Benini | Brannte nicht unser Herz? | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Benini Brannte nicht unser Herz?

Die Messe verstehen - Eucharistisch leben
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-451-83580-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Messe verstehen - Eucharistisch leben

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-451-83580-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Brannte nicht unser Herz?«, sagten die Emmausjünger zueinander nach ihrer ersten »Sonntagsmesse«. Es war am ersten Tag der Woche, also am Sonntag, als sie mit Jesus unterwegs waren, ihn das Wort auslegen hörten und ihn erkannten, als er das Brot brach. Man kann diese Auferstehungserzählung (vgl. Lk 24,13–35) geistlich auf unsere Haltung zur Eucharistiefeier hin lesen, auf dass auch unser Herz brennend wird. In kurzen erklärenden und deutenden Beiträgen erschließt Marco Benini die Elemente der Messfeier, auf dass Emmaus zur Fortsetzungsgeschichte wird: in der Eucharistie und im Leben – mit einem brennenden Herzen.
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Kleopas und ich:
Wie wir zu einer „Emmaus-Haltung“
für die Eucharistiefeier kommen
„Brannte nicht unser Herz?“, sagten die Emmausjünger zueinander nach ihrer ersten „Sonntagsmesse“. Es war am ersten Tag der Woche, also am Sonntag, als sie mit Jesus unterwegs waren, ihn das Wort auslegen hörten und ihn erkannten, als er das Brot brach. Man kann diese Auferstehungserzählung (vgl. Lk 24,13–35) geistlich auf unsere Haltung zur Eucharistiefeier hin lesen, auf dass auch unser Herz brennend wird. Diese Verheutigung ist im Text selbst angelegt. Wie hießen denn die beiden Jünger? „Der eine von ihnen hieß Kleopas“ (Vers 18), vom anderen kennen wir den Namen nicht. Lukas hat ihn sicher bewusst ausgelassen, damit wir in diese Leerstelle unseren eigenen Namen einsetzen – ein damals durchaus gängiges rhetorisches Mittel. Zentral ist bei Emmaus: Es ist eine Fortsetzungsgeschichte. In jeder Messe vollzieht sich das, was in Emmaus geschah, an uns. Das bekannte Emmausbild in der Abtei Kornelimünster bei Aachen auf dem Titel dieses Buches, 1992 von Janet Brooks Gerloff geschaffen, zeigt die Szene auf dem Weg bewusst von hinten. Die beiden Jünger sind in Schwarz gekleidet, und ihr Blick ist gesenkt. Doch sie wenden sich dem Fremden in der Bildmitte zu, der nur schemenhaft dargestellt ist, schwerelos und durchsichtig. Sie können ihn noch nicht ganz einordnen, aber er geht mit und neigt sich seinerseits ihnen zu. Einer der beiden legt die Hand auf ihn, und sie beginnen zu reden. Während sie so im Gespräch gehen, hellt sich an den Falten ihr dunkles Gewand auf. Der Betrachter ist gleichsam mit auf dem Weg, eingeladen, sich anzuschließen und dem Gespräch zu lauschen. Das Bild hängt im Kreuzgang, um den Mönchen, die sich dort vor dem Gebet sammeln, und allen Betrachtern zu zeigen: Im Wortgottesdienst nehmen wir teil an diesem Gespräch. Denn wir hören in den Lesungen das „Wort des lebendigen Gottes“, und Christus spricht zu uns im Evangelium. Manchmal geht es uns wie den Jüngern, die zwar alles genau wissen von der Kreuzigung, den Frauen am leeren Grab und den Engeln, die sagten, dass Jesus lebt. Aber das Wissen im Kopf hat noch nicht das Herz erreicht. Wenn wir wie sie zwar die Worte hören, aber die Gegenwart Christi in ihnen nicht direkt wahrnehmen, möchte die Liturgie unseren „trägen Herzen“ (25) neu bewusst machen: Wir hören hier nicht einfach alte Texte, sondern Christus spricht sie neu zu uns. Dass Jesus Interesse hat an unserem Leben, Beten, Ringen und Antworten, zeigt die Perikope ebenfalls. Denn er fragt nach: „Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?“ (17). Als sie ihn entsetzt anschauen, ob er als Einziger nicht wisse, was in Jerusalem (mit ihm!) geschehen sei, fragt er – geradezu humorvoll: „Was denn?“ (19). Er sucht den Dialog – in jedem Gottesdienst. Als sie das Dorf erreichen, tut Jesus, „als wolle er weitergehen“ (28). Er drängt sich nicht auf, achtet ihre Freiheit. Die Emmausjünger merken, dass der Mann ihnen etwas zu sagen hat, auch wenn sie ihn nicht kennen. Sie laden ihn ein: „Bleibe bei uns!“ (29). Sie laden den interessanten Fremden in ihr eigenes Haus ein. Sonst wäre er weitergegangen. Dieses Einladen zeigt, wie es Henri Nouwen schön entfaltet hat, die geistliche Haltung für eine fruchtbare Feier der Eucharistie. Wir gehen oft von der anderen Richtung aus: Christus ist derjenige, der uns einlädt. Sein Ruf geht voraus und wir kommen zu ihm. Das stimmt, aber die Emmausjünger zeigen einen anderen wesentlichen Aspekt: Sie laden ihn ein. Die rechte Haltung für die Eucharistie beginnt damit, dass wir Jesus in unser Leben einladen. Ohne diese persönliche Einladung bleibt die Messe letztlich ein äußerlicher Ritus. Natürlich ist Christus auch dann in den konsekrierten Gaben real gegenwärtig. Damit aber die Eucharistie für uns persönlich fruchtbar wird und nicht oberflächlich bleibt, brauchen wir dieses Einladen Jesu in unser eigenes Leben. Wir kennen das selbst von Alltagsbegegnungen: Man hat jemanden im Urlaub getroffen, hat im Flugzeug oder in der Bahn neben jemandem gesessen, mit dem man sich interessant unterhalten hat. Vielleicht kann man später sogar noch vom Gespräch oder der Person erzählen. Aber wenn das Gegenüber fragt, wer das gewesen sei, kann man keine Antwort geben. „Ich weiß nicht. Jeder ist seinen Weg gegangen.“ Ohne eine persönliche Einladung bleibt der andere im Letzten doch ein Fremder. Nur wenn man jemanden einlädt, wird er Teil des eigenen Lebens. Das ist die Haltung für den zweiten Teil der Heiligen Messe: Wir laden Christus ein. Wollen wir, dass er in die Kammern unseres Inneren frei eintreten und alles sehen kann? Der eucharistische Teil fängt mit dieser persönlichen Einladung an Christus an. Dann geschieht das Spannende der Emmauserzählung: Der Gast wird auf einmal zum Gastgeber. Er ist in der Mitte, auf ihn ist alles orientiert. Der, den sie einladen, gibt ihnen geistliche Nahrung: Christus ist der „Hauptzelebrant“. Je mehr wir Christus einladen, desto mehr verbindet sich Christus mit unserem eigenen Leben. Dann gehen Christus und unser Leben in eins. „Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es ihnen“ (30). Das entspricht den drei Teilen der heutigen Eucharistiefeier: Gabenbereitung („nahm das Brot“), eucharistisches Hochgebet (Lobpreis) und Kommunion („brach und gab“). Jesus nimmt mit Brot und Wein die Gaben der Schöpfung in seine Hand. Wir bringen mit der „Frucht der Erde“ auch unsere „menschliche Arbeit“ ein, wie es im Begleitgebet heißt. Wir legen uns selbst gleichsam mit in die Schale. Im gesamten Hochgebet werden Brot und Wein konsekriert durch die Worte Christi im Einsetzungsbericht, durch die Kraft des Heiligen Geistes (Epiklese) und durch das Gebet. Von der Präfation angefangen, ist das Hochgebet in erster Linie Dank (eucharistein = danken) und Lobpreis für das Heilshandeln Gottes, vor allem für Leben, Sterben und Auferstehen Christi. So wird Christus selbst gegenwärtig. Seine ganze Liebe, die ihn ans Kreuz geführt hat, wird greifbar im konsekrierten („gewandelten“) Brot und Wein. „So bringen wir dir mit Lob und Dank dieses heilige und lebendige Opfer dar.“ Lebendig ist es, denn darin ist der Auferstandene unter uns und will uns wandeln wie die Jünger von Emmaus. Der Geist wird auch auf uns herabgerufen: „Erfülle uns mit seinem Heiligen Geist“, so ist dies im Dritten Hochgebet formuliert. Den Jüngern gehen die Augen auf und sie erkennen ihn, „als er das Brot brach“ (31; 35). Das meint wohl kaum nur den kurzen Augenblick des Brechens selbst, sondern die ganze Feier. Denn der Begriff „Brotbrechen“ steht für die Eucharistiefeier als solche. Lukas verwendet dasselbe Wort auch in der Apostelgeschichte (2,42), wenn er die Wesensmerkmale der jungen Gemeinde beschreibt: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (vgl. auch 20,7). Sobald die Jünger Jesus erkannt hatten, „entschwand er ihren Blicken“ (31). Genau das ereignet sich auch in der Kommunion. Wir haben Christus nicht mehr in der Hostie vor uns, sondern tiefer in uns. Seine liebende Gegenwart wohnt in uns. Joseph Ratzinger hat dieses Entschwinden sehr schön umschrieben. „Es gibt eine Dialektik zwischen hier und nicht hier, zwischen schon und noch nicht … Christus ist da, und er ist doch der Verborgene. Er ist der Nahe und doch der ganz andere, der sich Gewährende und doch der, über den man nicht verfügt, der vielmehr verfügt über uns.“ Nachdem Kleopas und der andere Jünger Christus nicht mehr sahen, ihn nur noch innerlich hatten, „sagten sie zueinander“ (32). Sie sind also wieder allein und doch tiefer zusammen, als sie es vorher waren. Das heißt: Christus in uns öffnet auch für den anderen. Kommunion schafft communio – Gemeinschaft. Augustinus betont dies in einer Predigt an die Neugetauften: „Wenn du den Leib Christi verstehen willst, höre den Apostel, der sagt: ‚Ihr aber seid der Leib Christi und seine Glieder‘ (1 Kor 12,27). Wenn ihr also Leib und Glieder Christi seid, dann liegt euer Geheimnis auf dem Tisch des Herrn: Euer Geheimnis empfangt ihr. Zu dem, was ihr seid, antwortet ihr ‚Amen‘. Diese Antwort ist eure Unterschrift. Du hörst: ‚Leib Christi‘ und du antwortest: ‚Amen‘. Sei ein Glied am Leib Christi, damit dein ‚Amen‘ wahr sei.“ Augustinus spielt hier mit den zwei Bedeutungen von „Leib Christi“: wir als Kirche und im eucharistischen Sinn. Beides gehört eng zusammen. Indem wir den Leib Christi in der Eucharistie empfangen, werden wir als Kirche aufgebaut. „Eucharistie schafft Kirche“, hat es der Jesuit Henri de Lubac ausgedrückt. Augustinus fährt fort: „‚Ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen‘ (1 Kor 10,17). Versteht das Sakrament und freut euch: denn es versinnbildet die Einheit, die Wahrheit, die Ehrfurcht, die Liebe (unitas, veritas, pietas, caritas). Ein Brot. Wer ist dieses eine Brot? Die vielen, die der eine Leib sind … Seid, was ihr seht, und empfangt, was ihr seid.“ Kirche ist nicht zuerst Struktur oder Organisation, sie ist Leib Christi. „Die Kirche lebt von der Eucharistie“, heißt es bei Johannes Paul II. Nach der Kommunion sprachen die Jünger wieder...


Benini, Marco
Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Universität Trier und Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Liturgischen Instituts

Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Universität Trier und Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Liturgischen Instituts



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