Bernemann | Satt. Sauber. Sicher | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Bernemann Satt. Sauber. Sicher

Für die Liebe ... die ja bekanntermaßen ein Held ist
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86608-558-9
Verlag: U-Line UG
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Für die Liebe ... die ja bekanntermaßen ein Held ist

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-86608-558-9
Verlag: U-Line UG
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



"Mein Leben tut weh! Wünsche verschwinden auf nimmerwiedersehen. Meine Träume stehen mit kaputten Rücken an Wänden. Und die Liebe ist ein Massengrab." Roland ist Huberts und Karlas Sohn und genau hier liegt sein Problem. Nur zu gerne würde er seine Abstammung leugnen, sie abwaschen, aber durch jede Pore atmet seine Herkunft. Und was nutzt der schönste Schein, wenn im Inneren alles fault ... Dirk Bernemanns bis dato umfangreichstes Werk ist eine schmerzhafte Abrechnung mit der deutschen Druchschnittsfamilie, mit ihrer Unfähigkeit zur Kommunikation und den Folgen, die für alle Beteiligten daraus erwachsen. Sein erster Roman ist sprachlich ähnlich verdichtet und konzentriert wie seine ersten beiden Werke, doch dieses Mal seziert er seine Protagonisten bei lebendigem Leibe, sieht in sie hinein und durch sie durch. Ein Buch das zur aktuellen Diskussion über Prekariat und Unterschicht, zu Kindererziehung und Krippenplatz, zu Gewaltvideos auf Handys und der Verrohung unserer Gesellschaft nicht passender sein könnte.
Bernemann Satt. Sauber. Sicher jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Geliebte Schwester Hoffnung Deutsche Großstadt. Der Mond ist aufgegangen und grinst breit ins Land. Küsst hier und da ein Hochhaus der gute, runde, gelbe Mond. Versucht die Stadt zu romantisieren der glückliche, naive Mond. Aber die vollgefressenen und betrunkenen Großstadtleute schlafen schon oder Romantik geht sie nichts an. Der Mond macht trotzdem gelbes Licht auf die Dächer. Reflektiert doch nur Sonnenlicht, das derzeit woanders auf der Welt scheint. Zentralafrika zum Beispiel. Da krallt sich grad die Sonne die harte Wüste und trocknet die Augen der weinenden Negermamas, deren Biafrakinder den Fliegen zum Opfer fallen. Die legen Maden in die großen, dunklen Augen rein, einfach weil da Platz ist. Die Köpfe groß, die Bäuche dick, die Ernte im Arsch, die Hilfe falsch, die Ärzte inkompetent oder überfordert und der Bürgerkrieg frisst alles auf. Lecker Entwicklungsland, denkt der Bürgerkrieg und haut kräftig rein. Beißt sich durch die Wüste, kaut rum auf abgebombten Beinen und zum Nachtisch die Kinder mit den Fliegen in den Augen. Seine Verdauung kotzt der Bürgerkrieg dann über Mitteleuropa aus. In Form von Flüchtlingen mit Booten. Die schwappt an den Strand, die Kotze. Mitteleuropa hat da keinen Bock drauf, hat ja so viel eigene Verdauung. Europa, das ewig bessere, pseudoprivilegierte Dekadenzarschloch macht deswegen Mauern um sich, um sich vor dem, was der Bürgerkrieg abwirft, zu distanzieren. Da komm mal einer unblutig drüber. Die Stadt stinkt. Auch nachts. Besonders nachts. Da kann der Mensch alles viel besser wahrnehmen, weil es dunkel und die Nacht dumm und reizlos ist. Die stinkende Nacht liegt also über der einfältigen Stadt. Sie riecht nach Abgasen, Bratwurstresten, Verdauungsrückständen, immensen Urinausschüttungen, Tankstellennebengerüchen und gezuckerten Ernährungsgegenständen zur Verfettung von Kindergesichtern. Und es riecht nach diesen Resten von Leben, die in irgendwelchen Betten liegen und schlafen und sich des Erwachens sträuben und sehr oft, wenn das Leben den Blick auf das Leben verstellt, nach Suizid und nach Fantasieleben. Da reiten sie dann auf Einhörnern, die blöden Träumer, und machen die Welt besser, pflanzen Bäume, leben Träume, trocknen Tränen und heilen einander böse Krankheiten und trauen sich sogar an partnerschaftliches Füßemassieren. Solche Gedanken befinden sich in den Köpfen von Leuten, die auf der Flucht vor ihrem Leben sind. 4.30 Uhr. S-Bahn-Haltestelle. Da sitzt ein Mensch auf einer Bank und kramt in den Taschen seiner Strickjacke. Fummelt ein Päckchen Zigaretten hervor und ein Feuerzeug. Das Feuerzeug flackert und der Atem geht ganz bewusst nach innen. Der Mann auf der Bank raucht. Und denkt. Es ist Randor Namobi, Asylant, Afrikaner, Mensch, berechnendes Arschloch. Dann zieht er noch einen Gegenstand aus der anderen Tasche der durchgeranzten Secondhand-Strickjacke und starrt abwechselnd in die stinkende Nacht und auf sein Telekommunikation sendgerät. Handy. Kleines, dummes Handy. Blinkt, speichert, leuchtet, klingelt, foltert. Der bestgutintegrierte Ausländer Randor Namobi wählt eine Nummer in sein Handy. Halb auf Englisch, ein Viertel Deutsch und ein Viertel ahnungslos redet er mit einer Andersgläubigen. Er verabredet sich aus Liebe beziehungsweise aus dem Beweggrund, den er für Liebe und Sicherheit hält, und denkt an Vera. Die ist am anderen Ende der Nacht nicht so gut auf Herrn Namobi zu sprechen, denn es ist spät und die Sehnsucht hat doch Zeit bis morgen. Vera und Randor Namobi kennen sich seit drei Wochen und da ist was zwischen ihnen. Ein Gemisch aus Interesse, internationalem Flair, omnipotenter Geilheit, Blockade und der vollständigen Auflösung des Lebens. Randor lädt sich bei Vera zum Tee ein. Vera sagt «Gute Nacht» und «Küsschen» und ist genervt, weil morgen im Krankenhaus Frühdienst ist und sie eine der wenigen Schwestern auf der Intensivstation ist, die von dem Job so was wie einen Plan hat. Randor merkt an ihrer Stimme ihr Genervtsein und will alles gutmachen. Sein Plan sind Rosen, lecker Abendessen, ein duftender Badewannengang und danach süchtig machender Sex. Dann einschlafen und dann noch Frühstück machen, dann hat er wohl Veras Herz in der Tasche. Diese Gedanken behält er aber noch für sich und macht ein cooles «Bisch morgän, Schatzi, un’ schlaff gutt» ins Telefon rein. Ist fast zufrieden mit sich und seinem Nachtdasein. Warum auch nicht? Er ist in Deutschland, halb verliebt in eine blonde Frau, die ihm «Küsschen» an den Hals wünscht. Na, da hat sich der Asylantrag ja gleich mehrfach gelohnt. Er vermisst seine Mutter, seinen Vater, seine Geschwister, die Berge, darin das Haus, in dem alle lebten, die Schafe, die sie hatten. Sogar die Foltererinnerungen seiner Freunde vermisst er. Dürre, Wüste, Wassermangel, Vergiftungserschei nungen. Warum ist er hier und nicht einer seiner Landsleute? Da hat aber einer Glück gehabt … Randor wünscht sich kurz und weit südöstlich. Da steht die fette Großmutter und kocht einen riesigen Pott Eintopf. Sie rührt, jemand schießt. Eine laute Explosion. Einem Kind wird der Arm abgerissen. Blut, Tränen, Kotze. Die fette Großmutter rührt weiter und singt ein Friedenslied. Väter begraben Kinder und umgekehrt. Irgendwo erschossen. Verbuddelt unter Heimaterde. Die Großmutter rührt im Topf und der Tod kriecht ins Land und der Eintopf riecht wie immer. Kinder tanzen, Krieger trommeln, Politiker reden und immer dieser Hunger. Und die Großmutter rührt im Topf. Man weiß erst, was Hunger ist, wenn man in ein frisch erlegtes Gnu seine wegen Vitaminmangels brüchigen Zähne versenkt hat. Nur einfach so, weil sonst alle Lichter ausgehen, und das Gnu zuckt noch im Todeskampf und ist schon Lebewesen und Mahlzeit in Personalunion. Randor kennt diesen Hunger, er kennt die Beweggründe, ein zappelndes Gnu zu fressen oder dem Nachbarn den Kopf einzuschlagen, da dieser ein zappelndes Gnu in seinen armen Armen hält. Er kennt die Amputierten, die in den Straßen betteln und doch nur Tritte in den zerfetzten Leib kriegen. Er kennt die kleinen aidsverseuchten Schwestern, die sich für ein Stück Fleisch oder ein paar Münzen den Körper zerficken lassen. All das kennt Randor Namobi und am Ende ist das Ende und Afrikaabschluss und Europaeinkehr und einfach nur Glück, dass er hier ist und noch ein wenig Verstand hat und seinen ganzen Körper. Arme, Beine, alles da, alles gut, alles Deutschland. In seiner Heimat hat kaum jemand was zu verlieren außer Gliedmaßen, Hoffnung und manchmal das Leben. Er kommt aus einem Land, das vom Bürgerkrieg gezeichnet ist. Der Bürgerkrieg ist aber ein schlechter Zeichner. Er kann nur kaputte und halbe Menschen malen. Alles nicht so schön. Militärs radieren am Volk rum. Gerade Linien kommen nur aus Maschinengewehren. Ein roter Blutschwall aus dem amputierten Bein, das die Landmine seiner Schwester nahm. Was blieb, war ein stumpfer Knochen, der aus dem Oberschenkel ragte. Böse Mine zum bösen Spiel. Kein Spiel – Realismus. Kaputtradiert. Schattiert. Der Bürgerkrieg ist wie ein abstrakter Künstler, er malt die Menschen ganz anders, als sie eigentlich gemeint sind. Randor kommt zurück aus der Vergangenheit. Ist wieder Reisender in der Gegenwart. Wartet auf den letzten Zug der Nacht mit Zügen von der Zigarette. Der Tabak verbrennt und er saugt den Rauch in sich rein. Vera. Ja, Vera. Aufenthaltsgenehmigungsvera. Aber ein bisschen verliebt ist er auch. Nicht so wirklich und nicht so richtig. Aber Vera geht schon ganz gut. Ihre Haut würde in seiner Heimat verbrennen. Einfach so runterschmoren die deutsche, weiße Haut. Krebs kriegen. Egal. Die deutsche Frau ist eine schöne Frau. Sie hat einen Blick, der nach Vanille riecht. Sie hat ein Badezimmer, das nach Äpfeln riecht, sie hat einen Körper, der nicht nach Mensch, sondern nach Kunst riecht. Sie nennt das Parfüm und eigentlich stinkt es. Das ist nicht schlimm, sie ist eine Deutsche. Die dürfen das, die Deutschen. Da kommen Stimmen und Schritte heran. Durch die Unterführung kommen Gestalten. Randor ist unbeeindruckt, bemerkt nicht die sich nähernden Geschöpfe. Drei gute Deutsche kommen auf den Bahnsteig, alle mit dem debilen Dauergrinsen eines Playmobilmännchens. Turnschuhe, Tennissocken, Trinkterror. Alle drei fein alkoholisiert. Herrengedecke grienen aus ihren Schweinsäuglein. Schales Bier und warmer Korn. Da kommen sie marschiert, die drei Deutschen von der Trinkstelle. Über die Finger gepinkelt haben sie sich auch, das ist in diesen Kreisen so üblich. Mann stinkt nach Urinstinkt. Urin stinkt von seiner Haut. Mitten in Deutschland unter Männern. Kofferträger, Stiefellecker und Parkplatzwächter. Große Ansagen, kleine Taten. Heute König, morgen Schicht. Diese Existenzen sind nicht wertvoller als andere, doch nach vier Bier ist man ein hochgeistiges Wesen mit unendlicher Entscheidungskompetenz. Nach dem Gruppensaufen ist man Politiker, Künstler, Intellektueller. Intell … leck mich doch am Arsch, du Mistding. Solche Leute kommen heran, jeder trägt einen Sack Scheiße, in den er sein Leben gepackt hat, eine Flasche Bier und sich selbst. Kompetenzüberschreitung der Ausgebeuteten möchte man rufen, hält aber lieber die Schnauze, denn mit Deutschen ist Spaß schwer. Hysterische historische Beweise gibt es genug. Die drei kommen, nähern sich dem Gleis, an dem auch Randor wartet und raucht. Die Gruppe...


Dirk Bernemann, geboren 1975, mittags. Fing mit fünf Jahren an zu schreiben, hörte aber mit 6 Jahren wieder auf. Dann Schuleintritt und Verzweiflung. Wiederaufnahme des Schreibens ca. 1997 in Form von Songtexten für Punkbands, die es nie gab, und Tagebüchern. Ein paar Liebesbriefe später wusste er auch, wie es funktioniert. Weniger als 10 Jahre vergingen und es erschien sein erstes Buch, seitdem einen Fuß in der Tür des Literaturbetriebs, die immer wieder zugeschlagen wird. Arme Tür. Armer Fuß. Trotzdem weitermachen, immer wieder. Was er mag: Obstsalat, Weisswein, Bücherstapel. Was er nicht mag: Tod, offene Bäuche, Poetry Slam.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.