an ihn erinnert.« »Ich werde mich an ihn erinnern.« Über ihnen klatschten Zweige und kleine Äste auf das Dach. »Woran erinnerst du dich?« »Oh … seine Haare und wie er gerannt ist.« Im Kerzenschein bewegte Rachel die Arme, um seinen langbeinigen Gang anzudeuten. Für seine acht Jahre war er groß gewesen. Natürlich wusste ihre Mutter, dass Rachel sich vor allem daran erinnerte, wie er tot ausgesehen hatte. Rachel hatte die Hoffnung aufgegeben, dass dieses Bild je verblassen würde. Die Nachttischlampe ging flackernd an, zu grell. Rachel griff über Emily hinweg und schaltete sie aus. »Seine Kleider und seine Sachen sind in der Garage«, sagte ihre Mutter. »Wir sollten sie weggeben.« »Du hast seine Kleider behalten?« Rachel versuchte, sich ihre Bestürzung nicht anhören zu lassen. »Kleider. Spielzeug. Bücher.« Emily sah sie nicht an. »Okay. Das können wir machen.« Der Regen ließ allmählich nach. »Möchtest du eine frische Unterhose anziehen?« Ihre Mutter nannte sie Windeln, aber Rachel brachte es nicht über sich. »Nein danke, Darling.« Die Geräuschkulisse aus Regen und Wind wurde von einem lauten Krachen aus dem Garten übertönt. Rachel stützte sich auf die Ellbogen, um aus dem Fenster sehen zu können, und tatsächlich, einen Augenblick später zeigte ein Lichtblitz, dass das Schuppendach fort war. Jetzt würde der Regen sich über die Regale ihres Vaters voller verstaubter Werkzeuge und halb leerer Farbeimer ergießen. »Was war das?«, fragte ihre Mutter. »Das Schuppendach.« »Oh.« Rachel half ihrer Mutter, sich umzudrehen, stand dann auf und schüttelte die Decke aus, die sich aufblähte, ehe sie sich wieder legte. Ihre Stimme stockte. »Wie alt ist Scotty, wenn du ihn siehst, Mum?« »Er ist acht. Wie damals.« »Und sieht er glücklich aus?« Ihre Mutter hielt inne. »Ja. Und nun geh schon, ab ins Bett mit dir.« Ihre Stimme war fester, als sie es in letzter Zeit gewesen war, ähnelte der Stimme, an die Rachel sich von früher erinnerte. »Gute Nacht.« Rachel blies die Kerze aus. »Gute Nacht, Darling.« Rachels Schlafzimmer lag hell erleuchtet da, denn aus dem Haus des Arztes nebenan strömte Licht. Nach dem Unwetter waren die Menschen in der ganzen Stadt wach. Rachel zog die Vorhänge zu, um das Licht abzuschirmen, und legte sich hin. Sie wusste, dass ihre Mum jeden Tag an Scotty und an Rachels Vater dachte. Wer würde an Rachel denken, wenn sie tot war? Dachte Karl jetzt an sie? Es war erstaunlich, wie schnell jemand, mit dem man nicht blutsverwandt war, aus dem eigenen Leben entschwand. Sie war vier Jahre lang neben Karl aufgewacht, und jetzt dachte sie tagelang nicht an ihn. Würde sich am Ende doch immer nur die Familie an einen erinnern? Die Luft hatte sich abgekühlt, und Rachel zog die Decke hoch. Als sie endlich die Augen schloss, sah sie ihren Vater, wie er sie in der Nacht, in der Scotty gestorben war, zu Bett gebracht hatte. Er hatte auf dem Boden gekniet und ihr über die Haare gestreichelt, während sich die Stille im Haus drückend auf sie legte. Er hatte es nicht ausgesprochen, aber Rachel wusste, dass ihr Anblick für ihre Mutter zu schrecklich gewesen wäre. Im Garten herrschte Chaos. Im fahlen Sonnenschein stieg Rachel barfuß über abgebrochene Zweige und den klebrigen Teppich aus feuchtem Laub. Sie betrachtete gerade den dachlosen Schuppen, als der neue Arzt ihrer Mutter zwischen den Büschen am Zaun auftauchte. Er trug ein zerknautschtes T-Shirt und Jeans und hielt eine Tasse in den Händen. »Guten Morgen!«, rief er. Sie wickelte ihren Baumwollmorgenmantel ein wenig fester um sich. »Morgen! Wie ist es Ihnen da drüben ergangen?« »Bloß eine überflutete Waschküche. Aber ich habe da etwas, das vermutlich Ihnen gehört.« »Etwa ein kleines rotes Dach?« »Ganz genau.« Er grinste. Seufzend ging sie auf den Zaun zu. Ja, da lag es, ordentlich in der Mitte seines Rasens platziert. »Ach, Mist.« Sie schwang die Beine über den Zaun und schob sich durch die nassen Äste. Jetzt standen sie gemeinsam da und betrachten das Dach und die Furchen im Rasen, wo es gelandet war. Seine schwarzen Badeschlappen versanken im schlammigen Gras, und sie lächelte über seine ordentlich geschnittenen Zehennägel und die bleichen Füße. Als er in der vergangenen Woche zum ersten Mal ihre Mutter besucht hatte, an einem stickig heißen Sommertag, hatte er eine Krawatte und eine wollene Anzughose getragen. Sie bückte sich und hob eine Ecke des Daches an. »Dad hat es vor Jahren zusammengezimmert. Keine Ahnung, warum es ausgerechnet gestern Nacht auf einmal davongeflogen ist.« Mit dem Badeschlappen tippte er an ein Rasenstück, das vom Dach aufgeworfen worden war. »Allerdings ein ziemlich kurzer Flug«, meinte er. »Wie ein Jungvogel, der das Nest zu früh verlassen hat.« »Genau.« Sie dachte an die verwahrlosten jungen Käuze, die sie früher immer im Park gefunden hatte. »Passen Sie auf Ihren Fuß auf.« Sie ließ das Dach wieder auf das Gras sinken. »Würden Sie mir helfen, es über den Zaun zu heben?« Er stellte seine Tasse auf dem zementierten Weg ab und ging in die Hocke, um das Dach anzupacken. Ein Zweig hatte sich in seinen dunklen Locken verfangen, und sie fragte sich, ob sie die Hand ausstrecken und ihn herausholen sollte. Er sah zu ihr auf. »Ich frage mich, wie Jungvögel sich zu ihrem ersten Flug überwinden können, obwohl sie noch nie zuvor geflogen sind?« »Sie sind wohl im Gegensatz zu uns Menschen nicht darauf programmiert, Angst davor zu haben, sich ins...


Armstrong, Sarah
Sarah Armstrong wurde in Australien geboren und studierte Journalismus. Danach arbeitete sie beim Radio und gewann den renommierten „Walkley Award“. Zusammen mit ihrem Mann, der ebenso Schriftsteller ist, unterrichtet sie Kreatives Schreiben. Die Autorin hat eine kleine Tochter und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Sydney.



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