Becker / Jochum-Bortfeld / Johannsen | Neutestamentliches Arbeitsbuch für Religionspädagogen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Becker / Jochum-Bortfeld / Johannsen Neutestamentliches Arbeitsbuch für Religionspädagogen

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-17-023481-9
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Dieses Arbeitsbuch setzt sich zum Ziel, die biblisch-theologische Kompetenz von Religionspädagoginnen und Religionspädagogen zu fördern. Es bietet eine Erschließung wichtiger Textgruppen und Themen des Neuen Testaments: Bergpredigt, Gleichnisse, Wundererzählungen, Passion Jesu, Ostern/Auferstehung, Gebet/Vaterunser, Abendmahl, Armut/Reichtum, Frau/Mann, Jesus-Deutungen, Paulus, Geschichte des frühen Christentums u. a. Für die 4. Auflage wurde das Pauluskapitel neu konzipiert und im Umfang deutlich erweitert. Ergänzt wurden die christologischen Spezifika der einzelnen Evangelien und eine Erschließung der Apokalypse. Wesentliche Intention des Buches ist es, neben der Erarbeitung des Orientierungswissens die Gegenwartsrelevanz biblischer Impulse für Kirche und Gesellschaft aufzuzeigen.
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1;Titel;1
2;Inhalt;6
3;Vorwort zur 4. Auflage;12
4;1 Vom Wort zur Schrift Über die Entstehung der neutestamentlichen Schriften und des Kanons;14
4.1;1.1 Anfänge der urchristlichen Literatur: Die Briefe;14
4.2;Exkurs: Das Erste oder das Alte Testament als ›Schrift‹ des NTs;15
4.3;1.2 Anfänge der urchristlichen Literatur: Die Evangelien;17
4.4;1.3 Erste Sammlungen und der Beginn der Kanonbildung;18
4.5;1.4 Der Kanon;20
4.5.1;1.4.1 Zusammenfassung und hermeneutische Reflexion;21
4.6;1.5 Textgeschichte des Neuen Testaments;22
4.7;Literatur:;23
5;2 Der Sabbat ist um des Menschen willen da Jesus und das zeitgenössische Judentum – Frühjudentum;24
5.1;2.1 Antijudaistische Tendenzen im NT;25
5.2;2.2 Kritische Sichtung der Ursprungstradition;26
5.2.1;Exkurs: Exegetische Verfahren am Beispiel Mk 2,23–28 parr.;26
5.3;2.3 Auslegungsbeispiele zu Mk 2,23ff;29
5.4;2.4 Durch Einsicht in die Ursprungsgeschichte des Christentums zu einem neuen christlich-jüdischen Verhältnis;33
5.4.1;Exkurs: Frühes Christentum – Frühjudentum ;36
5.5;Literatur;37
6;3 Selig sind die Friedensstifter Die Bergpredigt: Erinnerung an eine zukunftsträchtige Alternative;38
6.1;3.1 Historisch-kritische Annäherungen;39
6.1.1;3.1.1 Zur Auslegungsgeschichte ;39
6.1.2;3.1.2 Zur Ursprungsgeschichte der Bergpredigt;41
6.1.3;Exkurs: Die Jesusdeutung (Christologie) des Matthäusevangeliums;42
6.1.4;3.1.3 Bergpredigt und Feldrede;42
6.1.4.1;3.1.3.1 Zur Überlieferungsgeschichte der Bergpredigt;43
6.1.4.2;3.1.3.2 Aufbau der Bergpredigt;43
6.2;3.2 Aspekte zur Auslegung;45
6.2.1;3.2.1 Die Seligpreisungen ;45
6.2.2;3.2.2 Salz der Erde – Licht der Welt (zu Mt 5,13–16);49
6.2.3;3.2.3 Zum Verständnis der Antithesen;49
6.2.4;3.2.4 Die Wirkung der Rede (zu Mt 7,28f);51
6.3;3.3 Die Bergpredigt als Einladung zum gleichnishaften Handeln;52
6.4;Literatur;54
7;4 Und er redete zu ihnen vieles in Gleichnissen (Mt 13,3) Die Gegenwart des Reiches Gottes in den Gleichnissen Jesu;56
7.1;4.1 Zur Auslegungsgeschichte;57
7.1.1;4.1.1 Der Neuansatz von Adolf Jülicher;58
7.1.2;4.1.2 Einspruch aus jüdischer Erzähltradition;59
7.1.3;4.1.3 Konkretisierung der Frage nach dem ursprünglichen Jesusgleichnis;59
7.1.4;4.1.4 Die formgeschichtliche Fragestellung;60
7.1.5;4.1.5 Gleichnisse als metaphorische Rede ;62
7.2;4.2 Beispiel: Mk 4,26–29;68
7.3;4.3 Konsequenzen aus Gleichnistheorien für die Praxis;71
7.4;Literatur;72
8;5 Wir haben heute unglaubliche Dinge gesehen Wundertaten und Wundererzählungen;74
8.1;5.1 Die Überlieferung der Wunder in den Evangelien – ein erster Überblick;75
8.2;5.2 Hat Jesus Wunder getan?;77
8.3;5.3 Das Wunder in der Verkündigung Jesu;80
8.4;5.4 Die Geschichte von der wunderbaren Speisung (Mk 6,30–44 parr.);81
8.4.1;5.4.1 In der synoptischen Überlieferung ;81
8.4.2;5.4.2 In der Interpretation des Markus ;83
8.5;Literatur;86
9;6 Den Kindern gehört die Herrschaft Gottes! Zur Bedeutung der Kinder in der Verkündigung Jesu;90
9.1;6.1 Das sog. Kinderevangelium und seine Vorgeschichte;91
9.2;6.2 Kindheit und Kinder zur Zeit Jesu;94
9.3;6.3 Jesu Aufforderung, Kinder aufzunehmen;96
9.4;6.4 »Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder«;98
9.5;Literatur;101
10;7 Wenn ihr betet Das Vaterunser;104
10.1;7.1 Zwei Fassungen des Vaterunsers;104
10.2;7.2 Eine Blütenlese aus dem Gebetbuch der Synagoge?;107
10.3;7.3 Zur Auslegung der einzelnen Bitten des Vaterunsers;110
10.3.1;7.3.1 Anrede ;110
10.3.2;7.3.2 Die Du-Bitten ;112
10.3.3;7.3.3 Die Wir-Bitten;113
10.3.4;7.3.4 Die Schlussbitte;114
10.4;Literatur;115
11;8 »Es geht leichter ein Kamel durch ein Nadelöhr …« Armut und Reichtum im Neuen Testament;116
11.1;8.1 Arme und Reiche im Neuen Testament – »Wer sich zu sehr bemüht, hinter die Dinge zu sehen, sieht die Dinge zuletzt selbst nicht mehr« (Augustin);116
11.2;8.2 Arme und Reiche in den synoptischen Evangelien;118
11.3;8.3 Die Jesusbewegung – eine messianische Armenbewegung in Erwartung einer Revolution der Zustände;123
11.4;8.4 Armut und Jesusnachfolge in christlichen Gemeinden außerhalb Palästinas;126
11.5;8.5 Armut und Jesusnachfolge im Matthäus- und Lukasevangelium;129
11.6;Literatur;134
12;9 »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?« (Lk, 7,20) Deutungen der Person Jesu – Grundzüge der Christologie;136
12.1;9.1 Methodische Vorbemerkungen;136
12.2;9.2 Jesus, die Jesusbewegung und die Wanderpropheten der Logienquelle;137
12.3;9.3 Deutung der Person Jesu im palästinischen Urchristentum: Gottesknecht, Messias und Menschensohn;142
12.4;9.4 Der Durchbruch zur universalen Heilsbedeutung der Person Jesu Christi in der antiochenischen Gemeinde und bei Paulus;147
12.5;9.5 Der christologische Prozess schreitet voran: Der Gottessohn Christus und der »Armeleutegeruch« in der Lebenswelt des Menschen Jesus;155
12.6;9.6 Christologische Deutungstypen im Neuen Testament;160
13;10 Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit Die Deutung der Passion Jesu;162
13.1;10.1 Annäherung an das urchristliche Verständnis;164
13.1.1;10.1.1 »Für uns gestorben nach der Schrift«;164
13.1.2;10.1.2 Der leidende Gottesknecht (Jes 52,13–53,12);165
13.1.3;10.1.3 Das missverstandene Sühneopfer;166
13.1.4;10.1.4 Annäherung an die Sühneopfertradtion;167
13.1.5;10.1.5 Vom Sühneopfer zum Versöhnungsgeschehen;169
13.2;10.2 Die Passion Jesu in den Evangelien;170
13.2.1;10.2.1 Synoptischer Vergleich;171
13.2.2;10.2.2 Zur Bedeutung des Passionsthemas in den einzelnen Evangelien;173
13.3;Literatur;176
14;11 Nun aber ist Christus auferstanden Das neutestamentliche Osterzeugnis;178
14.1;11.1 Die Totenauferstehung in der Jesusüberlieferung und im Umfeld des Neuen Testaments;178
14.2;11.2 Die urchristliche Osterbotschaft;180
14.3;11.3 Zur Auslegung von 1Kor 15,1–11 – die Bekenntnisformeln von der Erscheinung;181
14.4;11.4 Das vielstimmige Osterzeugnis der Evangelien;182
14.5;11.5 »Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« (1Kor 15,55) – Die Bedeutung der Osterbotschaft;186
14.6;Literatur;187
15;12 »Und abwechselnd von Haus zu Haus brachen sie das Brot« (Apg 2,46) Die urchristliche Mahlfeier;188
15.1;12.1 Kritik der Praxis in Korinth;188
15.2;12.2 Synoptischer Vergleich der Abendmahlstexte;189
15.3;12.3 Abendmahl und Passahfeier;190
15.4;12.4 Zum Zusammenhang und zur Entwicklungsgeschichte der Texte;190
15.5;12.5 Zur Historizität des letzten Mahls Jesu;191
15.6;Literatur;192
16;13 »Die Geringen und die Verachteten der Welt hat Gott erwählt.« (1.Kor 1,28) Einige Grundgedanken paulinischer Theologie;194
16.1;13.1 Die vielfältige Forschungsdiskussion zu Paulus;194
16.1.1;13.1.2 Die »Neue Perspektive« auf Paulus ;197
16.1.2;13.1.3 Der sozialgeschichtliche Blick auf Paulus;200
16.2;13.2 Paulinische Theologie – gelebter Glaube in der hellenistisch- römischen Gesellschaft;201
16.2.1;13.2.1 Gruppenbildungen und Konflikte in Korinth;201
16.2.2;13.2.2 Der Körper Christi – das ekklesiologische Programm des Paulus;203
16.3;Literatur;205
17;14 … da ist nicht Mann und Frau Zum Verhältnis der Geschlechter und der Rolle der Frau im Neuen Testament;206
17.1;14.1 Frauen um Jesus – Frauen in der Jesusbewegung;207
17.2;14.2 »Eins in Christus« – Das Kriterium von Gal 3,28;209
17.3;14.3 Die verdrängte Frau;212
17.4;14.4 Die schuldige Frau;213
17.5;Literatur;216
18;15 »So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser zusteht, und Gott, was Gott zusteht! « Ethische Maßstäbe im Neuen Testament;218
18.1;15.1 Die Frage von Fallenstellern nach der Kaisersteuer als ethisches Paradigma für die Jesusbewegung;218
18.2;15.2 Ethik im paulinisch-hellenistischen Christentum;227
18.3;15.3 Ethische Orientierungen im nachpaulinischen und nicht paulinischen Christentum;233
18.4;15.4 Ausblick auf das johanneische Schrifttum;236
18.5;Literatur:;238
19;16 Von Jesus zur Kirche Zur Geschichte des Urchristentums;240
19.1;16.1 Wann eigentlich beginnt die Geschichte des Christentums?;240
19.2;16.2 Forschungsgeschichtlicher Exkurs: Die Spannung zwischen der Mehrdeutigkeit historischer Quellen und dem dogmatischen Blickwinkel;242
19.3;16.3 Die Anfänge der Kirche im Licht historisch-kritischer Forschung;245
19.3.1;16.3.1 Was glaubten die ersten Christen?;246
19.3.2;16.3.2 Sozialgeschichtliche Rückfragen und Zwischenrufe;247
19.4;16.4 Die »Christianoi« von Antiochia und der Apostelkonvent in Jerusalem;249
19.5;Literatur;257
20;Anhang;262
20.1;Politisch- religiöse Strömungen und Parteien im Judentum;263
20.2;Zeittafel zum Neuen Testament;265
20.3;Leitfaden zur Auslegung neutestamentlicher Texte;267
20.4;Der hermeneutische Zirkel;271
20.5;Register;272


1 Vom Wort zur Schrift

Über die Entstehung der neutestamentlichen Schriften
und des Kanons (Ulrich Becker) Fragestellungen: Begründet der neutestamentliche Kanon die Einheit der Kirche, oder ist er eher Ursache und Ausgangspunkt für die Verschiedenheiten der christlichen Konfessionen und Gruppen?
Muss das Neue Testament als ein widerspruchsloses Ganzes verstanden werden, oder ist es nicht vielmehr das Produkt verschiedener urchristlicher Gemeinden und Gruppen?
Die Art und Weise, wie in der christlichen Überlieferung und in der kirchlichen Tradition oft vom Neuen Testament (NT) die Rede ist, lässt nur schwer erkennen, dass es sich bei diesem Buch um eine Sammlung von 27 zu unterschiedlicher Zeit, an unterschiedlichen Orten und von unterschiedlichen Gruppen verfassten Schriften handelt. Gesprochen wird gern von der ›Heiligen Schrift‹, von dem ›Wort Gottes‹, von der ›Offenbarung‹ oder von der ›Lehre‹ des Neuen Testaments, und der Eindruck entsteht, es handele sich bei diesen 27 Schriften, den vier Evangelien, der Apostelgeschichte, den 21 Briefen und der Offenbarung des Johannes um eine geschlossene Einheit. Die historisch-kritische Forschung am NT zeigt, dass sich die Entstehung der einzelnen Schriften historisch erklären lässt und dass der ntl. Kanon, wie er uns heute vorliegt, »ein Produkt irdisch-menschlicher Geschichte und nicht vom Himmel gefallene Offenbarung« ist.1 Davon soll im Folgenden die Rede sein. Aufgabe: Wenn der ntl. Kanon ein Produkt irdisch-menschlicher Geschichte ist, mit welchem Recht kann die kirchliche Tradition und die christliche Überlieferung im Blick auf das NT dennoch von der ›Heiligen Schrift‹, von dem ›Wort Gottes‹ oder von der ›Offenbarung‹ reden? 1.1 Anfänge der urchristlichen Literatur: Die Briefe
»Im Anfang war das Wort.« (Joh 1,1). Das gilt auch für Jesus von Nazareth. Er hat geredet, er hat geheilt. Er hat eine Schar von Frauen und Männern um sich gesammelt, und er hat »Zöllner und Sünder« an seinen Tisch geladen. Nichts davon hat er selbst aufgeschrieben. Diejenigen, die ihn nach seinem Tode als den Auferstandenen verkündigten, hatten nichts Schriftliches von ihm in der Hand. Geblieben waren ihnen nur Erinnerungen an Worte, Reden, Taten, Ereignisse, die angesichts des Auferstehungszeugnisses neu lebendig wurden. Diese ersten Zeugen waren Juden, und ihre Bibel war die jüdische Bibel, das sog. Alte Testament. Dort, vor allem bei den Propheten und in den Psalmen, fanden sie die Jesus-Geschichte wieder. Dort fanden sie bestätigt, dass er der Christus (= der Gesalbte, der Messias) ist. Gleichzeitig interpretierten diese ersten jüdischen Jesus-Zeugen mit diesem Ersten Testament das Christusgeschehen. An ihm machten sie deutlich, dass Jesu Leiden und Sterben nicht seine Niederlage ist, sondern die von Gott vorherbestimmte und gewollte Heilstat (vgl. die Gestaltung der Passionsgeschichte, S. 161ff). Exkurs: Das Erste oder das Alte Testament als ›Schrift‹ des NTs Die Bezeichnung ›Altes Testament‹ ist in den letzten Jahren auf dem Hintergrund des jüdisch-christlichen Gesprächs mit seiner Neubestimmung des christlich-jüdischen Verhältnisses in Frage gestellt worden. Mit Alternativbezeichungen wie ›Jüdische Bibel‹ oder ›Hebräische Bibel‹ oder ›Erstes Testament‹ versucht man seitdem, negative Assoziationen wie ›überholt‹ zu vermeiden und zum Ausdruck zu bringen, dass es sich um ein Werk jüdischer Tradition handelt und – das gilt für die Bezeichnung Erstes Testament – dass das Zweite aus ihr schöpft. Aber welche neue Bezeichnung man auch wählt, das anstehende Problem ist damit nicht restlos gelöst.2 Deshalb werden in diesem Arbeitsbuch alle diese Bezeichnungen verwendet. Die Frage, auf welche Textform der jüdischen Schriften sich die ntl. Autoren beziehen – ob auf den hebräisch-aramäischen Text oder auf die griechische Übersetzung in Form der sog. Septuaginta (abgekürzt LXX), die zwischen drittem und erstem vorchristlichen Jahrhundert entstanden ist, wird in der gegenwärtigen Forschung unterschiedlich beantwortet. Vieles spricht dafür, dass in ntl. Zeit, auf jeden Fall aber vor 70 n. Chr., mehrere Fassungen des hebräischen und des griechischen Textes nebeneinander existierten und Verwendung fanden, wie überhaupt in dieser Zeit »ein gegenüber späteren Zeiten ausgesprochen freier und kreativer Umgang mit dem biblischen Text zu beobachten ist.«3 Bis zum Abschluss der Kanonbildung des Alten Testaments (am Ende des 1. Jh. n. Chr.) und, wie wir noch sehen werden, des NTs (gegen Ende des 2. Jh.), haben Texte und Bücher beider Testamente einen längeren Entstehungsprozess hinter sich. Die ersten uns erhaltenen ntl. Schriften stammen nicht von diesen Jerusalemer Zeugen sondern von Paulus. Er schreibt oder diktiert während seiner rund zehnjährigen missionarischen Wirksamkeit in Kleinasien und Griechenland Briefe an von ihm gegründete Gemeinden (an die Thessalonicher im Jahre um 50, an die Korinther, die Galater und die Philipper zwischen 52 und 55), an einen Mitarbeiter und seine Hausgemeinde (an Philemon im Jahre um 54) und an eine Gemeinde, die er zu besuchen beabsichtigte (an die Römer im Jahre 56). Über diese zeitliche Reihenfolge der sog. echten paulinischen Briefe (Röm, 1Kor, 2Kor, Gal, Phil, 1Thess, Phlm) besteht in der Forschung weithin Einigkeit; im Blick auf ihre exakte Datierung tauchen im Einzelnen leichte Schwankungen auf. Am Anfang der Geschichte der urchristlichen Literatur stehen diese Briefe, die, aus besonderem Anlass geschrieben und an konkrete Adressaten gerichtet, weder als Privat- oder Gelegenheitsbriefe, noch als »Episteln«, d.h. als Kunstbriefe, richtig eingeordnet werden können. In ihrer für Paulus so charakteristischen Form, in der persönliche Mitteilungen, lehrhafte Passagen und seelsorgerliche Ermahnungen miteinander verbunden sind, haben sie Schule gemacht. Von den 27 Schriften des NTs sind 21 Briefe bzw. haben die Form von Briefen. 13 von ihnen laufen unter dem Namen des Paulus. In der neueren Forschung ist die paulinische Abfassung des 2. Thessalonicher-, Kolosser- und Epheserbriefes sehr umstritten. Möglicherweise gehen sie auf Paulus-Schüler zurück.4 Das gilt mit noch größerer Wahrscheinlichkeit für die sog. Pastoralbriefe, den 1. und 2. Timotheus- und den Titusbrief, die vermutlich erst gegen Ende des 1. Jh. geschrieben worden sind. Alle diese in ihrer ursprünglichen Verfasserschaft umstrittenen Briefe werden oft auch unechte Paulusbriefe oder Deuteropaulinen genannt. In diese spätere Zeit gehören auch die übrigen Briefe des NTs: der Hebräerbrief, die sog. Katholischen Briefe (katholisch = allgemein, d.h. an die ganze Christenheit gerichtet), nämlich der Jakobusbrief, der 1. und 2. Petrusbrief, die drei Johannesbriefe und der Judasbrief, wobei die drei Johannesbriefe, der Judasbrief und der von ihm abhängige 2. Petrusbrief mit großer Wahrscheinlichkeit erst in der ersten Hälfte des 2. Jh. geschrieben worden sind. Dass diese Briefe die Autorität eines Apostels bzw. des Herrenbruders Jesu als Verfasser beanspruchen, sollte nicht irritieren. Eine solche Form von ›Pseudepigraphie‹ geschieht in der Antike häufig – natürlich nicht, um zu täuschen, sondern um in der Tradition eines Großen dessen Gedanken fortzuschreiben und/oder eigene Interpretationen voranzubringen. Das gilt auch für die Offenbarung (Apokalypse) des Johannes, deren Verfasser sich in 1,1 und 1,4 Johannes nennt und in dem die alte kirchliche Überlieferung den Jünger Jesu und den Verfasser des Joh-Ev. und der Briefe gesehen hat. Aber weder der Verfasser des vierten Evangeliums noch der der Apokalypse kennen den historischen Jesus - und untereinander sind sie in Sprache und theologischen Gedanken völlig verschieden. Der Seher Johannes in der Apokalypse tröstet und ermahnt offensichtlich kleinasiatische Gemeinden, die zur Zeit des Domitian (81–96) unter organisierten Verfolgungen zu leiden haben. Wir kehren noch einmal zu den paulinischen Briefen zurück. Auch der Jude Paulus lebt und argumentiert nach seiner Berufung mit der jüdischen Bibel. Darüber hinaus benutzt er offensichtlich kurze, einprägsame Formeln, in denen der neue Glaube zusammengefasst ist und die er als vorgeformte Bekenntnisaussagen übernimmt und interpretiert: vgl. z.B. 1Kor 15,3ff: »Denn ich habe euch in erster Linie überliefert, was auch ich empfangen habe...« – ferner Röm 10,9; 1,3f, Phil 2,6–11. Möglicherweise hat Paulus die Botschaft von dem Christus in dieser Form kennengelernt. Die Geschichte(n) Jesu spielen bei ihm mit Ausnahme des Kreuzestodes keine Rolle. Hier und da zitiert er Worte Jesu, so z.B. die Abendmahlsworte in 1Kor 11,23ff oder Jesu Verbot der Ehescheidung in 1Kor 7,10 oder Jesu Ausspruch, dass ein Arbeiter seines Lohnes wert ist (1Kor 9,14). Solche ›Herren-Worte‹ haben für ihn unbedingte Autorität. Aber es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihm in schriftlicher Form, etwa als eine Sammlung von Worten Jesu, vorgelegen hätten. Aufgabe: Tragen Sie die bisher erarbeiteten Daten in einen Zeitraster ein, so dass Sie einen ersten chronologischen Überblick über die Entstehung der ntl. Briefliteratur erhalten. 1.2 Anfänge der urchristlichen Literatur: Die Evangelien
Dass es eine solche Sammlung von Jesusworten in schriftlicher Form gegeben hat, wird aus dem Überlieferungsmaterial geschlossen, das Matthäus und Lukas...


Prof. em. Dr. Ulrich Becker, Prof. Dr. Friedrich Johannsen und Prof. Dr. Harry Noormann, Universität Hannover; Prof. Dr. Carsten Jochum-Bortfeld, Universität Hildesheim.


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