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E-Book, Deutsch, Band 16, 288 Seiten

Reihe: Chefober Leopold W. Hofer

Bauer Kaffeebeichte

Wiener Kaffeehauskrimi

E-Book, Deutsch, Band 16, 288 Seiten

Reihe: Chefober Leopold W. Hofer

ISBN: 978-3-8392-7704-1
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die Studenten Klaus Kastner und Erwin Lamprecht stellen Gästen des Café Heller für ein literarisches Projekt persönliche Fragen. Doch daraus wird tödlicher Ernst. Lamprecht erzählt Oberkellner Leopold, dass er an einer Mordgeschichte dran sei. Kurz darauf wird er auf einer Parkbank am Kinzerplatz gefunden - erdrosselt mit seinem eigenen Schal. In derselben Nacht stirbt auch die kränkelnde Pensionistin Elvira Achleitner. Leopold vermutet einen Zusammenhang, doch je länger er ermittelt, desto komplizierter gestaltet sich der Fall.
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Kapitel 1
Dienstag, 15. März, Nachmittag »Was sind die wichtigsten Eigenschaften eines Oberkellners?«, fragte Klaus Kastner neugierig. »Und das kommt garantiert nicht in die Zeitung? Oder ins Internet? Oder sonst wie an die Öffentlichkeit?«, vergewisserte sich Leopold W. Hofer, der Oberkellner des Café Heller. Er saß Kastner dabei kurz vor seinem nachmittäglichen Dienstantritt bereits in Arbeitslivree – Smoking, weißes Hemd und schwarzes Mascherl – an einem Fenstertisch des Kaffeehauses gegenüber. »Aber nein, ich hab’s dir doch vorhin erklärt«, bemühte sich der etwa 30-jährige dunkelhaarige und ständig unrasierte Kastner, ihn zu beruhigen. »Diese Aufzeichnungen sind zunächst nur für mich. Später werde ich sie literarisch verarbeiten, zu einer kleinen Skizze oder einem Teil einer Erzählung. Ich bearbeite das Ganze dann allerdings dementsprechend, sodass niemand mehr erkennen kann, dass es sich um deine Antworten in unserem kleinen Gespräch hier handelt.« »Aha«, vermerkte Leopold skeptisch. »Schau her, ich zeichne nichts von unserer Unterhaltung mit einem Gerät auf, ich mache mir nur Notizen«, redete Kastner weiter auf ihn ein. »Im schlimmsten Fall frage ich dich später noch einmal, wenn mir etwas nicht klar ist.« »Na gut«, gab Leopold kopfnickend seine Zustimmung. »Also: Was sind nach deiner Meinung die wichtigsten Eigenschaften eines Oberkellners?« Leopold dachte kurz nach, holte tief Luft und erwiderte dann: »Auskennen muss er sich. Das ist das ganze Geheimnis.« Kastner wirkte etwas ratlos. »Kannst du das ein wenig genauer ausführen?«, bat er. »Er muss die Ware kennen, die er verkauft«, begann Leopold daraufhin. »Also natürlich die verschiedenen Arten der Kaffeezubereitung oder die geschmacklichen Eigenschaften der angebotenen Weine. Es wäre auch nicht schlecht, wenn er den täglichen Mittagsteller kostet, damit er Bescheid weiß. Oder die Gulaschsuppe wegen ihres Schärfegrades, der immer wieder einmal wechseln kann. Manche Gäste sind da sehr heikel. Überhaupt muss ein guter Oberkellner seine Klientel genau kennen«, holte er weiter aus. »Die Gewohnheiten der Stammgäste, und was sie konsumieren. Vor allem, wie sie ihren Kaffee haben wollen oder ihr Frühstücksei. Da gibt es erstaunliche Unterschiede in den Härte- beziehungsweise Weichheitsgraden. Beim Ham and Eggs ist es besonders haarig. Bei manchen muss der Dotter noch zittern, wenn sie ihn anschneiden, bei anderen bereits eine leicht milchige Farbe angenommen haben. Das ist alles zu berücksichtigen.« »Wie schaut es mit der Ordnungsliebe aus? Die bedeutet dir ja viel«, wechselte Kastner zum nächsten Punkt. »Ohne Ordnung geht nichts im Kaffeehaus«, bestätigte Leopold. »Die Tische der Stammgäste sind freizuhalten, und auch sonst hat alles seinen Platz und seine Zeit. Und ein gewisses Benehmen ist vonnöten. Da wird nicht herumgeschrien, gesungen oder getanzt. Man kann sich nicht so aufführen, wie es einem gerade passt. Man ist heiter, aber nicht ausgelassen, locker, aber höflich. Im Grunde sollte man das niemandem erklären müssen. Man kennt die anderen und man hat den Überblick. Damit ergibt sich normalerweise alles von selbst.« »Und welche Rolle spielt die Freundlichkeit für dich?«, wollte Kastner nun wissen. »Freundlichkeit?« Leopold rümpfte die Nase. »So gut wie keine.« »Aber ist ein freundlicher Oberkellner nicht gerade das, was sich die Gäste erwarten?«, drang Kastner in ihn. »Die Gäste erwarten sich, rasch und ihren Wünschen gemäß bedient zu werden«, entgegnete Leopold energisch. »Ob ich sie dabei anlächle, ist ihnen wurscht, außer sie interessieren sich für meine blitzenden Schneidezähne. Ein freundliches Wesen dient meist nur dazu, Hilflosigkeit zu überspielen. Wenn ein Ober den Gast so richtig anstrahlt, weiß er auf dessen Fragen, Bitten und Erkundigungen für gewöhnlich keine anderen Antworten als: ›Da muss ich erst nachschauen‹ oder ›Einen Augenblick bitte, ich werde einmal den Chef fragen‹. Solche Kampflächler bringen nicht viel auf die Reihe, weil sie dem Irrtum unterliegen, es sei das Wichtigste, nett zu sein, und sich sonst keine Gedanken machen. Wenn man sich auskennt, erspart man sich das ganze Getue, und der Gast ist zufrieden.« »Auch wenn er grantig bedient wird?« Leopold zögerte nicht lange. »Selbstverständlich! Der Grant ist sozusagen der Beweis fürs Können.« Kastner schüttelte lächelnd den Kopf und machte sich seine Notizen. »Was wirklich zu einem guten Oberkellner gehört, ist ein bisschen Geld in der Tasche«, fuhr Leopold indessen fort. »Er muss es jederzeit zum Herleihen parat haben, wenn jemand flach ist, zum Beispiel ein Kartenspieler. Sonst geht dieser Gast dem Kaffeehaus unter Umständen verloren.« »Aber bekommt der Ober sein Geld dann auch zurück?«, wandte Kastner ein. »Meistens«, gab sich Leopold bedeckt. »Man hat halt ein gewisses Berufsrisiko.« »Das ist alles sehr interessant«, befand Kastner. »Fällt dir noch etwas ein, das für die Arbeit eines Oberkellners von Belang ist?« Nun meldete sich Frau Heller, die die beiden Herren bereits die ganze Zeit von ihrem Platz hinter der Theke belauscht hatte, zu Wort. »Dass er pünktlich seinen Dienst antritt beispielsweise«, gab sie mit einem Blick auf die Uhr ungeduldig an. Leopold überhörte diese Warnung geflissentlich. Er kam in Fahrt. »Beinahe hätte ich es vergessen: G’schichtln muss er wissen und erzählen können, über das Kaffeehaus, seine derzeitigen und ehemaligen Stammgäste und das, was so im Bezirk passiert«, erwähnte er. »Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Der Pfaffenbichler Ferdl und seine Frau Luise haben einen ewigen Streit darüber gehabt, wer wo hinein den ersten Schritt machen darf, etwa in ein Lokal. Oft sind sie vor unserem Kaffeehaus gestanden und haben nur darüber debattiert, wem es gestattet ist, als Erster hineinzugehen. Einmal, im Winter, haben wir geglaubt, sie erfrieren uns vor der Tür. Sie waren schon fast so weit, eine Münze zu werfen, aber dann ging es wieder darum, wer hierzu das Vorrecht haben sollte. Schließlich hat sich ein Gast erbarmt und einen neutralen Wurf gemacht. Die Luise hat gewonnen. Daraufhin hat der Ferdl den Gast sein Leben lang nicht mehr angeschaut …« »Darf ich Sie daran erinnern, dass Ihre Arbeitszeit begonnen hat, Leopold? Es sind Leute da, die bedient werden wollen«, wurde Frau Heller nun lauter. »Zum Plaudern ist später auch noch Zeit. Husch, husch, ans Werk!« Leopold warf einen fragenden Blick in ihre Richtung, erhob sich aber dann doch und tat mit einem Seufzer sein Einverständnis kund. »Übrigens: Den Schritt ins Grab hat dann der Ferdl zuerst gemacht«, raunte er Kastner noch zu. »Die Luise war ihm darüber nicht böse, im Gegenteil. Sie soll jetzt wieder glücklich verheiratet sein.« * Während Leopold geschäftig seine Runden durchs Heller drehte und dabei Kaffee, Tee, ein Glas Wein oder ein Sardellenbutterbrot auf kleinen Silbertabletts zu den Tischen balancierte, machte sich Klaus Kastner noch ein paar Notizen mit der Hand, ehe er den Laptop aus seinem kleinen blauen Rucksack nahm und damit weiterarbeitete. Seit mehr als drei Wochen saß er hier jeden Nachmittag bis in den Abend hinein und schrieb sich Dinge über das Kaffeehaus, seine Besucher und das Personal auf. Sein Ziel bestand darin, möglichst viele Eindrücke zu einem großen Ganzen zu verarbeiten und daraus vielleicht einmal ein Monumentalwerk über das Kaffeehaus schlechthin zu schaffen. Er fühlte sich als Kaffeehausliterat in der Nachfolge von so bekannten Wiener Schriftstellern zu Beginn des 20. Jahrhunderts wie Peter Altenberg, Al­fred Polgar, Hermann Bahr oder Hugo von Hofmannsthal, die ganze Tage schreibend im Kaffeehaus verbracht hatten, um sich durch die einzigartige Atmosphäre zu Erzählungen, Skizzen, Essays und sprachlich geschliffenen Rezensionen inspirieren zu lassen. Damals war das Kaffeehaus noch eine wirkliche Institution gewesen, ein Treffpunkt der intellektuellen Elite, und wer etwas auf sich gehalten hatte, hatte sein Stammcafé gehabt, in dem er ein und aus gegangen war. Klaus Kastner schwebte nun vor, diese Art der literarischen Produktion wiederzubeleben. Dabei war er nicht allein. Sein Freund und Studienkollege Erwin Lamprecht wollte ihn dabei unterstützen. So ganz genau wussten die beiden zwar noch nicht, wohin es gehen sollte, aber sie waren immerhin schon einmal auf dem besten Weg dorthin. Frau Heller verfolgte dieses Projekt mit Wohlwollen. Die Aussicht, es könnte ein großes Werk entstehen, in dem das Café Heller eine zentrale Rolle spielte und damit endlich jenen Bekanntheitsgrad in Kulturkreisen erwarb, den es verdiente, ließ ihr Herz höher schlagen. Leopold blieb in seiner Beurteilung vorsichtiger. Die beiden jungen Männer wirkten nicht unsympathisch, gewiss. Ein wenig verträumt und weltfremd vielleicht, so als seien sie immer noch nicht im Leben angekommen. Kastners Dreitagebart sowie Lamprechts Hang zu überlangen Schals, die er, in verschiedenen Variationen um den Hals gewickelt, drinnen wie draußen trug, betonten das Künstlerische, Bohemienhafte. Dagegen war nichts einzuwenden. Aber mussten sie die Kaffeehausgäste so ungeniert ansprechen? Jeder sollte ihnen etwas erzählen. Anfangs begnügten sie sich noch mit Fragen, wie lange die Leute schon ins Heller kamen, und warum sie es zu ihrem Stammcafé erkoren hatten. Doch schon bald gaben sie sich damit nicht mehr zufrieden und wollten Einzelheiten aus ihrem Privatleben wissen. Das gefiel...


Bauer, Hermann
Hermann Bauer wurde 1954 in Wien geboren. Dreißig wichtige Jahre seines Lebens verbrachte er im Bezirk Floridsdorf. Bereits während seiner Schulzeit begann er, sich für Billard, Tarock und das nahe gelegene Kaffeehaus, das Café Fichtl zu interessieren, dessen Stammgast Bauer lange blieb. Von 1983 bis Anfang 2019 unterrichtete er Deutsch und Englisch an der BHAK Wien 10. Er wirkte in 13 Aufführungen der Theatergruppe seiner Schule mit. Im Jahr 2008 erschien sein erster Kriminalroman »Fernwehträume«, dem 15 weitere Krimis um das fiktive Floridsdorfer Café Heller und seinen Oberkellner Leopold folgten. »Kaffeebeichte« ist der 16. Kaffeehauskrimi des Autors. Er lebt mit seiner Frau Andrea in Wien und Eisenstadt.


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