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E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Systemische Pädagogik

Baumer Sicher und verbunden

Ein systemisches Konzept für Prävention und Gesundheitsförderung an Schulen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8497-8332-7
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein systemisches Konzept für Prävention und Gesundheitsförderung an Schulen

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Systemische Pädagogik

ISBN: 978-3-8497-8332-7
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Präventionsarbeit an Schulen ist kein Weg, über den sich das Verhalten von Schülerinnen und Schülern einseitig verändern ließe. Erfolgreiche Prävention setzt ein Gefühl von Verbundenheit und Sicherheit voraus, das aus einem respektvollen Umgang miteinander erwächst. Das gilt gleichermaßen für die pädagogische Haltung wie für den Kontakt der Kinder und Jugendlichen untereinander.

Katja Baumer siedelt schulische Präventionsarbeit auf drei Ebenen an: beim Individuum, bei der Klasse und beim „System Schule“ als Ganzes. Den oft linear-kausalen Arbeitsweisen und Betrachtungen im Unterrichtsgeschehen setzt sie ein Konzept entgegen, das den Blick auf wechselseitige Einflüsse und auf Prozesse der Selbstorganisation richtet.

Das Buch vermittelt diesen systemischen Ansatz sowohl im Hinblick auf Haltungen und Methoden als auch ganz konkret in Form von Anregungen und Übungen für die tägliche Praxis. Vom Grundsätzlichen wie der Definition von Prävention und Wohlbefinden zoomt der Blick der Autorin auf Rahmenbedingungen, Wünsche und Ziele der Beteiligten bis zur Zusammenarbeit im Präventionsteam. Im Ergebnis entsteht daraus ein umfassendes Konzept für die Organisation von Prävention an Schulen.

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Zielgruppe


Schulsozialarbeiter:innen
Lehrer:innen
Psycholog:innen
Schulpsycholog:innen
Beratungslehrer:innen
Anbieter von Präventionsangeboten
Präventionsbeauftragte und -lehrkräfte


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2Systemische Sichtweisen auf Schulen
2.1Systemverständnis und die Beeinflussbarkeit von Menschen
»Ein System ist nicht ein Etwas, das dem Beobachter präsentiert wird, es ist ein Etwas, das von ihm erkannt wird.« Humberto Maturana Schulen sind aus systemischer Sicht komplexe Systeme. Als System bezeichnen wir allgemein eine Gesamtheit von Elementen, die miteinander verbunden sind und sich dadurch als eine aufgaben-, sinn- oder zweckgebundene Einheit ansehen lassen – sozusagen als eine strukturierte systematische Ganzheit. In der systemtheoretischen Sichtweise stellen Systeme Interaktionszusammenhänge dar, die sich von ihrer Umwelt abgrenzen. Entsprechend lassen sie sich als sich selbstorganisierende Funktionseinheiten verstehen, die ihr Weiterfunktionieren selbst produzieren (vgl. »Schulen als autopoetische Systeme«) und sich in spezifischer Weise von ihrer Umwelt differenzieren, etwa durch die Ausprägung spezifischer Unterscheidungsweisen. Autonomie gilt systemisch betrachtet als ein grundsätzliches Merkmal von Systemen: Sobald ein System ein System ist, d. h., sobald die einzelnen Elemente des Systems zueinander in Wechselwirkung treten und damit Selbstreferenz aufbauen, gewinnt es eine gewisse Autonomie seiner Umwelt gegenüber (vgl. Gulowson 1972; Susman 1976; Grote 1997; Pietruschka 2003; Schiepek u. Haken 2010). Die Muster12 innerhalb des Systems werden dann abgrenzbar gegenüber den Mustern der Umwelt. Der Input in ein System ist nicht proportional zum Output des Systems, da sich das System nicht linear verhält. So können sehr kleine, systeminterne Veränderungen zu großen (nicht vorhersehbaren) Veränderungen im System führen bzw. große, systemexterne Impulse zu vergleichsweise kleinen Veränderungen, weil jedes Subsystem (wie z. B. die Einzelschule) seine eigene Dynamik besitzt und autonom handelt (vgl. Luhmann 2002; 2005; Simon 2015; Mücke 2003; Probst 1987; Schiepek u. Haken 2010). Die untergeordneten Systeme verhalten sich also nicht vorhersagbar, weil sie bis zu einem gewissen Grad autonom handeln und in diesen Entwicklungen autonom sind. Entwicklungen bzw. Veränderungen in Systemen können nicht nur top-down, sondern auch bottom-up ablaufen. In diesem Sinne sind soziale Systeme, wie z. B. die Einzelschule, autonom und entwickeln ihre eigenen Strukturen und Funktionen. Autonomie lässt sich verstehen als der Grad an Selbstbestimmung und Selbsterzeugung, wie er in einem bestimmten Rahmen in der Zugehörigkeit zu einem größeren System möglich ist. Subsysteme bzw. die Menschen der Subsysteme befinden sich prinzipiell immer in einer Ambivalenz zwischen Autonomie und der Loyalität gegenüber der nächsthöheren Systemebene. Diese Ambivalenz ist nicht auflösbar und spielt in deren Existenz permanent eine Rolle (vgl. Mücke 2003): Autonomie als Selbstbestimmung und Selbsterzeugung, Loyalität als Bindung an das übergeordnete System. In der psychoanalytischen Sprache können wir die Autonomie als das »Es« und die Loyalität als das »Über-Ich« beschreiben. Ob ein untergeordnetes System überleben kann, hängt davon ab, ob es sich in dem vorgegebenen Rahmen bewegt, den ihm die übergeordneten Systeme vorschreiben. Verstoßen z. B. Gesellschaften oder Staaten gegen die Regeln, die das Zusammenleben der Völker regulieren, so gefährden sie ihre Zugehörigkeit zur Staatengemeinschaft. Ob sich z. B. eine Einzelschule im Einklang mit den Entwicklungen im übergeordneten Schulsystem befindet oder nicht, ist oft nicht unmittelbar erfahrbar, zeigt sich jedoch am Grade der Loyalitäts- bzw. Gewissensbindung zum Gesamtsystem (ebd.). Das Gewissen wird als das systemische Gleichgewichtsorgan beschrieben, das darüber wacht, ob sich die Handlungen des Systems in Einklang mit den Regeln befinden, welche die Zugehörigkeit zu den sozialen Systemen sichern. Die Inhalte der Regeln sind dabei irrelevant. Relevant ist ausschließlich, ob das Subsystem sich an die Regeln hält oder nicht (Mücke 2003). Zahlreiche Experimente13 belegen die existenzielle Abhängigkeit eines Systems von dem System, zu dem wir gerade uns zugehörig fühlen (möchten), und erklären auf Basis der Loyalitätsbeziehung, wie es zu Verfehlungen eines ganzen Volkes kommen kann, wie es im Dritten Reich der Fall war. So ist die Loyalität an das nächsthöhere System – z. B. vom System der 5. Ordnung (Einzelschule) an das System der 4. Ordnung (Schulsystem) – höher als an das System der 3. Ordnung (Gesellschaft) (s. Abb. 1). Abb. 1: Loyalitäten innerhalb eines Systems 2.2Exkurs: Muster
Muster sind spezifische Strukturen, sie sind emotionale und affektive Schattierungen des Erlebens und der Kommunikation. Mit dem Begriff »Muster« wird also das anschaulich gemacht, was zwischen den Menschen in einem System bzw. zwischen Systemen passiert, die an Kommunikationen beteiligt sind, und was »in« den Menschen passiert, die sich mit automatisierten bzw. wiederkehrenden Gedanken, Gefühlen, Stimmungen etc. konfrontiert sehen. Muster sind beobachterabhängig. Ohne eine Beobachtung kann es keine Muster geben, da sie niemand wahrnimmt. Dies bedeutet wiederum auch, dass jede Beschreibung eines Musters bzw. Systems andere Beschreibungen ausschließt. Beispiel: In der folgenden Abbildung 2a ist ein sogenanntes »multistabiles Muster« zu sehen, d. h. ein Bild, in dem mehrere Muster möglich sind. Zeichnen Sie eine Linie um das Muster (System), das Sie in der Abbildung sehen. Die Schwierigkeit bei der Aufgabe liegt darin, dass es viele Möglichkeiten gibt, ein Muster (ein System) einzuzeichnen – es gibt nicht nur eines. Abb. 2: Musterbildung (aus Lindemann 2008, S. 25 f.) In der Präventionsarbeit bedeutet dies, dass es eine Mehrdeutigkeit und Vielfalt an Möglichkeiten von Muster- bzw. Systembeschreibungen gibt. Trotzdem müssen wir im pädagogischen Alltag »Situationen und Sachverhalte« beschreiben. Dabei ist das Wissen wichtig, dass es auch andere Möglichkeiten dazu gibt, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Muster entstehen also dann, wenn jemand etwas als Muster bezeichnet (z. B. sich wiederholende Reaktionen eines Fachlehrers auf Aussagen eines Abteilungsleiters, Wiederholungen von Konflikten, ähnliche Konferenzabläufe) und gleichzeitig etwas anderes – wie eine andere Beobachtung – ausschließt. Diese Beobachtungen sind Erklärungsmodelle für Abläufe, die sich wiederholen, und machen somit Routinen und Wiederholungen beobachtbar. Sie schaffen somit eine gewisse konstruierte Ordnung und sichern den Fortbestand von Systemen, die ihre Muster selbst erschaffen und dadurch Unterschiede zu anderen Systemen bilden (beispielsweise regelt jede Schule ihre Präventionsarbeit bzw. deren Abläufe selbst und anders im Vergleich zur Nachbarschule). Folgendes Beispiel soll die Musterbildung verdeutlichen: Wenn sich zwei oder mehrere Menschen (z. B. Präventionslehrkraft und Präventionsbeauftragte) zunächst nur oberflächlich kennen und sich begegnen, so kommt es zu Kommunikation. Man spricht zunächst evtl. erst mal über das Wetter, den Anfahrtsweg und die Zeitknappheit im Schuldienst. Hierbei spielen auch bereits Erwartungen eine Rolle, man verhält sich so (höflich), dass man vom Gesprächspartner nicht abgelehnt wird. Das Gesprächsthema ist offen und etwas weniger verbindlich. Trifft man sich von nun an regelmäßig(er) und an demselben Ort (z. B. in der Schule), so bilden sich bereits erste Muster, und die Kommunikation verändert sich allmählich. Man stellt nicht immer wieder die gleiche Fragen (»Haben Sie einen guten Parkplatz gefunden?«), sondern öffnet sich langsam, die Distanz wird geringer, und kommunikative Routinen bilden sich (z. B., sich zu umarmen oder die Hand zu geben), was Sicherheitsgefühle auslöst. Mit zunehmender Stabilisierung werden »ernste« Themen direkter und schneller angesprochen (»Wie steht es um die Präventionsarbeit bzw. deren Umsetzung an dieser Schule?«). Vielleicht zeigt die Präventionsbeauftragte auch ihre unsensiblere Seite und unterbricht die Präventionslehrkraft bei ihren Erläuterungen. Diese Verhaltensroutinen prägen die weitere Kommunikation und können auch den Beginn von Konflikten einleiten. Unausgesprochen wird auch schon »ausgetestet«, was in diesem Schulsystem gewollt und erlaubt ist und wie sich in Zukunft der Umgang zwischen den Beteiligten gestalten wird (z. B., wer mehr Redeanteile erhält und damit seine Ideen durchsetzt). Falls man irgendwann beobachtet, dass die erzeugten Muster in einigen Situationen nicht hilfreich sind, so kann man nicht direktiv in die Muster eingreifen, sie können nur »irritiert« werden, indem man Unterscheidungen durch Beobachtungen von Details trifft – Beschreibungen von konkretem Verhalten und Kommunikation.14 Somit lässt...


Katja Baumer, Pädagogin, Beraterin, Supervisorin; berufsbegleitende Weiterbildungen u. a.: Systemische Beratung (zertifiziert), hypnosystemische Beratung, systemische Paarberatung (zertifiziert), systemische Elternberatung und Pädagogik, systemische Organisationsberatung, systemische Traumatherapie, traumasensible Paartherapie, Mentaltraining, Entspannungsmethoden. Auslandsaufenthalte und Praktika an Schulen in Guatemala, England und Schweden; tätig für Regierungspräsidien und das Kultusministerium Baden-Württemberg in den Bereichen Fortbildung für Lehrkräfte und Supervision; Tätigkeiten am Zentrum für Lehrerbildung und House of Competence in Karlsruhe (KIT).



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