Berdelmann / Fuhr / Egloff | Zeigen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 172 Seiten

Berdelmann / Fuhr / Egloff Zeigen


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-17-026809-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 172 Seiten

ISBN: 978-3-17-026809-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Zeigen ist eine menschliche Grundtätigkeit, die in unterschiedlichsten Bereichen und Kontexten zum Einsatz kommt. Zeigen als spezifisch pädagogische Praktik bedeutet, anderen etwas so zeigen zu können, dass dabei Lernen ermöglicht wird. Gezeigt wird gestisch, mit Bildern und Modellen, beim Vormachen, mithilfe von Texten und in der mündlichen Kommunikation. Zeigen ist damit eine pädagogisch-professionelle Grundkompetenz. Das Buch führt in das Phänomen des Zeigens ein und vertritt die These, dass das Zeigen in jeder Erziehung, jeder Form des Vermittelns, jeder Lernhilfe enthalten ist. Die Leserinnen und Leser werden in philosophische, evolutionsbiologische, entwicklungspsychologische und vor allem pädagogische Grundlagenforschungen zum Zeigen eingeführt. Vorgestellt werden darüber hinaus Forschungen zu Zeigepraktiken in verschiedenen pädagogischen Feldern, insbesondere der Familie, Schule und der Weiterbildung sowie in der (Lern-)Beratung.
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Interdisziplinäre Perspektiven auf das Zeigen
    Nach dem Philosophen und Phänomenologen Lambert Wiesing (2013) lassen sich zwei große Strömungen in der Zeigeforschung unterscheiden: eine evolutionspsychologisch-sozialanthropologische und eine phänomenologische. Andere Ansätze beziehen sich auf die Philosophie des Pragmatismus und auf soziologische Theorien oder sie untersuchen die Rolle des Zeigens in der kindlichen Entwicklung. In diesem Abschnitt stellen wir diese disziplinären Ansätze vor. Zeigen wird – meist auf der Grundlage empirischer Studien – als zentrale Grundlage menschlicher Kommunikation und Bedingung für die Sprachentwicklung ausgewiesen. Es wird als kontextgebunden und als eine bestimmte Geste neben anderen in menschlicher Kommunikation aufgefasst. 2.1       Phänomenologie: Zeigen als »Sich-Zeigen«
Nach der Unterscheidung von Wiesing (2013) ist eine zentrale Strömung der Zeige-Forschung durch phänomenologische Beschreibungen des Zeigens geprägt. Diese sind als ergänzend zu den evolutionspsychologisch informierten Ansätzen zum Zeigen ( Kap. 2.3) zu verstehen, denn sie verfolgen das Ziel, Zeigen als ein dem Sprechen gleichwertiges Phänomen darzustellen. Zeigen ist mehr als ein Element des Sagens, mehr als ein »Vorläuferphänomen« von Kommunikation, wie es die Evolutionspsychologie zu sehen neigt; es ist eine eigenständige menschliche Tätigkeit, »Teil einer Dimension des Menschseins« (Gumbrecht 2010, S. 201). Zeigen ist dann eine von der Sprache unabhängige Dimension menschlichen Tuns, die weder Wegbereiter noch mögliches Ingrediens des Sagens (Boehm 2010) ist. Ein solches Verständnis von Zeigen liegt beispielsweise einigen Ansätzen zugrunde, die Zeigen in phänomenologischer Perspektive aufgreifen (Gumbrecht 2010; Landweer 2010; Mersch 2010; Wiesing 2013). Sie tun dies nicht selten unter Bezugnahme auf Martin Heideggers Abhandlung über die Phänomene (Heidegger 1979). Die Praxis des Zeigens bedarf verschiedener Mittel und Werkzeuge und es handelt sich dabei um »einen kulturellen Umgang mit Dingen, der dazu führt, dass diese Dinge andere Menschen etwas sehen lassen« (Wiesing 2013, S. 14, Hervorhebung im Original). Um die Prinzipien zu erkennen, die »für das Funktionieren dieser Praxis notwendig sind« (Wiesing 2013, S. 14), untersucht Wiesing nun im Rahmen einer Phänomenologie des Zeigens Techniken und Praktiken des Sehen-lassens – vornehmlich mit Bildern. Nach Wiesing ist das Zeigen eine »instrumentelle Praktik« (Wiesing 2013, S. 14); sie hat zum Ziel, dass eine andere Person etwas Bestimmtes sieht. Um zu verstehen, wie das Zeigen als ein »Sehen-lassen« phänomenologisch zu fassen ist, muss zunächst Wiesings Auslegung von Martin Heideggers Begriffen des Phänomens, des Scheinens und der Erscheinung sowie ihr Verhältnis zueinander geklärt werden. Der Philosoph Heidegger fragt nach der Art und Weise, wie Phänomene sich uns zeigen und wie der Phänomenologe sie dann sehen lassen kann, in gewissem Sinne also zeigen kann. Eine Erscheinung ist nach Heidegger (1979, S. 29) etwas, das auf etwas anderes verweist, so wie in einer medizinischen Perspektive der Husten auf die Erkältung oder in einer theologischen die Schöpfung auf einen Schöpfer hinweist. Wäre es aber nicht möglich, so fragt Heidegger, die Welt nicht nur »als Erscheinung von etwas Hintergründigem zu verstehen« (Wiesing 2013, S. 37), als Symbol, Symptom, Darstellung, Ausdruck oder Indikation von etwas, sondern sie wahrzunehmen und zu beschreiben, wie sie ist, als »Phänomen«? Ein Phänomen ist dann etwas, was nicht auf anderes verweist – auf das Eigentliche, Wesentliche, Dahinter-Stehende, das Wirkliche, im Wandel Bleibende, das sich hinter der Vielfalt Verbergende –, sondern das für sich selbst steht. Es zeigt nicht auf etwas anderes, sondern es zeigt sich selbst (Heidegger 1979, S. 7) auf. Heidegger bestimmt das »Phänomen« anthropomorph, wie Wiesing anführt, also als etwas, das »sich wie ein Subjekt selbst zeigt« (Wiesing 2013, S. 1). So aber sollte das nicht verstanden werden, diese Wortwahl Heideggers hält Wiesing für unglücklich. Denn die Phänomene zeigen sich gerade nicht selbst und sie liegen auch nicht offensichtlich vor, sondern können verdeckt oder verstellt sein. Es ist möglich, dass das Seiende gerade das zeigt, »was es an ihm selbst nicht ist« (Heidegger 1979, S. 28, Hervorhebung im Original). Dann handelt es sich um ein Scheinen als eine Spielart des Sich-Zeigens. Deshalb braucht man eine Methode der Erkenntnis. Die Phänomenologie ist eine wissenschaftliche, philosophische Methode. Sie versucht, das sichtbar zu machen, was sich am Phänomen nicht von sich aus zeigt, aber dennoch »etwas ist, was wesenhaft zu dem, was sich zunächst und zumeist zeigt, gehört, so zwar, dass es seinen Sinn und seinen Grund ausmacht« (Heidegger 1979, S. 35). Heidegger nennt dieses Etwas das »Seiende« (Heidegger 1979, S. 35). Die Frage lautet, wie sich das Phänomen, das sich von selbst nicht zeigt, erkennen und zeigen lässt. Für unser Thema heißt das: Wie kann das Zeigen als Phänomen erkannt und beschrieben werden? Welche »Prinzipien des Zeigens« (Wiesing 2013, S. 39) lassen sich ausmachen, wenn man das Zeigen phänomenologisch untersucht? Etwas Sehen-lassen bedeutet »eine Tätigkeit, welche die Phänomene zugänglich macht und so aus ihrer durchschnittlichen Unauffälligkeit heraushebt« (Landweer 2010, S. 50). Dabei kann das Sehen-lassen sich der Sprache bedienen, muss es aber nicht. In der Rede findet ein sogenanntes »aufweisendes Sehenlassen« (Heidegger 1979, S. 32) statt. Nach Landweer, die sich hier auf den Philosophen und Phänomenologen Hermann Schmitz beruft, deutet die Sprache etwas Singuläres als Fall von etwas Allgemeinem. Das nicht-sprachliche, gestische Zeigen tut dies nicht. Es verweist bloß auf den singulären Gegenstand. Es verwendet keine allgemeinen Begriffe. Im Aufweisen wird der Gegenstand in besonderer Weise als etwas dargestellt, um es einem anderen Menschen zugänglich zu machen – und dafür bedarf es der Rede. Dieses Allgemeine soll nicht mit der Erscheinung verwechselt werden; es geht nicht darum zu zeigen, was sich hinter der Erscheinung verbirgt, sondern was das Phänomen ausmacht: »einzelnes und Allgemeines sind nur miteinander, nie unabhängig« (Landweer 2010, S. 51) gegeben. Die Rede – z. B. hier die Rede über das Zeigen – muss sich auf das Einzelne beziehen, also auf konkrete, anschauliche Fälle des Zeigens; sie tut das mit allgemeinen Begriffen, identifiziert also im Konkreten das Allgemeine. Diese Art des Zeigens ist mehr als ein Hinweisen auf etwas oder ein Benennen, vielmehr handelt es sich um ein »Darstellen« (Landweer 2010, S. 51), das sich aussageförmig organisiert. So liegt im Sprechen ein Zeigen. Das Zeigen als Sehen-lassen ist auf ein Gesehen-werden angewiesen. »Gezeigt wird etwas erst dann und nur dann, wenn der Akt des Zeigens dazu führt, dass das Gezeigte auch wirklich von jemandem gesehen wird.« (Wiesing 2013, S. 19) Wiesing fügt hinzu, dass das Gesehene zudem dasjenige sein muss, von dem eine zeigende Person wollte, dass es gesehen wird. Sonst würde man nicht von Zeigen sprechen. Damit verknüpft er das Zeigen mit der Intention einer zeigenden Person, welche die Aufmerksamkeit einer anderen Person auf jenes lenkt, das sie zeigen möchte. Wenn etwas anderes gesehen worden ist, zusätzlich oder einzig, hat das nichts mit dem Zeigen zu tun; »ausschließlich das, was aufgrund der gelenkten Aufmerksamkeit gesehen wird, ist von jemandem gezeigt worden.« (Wiesing 2013, S. 19) Diese Differenzierung wird auch bereits von Heidegger durch den Begriff des »zeigenden Sehenlassens« eingefangen. Wiesing präzisiert, dass Zeigen also das Sehen-lassen von etwas Intendiertem ist. Damit tritt die Schwierigkeit auf, jemanden genau das Intendierte sehen zu lassen, und das ist zugleich die Frage nach den praktischen Formen des Zeigens. Wiesing unterscheidet hier zwei Grundarten des Zeigens: Erstens das Zeigen durch Konfrontation mit der Sache und zweitens das Zeigen durch Hinweisen auf die Sache. Diese zwei Formen sind Äquivalente zu der im englischen Sprachgebrauch üblichen Unterscheidung zwischen »showing« und...


Dr. phil. Kathrin Berdelmann arbeitet am Leibniz Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation | DIPF. Sie ist dort derzeit Leiterin des Forschungsbereichs der BBF Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind historisch-praxeologische Forschung zu pädagogischen Praktiken, Geschichte der pädagogischen Beobachtung, praxistheoretische Schul- und Unterrichtsforschung, methodologische Fragen der Erforschung von pädagogischem Raum und Materialität.
Dr. phil. habil. Thomas Fuhr ist Diplompädagoge und lehrt und forscht als Professor für Erwachsenenbildung/Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Lehren und Lernen im Erwachsenenalter und pädagogische Ethik.



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