E-Book, Deutsch, 330 Seiten
Reihe: Reclam Taschenbuch
Austen Die schöne Cassandra
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-15-961208-9
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sämtliche Jugendwerke
E-Book, Deutsch, 330 Seiten
Reihe: Reclam Taschenbuch
ISBN: 978-3-15-961208-9
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jane Austen (16.12.1775 Steventon - 18.7.1817Winchester) gehört zu den bedeutendsten britischen Schriftstellerinnen aller Zeiten, die ihre Romane anonym unter dem Titel »by a lady« veröffentlichte. Austens Hauptwerke wie »Stolz und Vorurteil« und »Emma« zählen zu den Klassikern der englischen Literatur. Im Mittelpunkt ihres literarischen Werks steht vielfach die Zerrissenheit junger Damen des gehobenen ländlichen Bürgertums, die zwischen den Erwartungen des Adels und ihrer eigenen Vorstellung von Glück stehen.
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Henry und Eliza
Ein Roman Als Sir George und Lady Harcourt die Arbeit ihrer Heumacher beaufsichtigten, wobei sie den Fleiß der einen mit einem zustimmenden Lächeln belohnten und die Faulheit anderer mit dem Knüppel bestraften, entdeckten sie tief verborgen in einem der Heuhaufen ein hübsches kleines Mädchen, das nicht älter als drei Monate war. Gerührt von seinem bezaubernden Gesichtsausdruck und entzückt über die kindlichen, aber lebhaften Antworten auf ihre vielen Fragen, beschlossen sie, da sie keine eigenen Kinder hatten, das Mädchen mit nach Hause zu nehmen und mit Sorgfalt und unter erheblichen Kosten aufzuziehen. Da sie selber gute Menschen waren, betrachteten sie es als ihre erste und hauptsächliche Sorge, in Eliza eine Liebe zur Tugend und einen Hass auf das Laster zu wecken, worin sie so erfolgreich waren (Eliza neigte von Natur dazu), dass sie, als sie erwachsen wurde, der Liebling aller war, die sie kannten. Verwöhnt von Lady Harcourt, angebetet von Sir George und von aller Welt bewundert, lebte sie in einem Zustand ununterbrochenen Glücks, bis sie ihr achtzehntes Lebensjahr erreicht hatte. Dann wurde sie, als man sie eines Tages zufällig dabei entdeckte, wie sie einen 50-Pfund-Schein stahl, von ihren unmenschlichen Wohltätern aus dem Haus geworfen. Ein solcher Umschwung wäre für jemanden, der nicht Elizas edles und erhabenes Gemüt besaß, der Tod gewesen, sie aber, glücklich im Bewusstsein ihrer eigenen Vortrefflichkeit, unterhielt sich damit, während sie unter einem Baum saß, die folgenden Zeilen zu dichten und zu singen. Lied
Ob Unglück gleich mich jäh befallen mag,
Stets wird, so hoff’ ich, seine Hand ein Freund mir reichen,
Da ich mein Herz in aller Unschuld trag’
Und man an Tugend nirgends findet meinesgleichen. Als sie sich auf diese Weise mit dem Lied und ihren angenehmen Gedanken ein paar Stunden unterhalten hatte, erhob sie sich und machte sich auf den Weg nach M., einem Marktflecken, in dem ihre engste Freundin den Roten Löwen besaß. Zu dieser Freundin, der sie ihr erlittenes Unglück berichtet hatte, ging sie unverzüglich und teilte ihr ihren Wunsch mit, in der bescheidenen Rolle einer Gesellschafterin in eine Familie aufgenommen zu werden. Kaum hatte Mrs. Wilson, die die liebenswürdigste Person der Welt war, von ihrem Wunsch gehört, da setzte sie sich an ihren Ausschank und schrieb den folgenden Brief an die Herzogin von F., die sie unter allen Frauen am meisten schätzte. An die Herzogin von F.
Nehmen Sie bitte auf meinen Wunsch in Ihre Familie eine junge Frau von untadeligem Charakter auf, die so freundlich ist, Ihre Gesellschaft der Verpflichtung als Dienstmagd vorzuziehen. Eilen Sie und empfangen sie sie aus den Armen Ihrer Sarah Wilson Die Herzogin, die Mrs. Wilson aus Freundschaft jeden Wunsch erfüllt hätte, war über diese Gelegenheit, ihr einen Gefallen zu tun, so erfreut, dass sie sich unmittelbar nach Erhalt des Briefes zum Roten Löwen aufmachte, wo sie am selben Abend eintraf. Die Herzogin von F. war ungefähr 45 ein halb; ihre Gefühle waren stark, ihre Freundschaft treu und ihre Feindschaft unerbittlich. Sie war Witwe und hatte nur eine Tochter, die im Begriff war, mit einem Mann von beträchtlichem Vermögen die Ehe einzugehen. Kaum hatte die Herzogin unsere Heldin erblickt, da umschlang sie sie mit beiden Armen und erklärte sich so begeistert von ihr, dass sie beschloss, sich nie mehr von ihr zu trennen. Eliza war entzückt über die Beteuerungen der Freundschaft und begleitete nach einem überschwenglichen Abschied von Mrs. Wilson am nächsten Morgen die gnädige Frau zu ihrem Sitz in Surry. Mit den gewähltesten Ausdrücken der Wertschätzung stellte die Herzogin sie Lady Harriet vor, die so begeistert von ihrem Aussehen war, dass sie sie inständig bat, sie als ihre Schwester zu betrachten, was Eliza ihr mit dem größten Entgegenkommen versprach. Da Mr. Cecil, Lady Harriets Liebhaber, sich oft bei der Familie aufhielt, traf er auch häufig mit Eliza zusammen. So entwickelte sich eine wechselseitige Liebe; und als Mr. Cecil ihr seine zuerst gestand, überredete er Eliza zu einer privaten Trauung, die sich leicht arrangieren ließ, weil der herzogliche Kaplan, der selbst leidenschaftlich in Eliza verliebt war, ihr zweifellos jeden Wunsch erfüllt hätte. Als die Herzogin und Lady Harriet eines Abends bei einer Gesellschaft waren, nahm das junge Ehepaar die Gelegenheit ihrer Abwesenheit wahr und wurde von dem verliebten Kaplan getraut. Als die Damen zurückkehrten, fanden sie zu ihrem Erstaunen statt Eliza folgende Zeilen. Madam,
Wir sind verheiratet und verschwunden. Henry und Eliza Cecil Kaum hatte die gnädige Frau den Brief gelesen, der die ganze Affäre hinreichend erklärte, bekam sie einen Tobsuchtsanfall; und nachdem sie sich damit eine angenehme halbe Stunde bereitet und Eliza mit allen schockierenden Namen belegt hatte, die ihre Wut ihr eingab, schickte sie 300 bewaffnete Männer mit dem Befehl hinter ihnen her, nicht ohne die beiden Übeltäter – tot oder lebendig – zurückzukehren; sie beabsichtigte, sie, falls die beiden noch am Leben waren, nach einigen Jahren Gefängnis auf qualvolle Weise in den Tod zu befördern. Währenddessen setzten Cecil und Eliza ihre Flucht auf den Kontinent fort, den sie wegen der grässlichen Folgen der herzoglichen Rache, die sie so viel Grund zu fürchten hatten, für sicherer hielten als ihr Heimatland. Sie blieben drei Jahre in Frankreich; während dieser Zeit wurden sie Eltern zweier Jungen, und dann wurde Eliza Witwe ohne jeden Lebensunterhalt für sich oder ihre Kinder. Sie hatten seit ihrer Heirat 18000.– Pfund pro Jahr ausgegeben, wovon Mr. Cecils Besitz nur etwas weniger als ein Zwanzigstel ausmachte; daher hatten sie kaum etwas sparen können, sondern ihr Einkommen völlig aufgebraucht. Eliza war sich ihrer zerrütteten Finanzen völlig bewusst und segelte sofort nach dem Tod ihres Mannes in einem Kriegsschiff mit 55 Kanonen, das sie in besseren Tagen gebaut hatten, nach England zurück. Aber kaum hatte sie in Dover, an jeder Hand ein Kind, den Fuß an Land gesetzt, da wurde sie von den Schergen der Herzogin ergriffen und in ein schmuckes kleines Gefängnis der gnädigen Frau geführt, das diese für den Empfang ihrer eigenen privaten Gefangenen errichtet hatte. Sobald Eliza ihr Verlies betreten hatte, war ihr erster Gedanke, wie sie ihm entfliehen könne. Sie ging zur Tür, aber diese war verschlossen. Sie sah zum Fenster, aber es war mit Eisenstäben vergittert. In ihren Erwartungen enttäuscht, wollte sie schon alle Hoffnung auf eine Flucht aufgeben, als sie zu ihrem Glück in einer Ecke ihrer Zelle eine kleine Säge und eine Strickleiter entdeckte. Sofort ging sie mit der Säge zu Werk und hatte in ein paar Wochen alle Stäbe außer einem beseitigt, an dem sie die Leiter befestigte. Eine Schwierigkeit ergab sich allerdings, die zu lösen ihr zunächst nicht gelang. Ihre Kinder waren zu klein, um allein die Leiter hinunterzuklettern, aber sie konnte sie auch nicht in ihren Armen halten, wenn sie es tat. Schließlich entschloss sie sich, alle ihre Kleider – und sie hatte eine riesige Menge – hinunterzuwerfen. Dann gab sie den Kindern den strikten Befehl, sich nicht wehzutun, und warf sie hinterher. Sie selbst kletterte die Leiter mühelos hinab und fand unten zu ihrer Freude ihre kleinen Jungen bei bester Gesundheit und in tiefem Schlaf. Nun stand sie vor der verhängnisvollen Notwendigkeit, ihre Garderobe zu verkaufen, um sich selbst und ihre Kinder am Leben erhalten zu können. Mit Tränen in den Augen trennte sie sich von diesen letzten Überbleibseln ihrer früheren Pracht, und mit dem Geld, das sie dafür bekam, kaufte sie nützlichere Dinge – ein paar Spielsachen für ihre Jungen und eine goldene Uhr für sich. Aber kaum war sie mit den obengenannten nötigen Artikeln versorgt, als sie feststellte, dass sie ziemlich hungrig war, und da ihre Kinder schon zwei ihrer Finger abgebissen hatten, hatte sie Grund zu der Annahme, dass sie sich in derselben Lage befanden. Um dieses unvermeidliche Unglück zu lindern, entschloss sie sich, zu ihren alten Freunden, Sir George und Lady Harcourt, zurückzukehren, deren Großmut sie so oft erfahren hatte und wieder zu erfahren hoffte. Sie musste ungefähr 40 Meilen zurücklegen, bevor sie deren gastfreundliches Haus erreichte; aber nachdem sie ohne Unterbrechung 30 Meilen gewandert war, fand sie sich am Eingang einer Stadt, zu der sie in glücklicheren Zeiten Sir George und Lady Harcourt oft begleitet hatte, wenn diese sich dort in einem Gasthof einen kalten Imbiss schmecken ließen. Der Gedanke an die Abenteuer, die sie erlebt hatte, seit sie zum letzten Mal an diesen Schmausereien teilgenommen hatte, beschäftigte sie einige Zeit, während sie auf den Stufen zum Haus eines Gentleman saß. Nach Abschluss dieser Überlegungen stand sie auf und beschloss in der Hoffnung, von den aus und ein gehenden Gästen eine milde Gabe zu erhalten, sich vor genau dem Gasthof zu postieren, an den sie sich mit so viel Vergnügen erinnerte. Sie hatte gerade erst ihren Platz an der Einfahrt zum Gasthof eingenommen, als eine Kutsche herausfuhr und an der Ecke, wo sie stand, anhielt, um dem Kutscher Gelegenheit zu geben, die schöne Aussicht zu bewundern. Eliza trat an die Kutsche, um ein Almosen zu erbitten, als sie beim Anblick der Dame im Innern ausrief: »Lady Harcourt!« Worauf die Dame erwiderte:...