Bentele Augenblicke der Geschichte - Die Neuzeit
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-641-01227-4
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 305 Seiten
ISBN: 978-3-641-01227-4
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Chapter 1;10
3;Chapter 2;28
4;Chapter 3;50
5;Chapter 4;78
6;Chapter 5;102
7;Chapter 6;122
8;Chapter 7;144
9;Chapter 8;168
10;Chapter 9;184
11;Chapter 10;200
12;Chapter 11;222
13;Chapter 12;238
14;Chapter 13;260
15;Chapter 14;276
16;Nachwort;298
17;Zeittafel;300
Geschrieben auf der Wartburg zu Anfang des Monats Mai im Jahre des Heils 1521 (S. 122-123)
Liebe eltern. Meinen Gruß zuvor. Vor knapp einer Woche bin ich hier auf der Wartburg angekommen, ganz nach eurem Willen, liebe eltern. ich hatte mich mit Mathilde getroffen ohne eure erlaubnis, lieber Vater, liebe Mutter, und ich sehe ein, dass ich bestraft werden muss! ich sehe ein, dass ein Sechzehnjähriger nicht gegen den Willen seiner eltern handeln darf. Als künftiger Herrscher, der von anderen Gehorsam verlangt, muss ich zuvor selbst Gehorsam erlernt haben. ich soll mir das Mädchen, wie ihr Gräfin Mathilde nennt, hier in der einöde des thüringer Waldes und in der einsamkeit der Wartburg aus dem Kopf schlagen. Aus dem Kopf?
Wie soll ich sie mir aus dem Herzen schlagen? ihr wollt mich irgendwann anderweitig verheiraten? Aber ist es denn möglich, dass ich Mathilde vergesse, wenn ich eine andere frau heirate? und das nur, damit mein Vater, bei allem Respekt, Herr einer Burg mehr wird? ihr dürft nicht glauben, dass ich euch, meine eltern, nicht ehre, wie es das vierte Gebot von einem Sechzehnjährigen verlangt. Aber muss ich nicht auch einmal die frau ehren, die ich heiraten werde? und wie kann ich das, wenn ich sie nicht liebe? ich bitte euch kindlich und herzlich, liebe eltern, dies alles noch einmal zu überdenken, und bitte euch gleichzeitig um Verzeihung, dass ich nun wieder mit der leidigen Sache, wie ihr das nennt, angefangen habe. es soll nicht mehr geschehen.
So viel dazu, lieber Vater, liebe Mutter. ich habe euch versprochen, jeden Monat zu schreiben. Worüber also schreibe ich alle vier Wochen? es gibt hier oben auf der Burg gewisse Vorkommnisse, die ich im Auge behalte und über die ich vielleicht einmal euer urteil einholen will. Denn mir scheint, dass Dinge vorgehen, die Herzog Georg, mein onkel, euch und mir verheimlicht. ich will nicht als Spion erscheinen. Aber die Augen verschließen kann ich nicht, und ihr mögt mir alles erklären, wie das bei eurer Stellung am Hofe in Dresden möglich sein wird.
Nun zu den ereignissen. ich bin zwar hier auf der Wartburg nach eurer Anweisung festgehalten, aber ihr habt dem Burgamtmann Hans von Berlepsch befohlen, dass er mich zur Jagd ausreiten lassen soll, auch dass ich Ausritte machen darf. So bin ich am späten Vormittag des 4. Mai zu einem Ritt aufgebrochen, der mir die umgebung der Wartburg vertraut machen sollte, und bin Richtung Mittag geritten. ihr wisst, wie dicht der thüringer Wald ist, steile Hänge, dicht bewachsen von Bäumen, die Hochflächen meist Weideland, Moor oder mit Krüppelkiefern bewachsen, manchmal auch gerodet und mit Dörfern und Ackerland versehen. um das Ross nicht zu sehr anzustrengen, suchte ich mir Steige von Holzfällern oder auch schmale Wege zwischen Dörfern.
So erreichte ich nach einem Ritt von gut vier Stunden mitten im Wald eine Landstraße, die sanft, aber stetig nach osten ansteigt, und dachte nun daran umzukehren. Von Bauern erfuhr ich, dass diese Landstraße von Schweina nach Waltershausen und Gotha geht, in nicht allzu großer entfernung sah ich die Burg Altenstein. Als ich gerade mein Pferd wieder wenden wollte, zurück zur Wartburg, hörte ich Pferdegetrappel. ich staunte nicht schlecht: Auf der Straße von Waltershausen kam hoch zu Ross Hans von Berlepsch herangeritten, der Burgamtmann der Wartburg! Acht Reitknechte hatte er bei sich, die ich alle schon hier oben gesehen hatte.