Blankertz | 2068 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 241 Seiten

Reihe: Zukunftkrimis

Blankertz 2068


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86474-090-9
Verlag: Virulent
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 1, 241 Seiten

Reihe: Zukunftkrimis

ISBN: 978-3-86474-090-9
Verlag: Virulent
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Zukunfts-Roman in der besten Orwell-Tradition 'Butter, Zigs und Vigs' Butter, Zigaretten und Viagra - das sind die begehrtesten Waren unter den Alten. Doch nur illegal können sie erworben werden. Denn das Gesundheitsministerium ist allmächtig und übt eine engmaschige Kontrolle aus. Wir schreiben das Jahr 2068. Und das vereinigte Europa hat sich mit China gegen Amerika verbündet. Nachdem der 'graue Edgar', einer der unangepassten Alten, bei einer Operation stirbt, wird seine junge Geliebte zur Leitfigur des Widerstandes. Aber sie gerät zwischen die Fronten, als sie versucht, die mysteriösen Umstände von Edgars Tod aufzudecken. Eine beklemmend realistisch gezeichnete Zukunftsvision, lebendige Figuren und ein spannender Fall voll abgründiger Gefühle präsentiert Stefan Blankertz, der seine Erzählkunst schon in einer Serie eindrucksvoller Mittelalter-Krimis bewiesen hat.

Stefan Blankertz, 1956, 'Wortmetz'. Arno Schmidts 'Schule der Atheisten' unmittelbar nach Erscheinen 1972 verschlungen. Eine erste Arno-Schmidt-Imitation 1974 veröffentlicht. Er lebt in Berlin und arbeitet als Theorietrainer am 'Gestalt-Institut Köln (GIK)'. Seit 1973 beschäftigt er sich mit Paul Goodman und dessen Werk in philosophischer, therapeutischer und literarischer Hinsicht; seine erste Buch- Veröffentlichung war die Übersetzung von Goodmans schulkritischer Kampfschrift 'Compulsory Mis-education' (1964) als 'Das Verhängnis der Schule' (Frankfurt/M. 1975). Seine Doktorarbeit (1983) und seine Habilitationsschrift (1986) handeln von Paul Goodman. Zur Erläuterung von Goodmans gestalttherapeutischer Theorie hat er u.a. die Bücher 'Gestalt begreifen: Ein Arbeitsbuch zur Theorie der Gestalttherapie' (erstmals 1996, Wuppertal 2011 in der 4. überarbeiteten Auflage erschienen), die Streitschrift 'Verteidigung der Aggression: Gestalttherapie als Praxis der Befreiung' (Wuppertal 2010) sowie eine eigene kommentierte Übersetzung von zentralen Passagen aus 'Gestalt Therapy' (1951) vorgelegt: 'Gestalttherapie Essentials' (Wuppertal 2012). Zum 100. Geburtstag von Paul Goodman 2011 stellte er den Reader 'Einmischung' (Bergisch Gladbach 2011) zusammen und widmete ihm seinen semi-autobiografischen Roman 'Die Literatte' (Berlin 2011). Mit Marie T. Martin übersetzte er ausgewählte Gedichte von Paul Goodman ('kleine gebete', edition g. 2013). Neben Arno Schmidt und Paul Goodman beeinflusst in der amerikanische Ökonom und Freiheitskämpfer Murray Rothbard, dessen legendäres Manifest 'Für eine neue Freiheit', das 1973 eine neue Bewegung ins Leben rief, den 'Libertarismus', er 2012 im Rahmen seiner edition g. neu edierte und herausgab. Seine literarischen Werke - historische und phantastische Romane und Lyrik - kreisen wie seine philosophischen, politischen und therapeutischen um die Rückgewinnung von Individualität, Freiheit und Menschlichkeit, die durch Krieg und Herrschaft deformiert worden sind.

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1. WIR HABEN NICHTS ZU VERLIEREN ALS DAS LEBEN
  Die Nachricht von Edgars Tod traf mich am Donnerstag, den 10. Mai 2068 um sieben Minuten nach elf Uhr. Die letzten Ausläufer des Frühjahrssturms rappelten laut in den Rollokästen der Fenster. Die Rollos hatte ich, soweit ich mich erinnern konnte, noch nie heruntergelassen. Sie waren meiner Meinung nach völlig überflüssig, genauso wie die Tatsache, dass ich jetzt über eine solche Nebensächlichkeit nachdachte. Beine trugen irgendeinen Körper im Zimmer hin und her, Füße stampften auf irgendeinen Boden, Fäuste ballten sich, bis sogar die abgekautesten Nägel irgendwelche Handflächen blutig gekratzt hatten. Was gehörte noch zu mir? Die Nägel? Die Handflächen? Das Blut? Befand ich mich weiterhin in der Welt? Offenbar ja, denn der Nebel im Hirn bestand aus einer Zusammenballung betäubter körperlicher Empfindungen. Unbestimmt fühlte sich das an, als sei ich es. Allem und jedem schwor ich Rache. Wen gab es, gegen den ich mich wenden konnte, wenn nicht gegen Gott und das Schicksal, das Er mir zugedacht zu haben schien? An Gott zu denken, entsprach allerdings nicht der vom Gesundheitsministerium empfohlenen rechten Verfahrensweise. Ich schrie hysterisch. Niemand antwortete. Meine Eltern waren nicht zu Hause. Wer sonst hätte mir Aufmerksamkeit schenken können? Der Mensch, der mir in den letzten zwei Monaten am meisten auf der Welt bedeutet hatte, war nicht mehr. Noch einmal schrie ich. Ich wünschte mir Aufmerksamkeit und fürchtete zugleich, jemand würde kommen und mich in meinem beklagenswerten Zustand sehen. Wer sollte Verständnis für mich haben? Ein paar Mal schlug ich den Kopf gegen die Wand. Edgar ist tot! «Wir haben nichts zu verlieren als das Leben», hatte er immer gesagt, wenn es darum ging, ein Risiko auf sich zu nehmen. Und wir alle hatten dann böse aufgelacht, denn jedes Risiko galt der herrschenden Meinung zufolge als zu groß. «Risiko lohnt nicht», lautete schließlich die vom Gesundheitsministerium verbreitete Lehre. Ich betrauerte unseren leichtfertigen Hohn, der grässlich in meinem schmerzenden Schädel nachhallte. Nun war es so weit gekommen. Edgar ist tot! Er starb aber nicht als Held oder Märtyrer, wie er es sich vielleicht gewünscht hätte, sondern bei einer läppischen Operation. Edgar ist tot! Um mich zu beruhigen, fingerte ich nach den «American Spirit»-Zigaretten, die ich mit Edgar so oft als Provokation in der Öffentlichkeit geraucht hatte. Mir quollen Tränen aus den Augen, als mich der Gedanke streifte, dass er es gemocht hätte, wenn ich mir auf seinen Tod eine anstecken würde. Erbost musste ich feststellen, dass das Päckchen leer war. Ich zerknüllte es und warf es auf den Boden. Es kullerte ein Stück weit unters Bett. Ich ließ es dort liegen. Sollte meine Mutter es doch finden! Sollte sie es doch wissen! War mir doch scheißegal! Ein Schauer schüttelte mich bei der vulgären Wortwahl. Es hatte nach wie vor den Zauber des Verbotenen, daran zu denken, wie Edgar sich ausdrückte. Aber Edgar war jetzt tot. Als ich die Schmerzen und die Sturzflut von Gedanken nicht mehr aushielt, ging ich ins Bad, stellte mich auf die Zehenspitzen und nahm die Schachtel mit den Jaosinns aus dem obersten Regal des Arzneischranks. Ich schüttete mir eine der rosa Pillen auf die Handfläche, nahm sie in den Mund und spuckte sie sogleich verächtlich wieder aus. Edgar hätte das nicht gutgeheißen. Man reguliert seinen inneren Zustand nicht mit Chemie, lautete seine Überzeugung. Probleme mit Chemie zu bekämpfen, stellte in seinen Augen die verhasste Verfahrensweise dar. Mein Zwanjang am Handgelenk meldete psychische Überlastung und riet mir tatsächlich, es zunächst mit Jaosinn zu probieren und bei anhaltenden Beschwerden den zuständigen Psychologen aufzusuchen. Wütend drückte ich den Steuerknopf, um das Gequäke verstummen zu lassen, obwohl ich wusste, dass es sich unweigerlich wieder melden würde, wenn ich nicht tat, was mir fürsorglich empfohlen wurde. Sollte ich mir von der seelenlosen Verfahrensweise tatsächlich vorschreiben lassen, wie ich mit meiner Trauer umzugehen hatte? Bevor es wenigstens vorübergehend verstummte, teilte mir das Zwanjang noch gefühllos mit, dass ich für meine Uneinsichtigkeit einen Bing-Strafpunkt erhalten würde. Schließlich ertrug ich den Druck im Kopf nicht mehr, klaubte die rosa Jaosinn-Pille wieder vom Boden auf, befreite sie vom Staub, zerbiss sie und schluckte eine Hälfte. Das Zwanjang registrierte die Einnahme der heilversprechenden Chemie und erließ mir meiner Jugend wegen den Bing-Strafpunkt. Das Jaosinn tat seine Wirkung. Mein Geist klarte auf. Da ich bloß die halbe Dosis Chemie genommen hatte, arbeitete die andere Hälfte meines Gehirns aber nach wie vor auf natürliche Weise. Ich betätigte das Zwanjang, um zuerst Ji und dann Mao anzurufen. Egal, was sie gerade taten, sie müssten alles stehen und liegen lassen und augenblicklich zu mir in die Piusstraße kommen. Offenbar hatte ich überzeugend gewirkt, denn wenig später trafen sie ein, gemeinsam. Sie waren also zusammen gewesen. Das interessierte mich im Moment nicht weiter. .(Falsch! Es interessierte mich; ich wollte es bloß nicht bemerken.) Sie wischten sich den Regen aus den Gesichtern, während ich ihnen eröffnete, dass Edgar bei der Operation gestorben sei. Ihre Bewegungen froren ein. «Sie haben ihn umgebracht!» Mao artikulierte diesen entsetzlichen Verdacht, fast ohne seine schmalen, blau angelaufenen Lippen zu bewegen. «Den Tod hat er nicht gefürchtet», sagte ich tapfer in seinem Geiste. Ich fragte nicht, wen Mao mit «sie» meinte. Der Vorwurf schien zu ungeheuerlich, um wahr sein zu dürfen. «Aber die ökologisch korrekte Verbrennung des ‹giftigen menschlichen Sondermülls› und das einheitsreligiöse Pseudobegräbnis verabscheute er. Er wollte eine richtige Beerdigung, also katholisch.» Mao verzog den Mund. Er war Atheist und damit der herrschenden Verfahrensweise näher, als er zugeben wollte. Ich hatte den Eindruck, dass auch Mao kurz vor einem inneren Zusammenbruch stand. Der graue Edgar war schließlich der Mittelpunkt auch seines Lebens gewesen, obwohl in einer ganz anderen Hinsicht. Weil sein Zwanjang nichts sagte, vermutete ich, dass er es manipuliert und illegal abgestellt hatte. Ich wunderte mich, dass Mao für seine Verhältnisse ungewöhnlich gut rasiert war, verweilte jedoch nicht lange bei dieser Beobachtung. «Wie sollen wir das hinkriegen?», fragte Ji mit weit aufgerissenen, nassen Augen. «Wir stehlen den Leichnam aus dem Bingdalu», erklärte ich. In Wahrheit hatte ich keinen Plan, sondern bloß den unumstößlichen Entschluss, Edgars letzten Wunsch zu erfüllen. «Auch wenn das nicht ganz leicht sein wird.» «Und dann?» Ji wurde richtig böse und sprach vernünftig, als sei sie meine Mutter. «Sollen wir uns etwa mit einer Leiche in ein Taxi setzen, zur nächstbesten Ödfläche fahren und ihn dort verbuddeln? Wie stellst du dir das denn vor?» «Könnte problematisch werden, weil du dein Zwanjang zipi hast. Es wird auf den Kontakt mit der Leiche ansprechen und ist nicht ausschaltbar.» Ji hielt mir den linken Arm hin. Damit ich sehen konnte, was sie mir zeigen wollte, musste sie sich etwas zur mir hinunterbeugen, denn sie war fast zwei Köpfe größer als ich. An ihrem Arm prangte ein ebenso altmodisches Zwanjang wie Maos und meins. Sie hatte also ihr Implantat entfernen lassen und war jetzt ebenfalls in der Lage, ihr Zwanjang wie wir anderen ruhigzustellen. Dieses Hindernis war demnach abgehakt; trotzdem brachte uns das nicht sehr viel weiter. Ratlos schauten Ji und ich uns an. Auf einmal kam Leben in Mao. «Wir treten als Kontrollärzterat auf, verlangen, den ... ähm ... Leichnam von Edgar obduzieren zu dürfen, und sagen einfach, es gäbe Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei seinem Tod, was ja auch durchaus wahrscheinlich ist. Dann packen wir ihn irgendwo rein und verschwinden. Wir fahren zum Melatenpark, das ist angemessen, auch wenn er seit Langem nur noch als Erholungspark dient. Immerhin war er früher mal ein Friedhof gewesen. Dort suchen wir einen geeigneten Flecken. Das wird nicht weiter auffallen.» Ji sah Mao skeptisch an. «Werden Ärzte beim Betreten des Bingdalus nicht per Zwanjang identifiziert?» «Ja, Darling», bestätigte Mao knapp. Er schien diese Schwierigkeit schon irgendwie gelöst zu haben. «Wir melden uns ganz normal an, als Besucher, die zu einem Kranken wollen ...» «Zu welchem?», fragte ich. Mao war ungehalten. «Lasst mich das machen. Ich muss ein bisschen zwanjangnieren und besorge die Klamotten. Schafft ihr beide einen Popen herbei. Wir treffen uns dann vor dem Uni-Bingdalu.» Türschlagend verließ er die Wohnung. Ji schaute ihm nicht weniger verwundert nach als ich. Wir sagten zunächst nichts. «Zwanjangnierst du mit Martin?», bat ich Ji. «Ich bringe das nicht...



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