E-Book, Deutsch, 216 Seiten
Reihe: zur Einführung
Aßländer Adam Smith zur Einführung
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96060-043-5
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 216 Seiten
Reihe: zur Einführung
ISBN: 978-3-96060-043-5
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3. Die Theorie der ethischen Gefühle
Dugald Steward, einer der ersten Biographen Adam Smiths, beschreibt die Aufgabe der Moralphilosophie in der smithschen Sichtweise als eine zweifache: Zum einen soll sie klären, vermittels welcher Eigenschaften wir in die Lage versetzt werden, überhaupt eine Vorstellung von Moral und Unmoral auszubilden. Zum Zweiten ist es die Aufgabe der Moralphilosophie, ihre Untersuchungsgegenstände zu analysieren, d.h. nach den gemeinsamen Eigenschaften dessen zu forschen, was wir als tugendhaft, richtig, gut etc. bezeichnen und was uns letztlich zum Handeln bewegt.94 Die klassische Frage der schottischen Moralphilosophie, die Smith mit seinen Lehrern Hume und Hutcheson teilt, lautet also: »Wie kommt es, dass wir gewisse Handlungen und Zustände missbilligen, und worauf begründen sich unsere Urteile über Recht und Unrecht? Die Methode, deren man sich bei diesen Untersuchungen bedient, ist die […] der Beobachtung und Erfahrung.«95 Smiths Hauptwerk gliedert sich in sieben Teile: Teil eins beschäftigt sich ausführlich mit den Gründen, warum wir die Affekte unserer Mitmenschen als angemessen oder unangemessen betrachten, und der Unterscheidung verschiedener Affekte, die dieses Urteil in unterschiedlichem Maße beeinflussen. Der zweite Teil ist der Frage nach Verdienst und Schuld gewidmet und erörtert dabei auch das Problem der Gerechtigkeit am Beispiel des allgemeinen Rechtsgefühls sowie den Einfluss des Zufalls auf unser Handeln. Der dritte Teil widmet sich unserem Urteil bezogen auf unser eigenes Verhalten. Hieran anschließend diskutiert Smith in einem vierten Teil den Einfluss der Nützlichkeit auf die Billigung oder Missbilligung einer Handlung. Teil fünf beschäftigt sich mit dem Einfluss von Brauchtum und Mode auf unser Gefühl der Billigung. In Teil sechs erörtert Smith das Wesen der Tugenden, wobei er insbesondere das Problem eines universellen Wohlwollens und das Thema Selbstbeherrschung zur Sprache bringt. Teil sieben schließlich ist der Abgrenzung seines eigenen philosophischen Systems von anderen Systemen gewidmet. 3.1 Zur Bedeutung der Sympathie
3.1.1 Das Wesen der Sympathie Für Adam Smith ist es eines der wesentlichsten Bestimmungsmerkmale des Menschen, Gefühle für seine Mitmenschen entwickeln zu können. »Man mag den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht, als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein.« (TM 1) Dabei meint der Begriff der Sympathie die generelle Fähigkeit des »Mitfühlen-Könnens«96, d.h., sich in die Lage des anderen zu versetzen und dessen Gefühle in der gegebenen Situation nachvollziehen zu können.97 Da wir keine unmittelbare Erfahrung von den Gefühlen anderer Menschen besitzen, ist die Vorstellung dessen, was wir selbst in der gegebenen Situation empfinden würden, der einzige Weg, um uns eine Vorstellung von den Gefühlen unseres Gegenübers zu machen. »Mag auch unser eigener Bruder auf der Folterbank liegen – solange wir selbst uns wohl befinden, werden uns unsere Sinne niemals sagen, was er leidet. Sie konnten und können uns niemals über die Schranken unserer eigenen Person hinaustragen, und nur in der Phantasie können wir uns einen Begriff von der Art seiner Empfindungen machen.« (TM 2) Erst wenn wir in der Phantasie den Platz mit dem Leidenden tauschen, sind wir in der Lage, mit ihm mitzufühlen. Dabei beschränkt sich die Fähigkeit des »Mitfühlen-Könnens« nicht allein auf das Leid unserer Mitmenschen, sondern schließt alle Arten von Affekten, deren das menschliche Gemüt fähig ist, ein. Der einzelne Beobachter ist in der Lage, Gefühle wie Freude oder Dankbarkeit, aber auch den Wunsch nach Vergeltung erlittenen Unrechts oder das Gefühl von Enttäuschung bei seinen Mitmenschen nachzuvollziehen (TM 4). Dennoch ist die eigene Sympathie nicht zwangsläufig identisch mit den Affekten, die der tatsächlich Betroffene in einer konkreten Situation entwickelt. Das Mitgefühl, das wir für die andere Person empfinden, entspringt vielmehr den Gefühlen, die wir in der gleichen Situation entwickelt hätten, wären wir an der Stelle des Betroffenen gewesen. Daher folgert Smith: »Sympathie entspringt also nicht so sehr aus dem Anblick des Affektes als vielmehr aus dem Anblick der Situation, die den Affekt auslöst.« (TM 6) Dies mag erklären, warum wir uns beispielsweise für einen anderen schämen können, obgleich dieser andere in der gegebenen Situation, sei es aus mangelndem Taktgefühl, sei es aufgrund seiner Erziehung, keinerlei Scham empfindet. Sympathie entfaltet dabei zunächst eine zweifache Wirkung: Zum einen empfindet es der Betroffene als befriedigend, Mitmenschen in seiner Nähe zu wissen, die seine Gefühle teilen und nachvollziehen können. Zum anderen ist es dem Nicht-Betroffenen offensichtlich ein Bedürfnis, den Betroffenen seines Mitgefühls zu versichern. Es scheint uns unangenehm, von Menschen umgeben zu sein, die unsere Gefühle nicht teilen können, wie es uns umgekehrt unangenehm erscheint, wenn wir mit dem Betroffenen, aus welchen Gründen auch immer, nicht sympathisieren können (TM 9-14). Letztlich beurteilen wir die Affekte der anderen anhand der von uns selbst in vergleichbaren Situationen empfundenen Gefühle. Zeigt unser Gegenüber ein in unseren Augen übertriebenes Maß an Freude oder ein zu großes Maß an Trauer, erscheint uns dies als übertrieben und entzieht sich damit unserer Billigung und Zustimmung. Diese Übereinstimmung der eigenen mit den fremden Gefühlen bildet für Smith die Grundlage der Billigung oder Nichtbilligung dieser Gefühlsäußerungen. »Derjenige, dessen Sympathie ebenso groß ist wie mein Kummer, wird nicht umhin können zuzugeben, dass mein Gram begründet und vernunftgemäß ist. Derjenige, der das gleiche Gedicht oder das gleiche Bild bewundert wie ich, und zwar es genau so bewundert wie ich, wird sicherlich einräumen müssen, dass meine Bewunderung berechtigt ist. […] Umgekehrt wird derjenige, der bei diesen verschiedenen Gelegenheiten keine derartige Gemütsbewegung empfindet wie ich oder doch keine, die in irgendeinem Verhältnis zu meinen Gefühlen stände, nicht umhin können, meine Empfindungen zu missbilligen, und zwar eben wegen ihrer Nichtübereinstimmung mit seinen eigenen.« (TM 15) Damit werden die eigenen Empfindungen zur Richtschnur für das Urteil über die Empfindungen der anderen. Das einzige Mittel, das der Mensch besitzt, die Fähigkeiten und Gefühlsregungen anderer Menschen zu beurteilen, ist der Vergleich mit seinen eigenen Fähigkeiten und Empfindungen (TM 19). Je nach dem Gegenstand, auf den sich die Gefühle unseres Mitmenschen richten, lassen sich dabei für Smith zwei Arten von Beurteilungen unterscheiden. (1) Im einen Falle beurteilen wir die Angemessenheit oder Unangemessenheit der Gefühle und Affekte unseres Gegenübers in Bezug auf einen neutralen Gegenstand und vergleichen dies mit den Gefühlen und Regungen, die derselbe Gegenstand in uns hervorruft. Die dabei beurteilten Gegenstände und Erscheinungen stehen in keinerlei Beziehung zu ihm oder zu uns. Stimmen unsere eigenen Gefühle bei der Betrachtung desselben Gegenstands mit den seinen überein, so sprechen wir unserem Gegenüber Geschmack oder Urteilsfähigkeit zu. Die Bewunderung dieser Eigenschaften resultiert dabei nicht aus dem Nutzen, den eine gute Urteilsfähigkeit oder ein feiner Geschmackssinn für denjenigen, der sie besitzt, bedeuten, sondern ergibt sich nach Smith allein aus der Tatsache, dass dieses Urteil oder dieses Geschmacksurteil sich mit unseren Vorstellungen in Einklang befindet (TM 19-22). (2) Davon zu unterscheiden sind Urteile, die wir über die Gefühle anderer in Bezug auf uns fällen. Hier fällt es uns naturgegeben schwerer, neutral zu urteilen, da sich Zuschauer und Betroffener in einer unterschiedlichen Ausgangssituation befinden. Das Unglück oder der Schmerz, der den einen trifft, betrifft diesen stets direkt, während der andere sich nur bemühen kann, dieses Unglück oder diesen Schmerz nachzuempfinden. Der Zuschauer muss sich bemühen, sich in die Lage des Betroffenen zu versetzen, um dessen Schmerz nachzufühlen; umgekehrt muss sich der Betroffene in die Lage des Zuschauers versetzen, um zu ermessen, was dieser noch nachvollziehen kann und was nicht, und seine Affekte auf eben jenes Maß herabstimmen, das der Zuschauer noch zu fassen in der Lage ist (TM 22-25). »Um diese Harmonie zustandezubringen, hat die Natur die Zuschauer gelehrt, sich in Gedanken in die Lage des zunächst Betroffenen zu versetzen, und ebenso hat sie diesen Letzteren gelehrt, sich wenigstens bis zu einem gewissen Grade in jene der Zuschauer hineinzudenken.« (TM 25) Je nach Vertrautheit und Art der Beziehung erwarten wir ein größeres oder geringeres Maß an Sympathie für unser Unglück und...