E-Book, Deutsch, 409 Seiten, eBook
Blome / Keck / Alber Generationenbeziehungen im Wohlfahrtsstaat
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-531-90870-0
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Lebensbedingungen und Einstellungen von Altersgruppen im internationalen Vergleich
E-Book, Deutsch, 409 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-90870-0
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Vorwort Die Alterung der Bevölkerung gehört zu den größten Herausforderungen Deutschlands in den nächsten Jahrzehnten. Viele der vorhergesagten Szenarien wie die unzureichende Nachhaltigkeit der Rentenversicherung, nachlassende Innovationspotenziale oder die Verkleinerung und Überlastung der Familien zeichnen ein düsteres Bild der Zukunft und beschwören einen sich anbahnenden Generationenkonflikt herauf. Ist es wirklich so schlecht bestellt um die Zukunft Deutschlands? Welche Maßnahmen wurden eingeleitet, um den demografischen Änderungen und seinen Folgen zu begegnen? Diese beiden Fragen standen im Mittelpunkt des Forschungsprojektes 'Generationenbeziehungen im Wohlfahr- staat', das von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde. Die AutorInnen dieses Buches haben sich zum Ziel gesetzt, das Zusamm- spiel zwischen den Generationen eingehend zu untersuchen. Ihr Ansatz ist s- thetischer Natur. Es geht darum, die Austauschbeziehungen zwischen Generat- nen im Sozialstaat und in der Familie zu betrachten. Wodurch werden die - bensbedingungen und sozialpolitischen Einstellungen von Altersgruppen - prägt? Mit diesem Ansatz beschreiten sie einen bisher selten gewählten Weg.
Agnes Blome, Wolfgang Keck und Professor Dr. Jens Alber sind am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH in Berlin tätig.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;5
2;Abbildungsverzeichnis;9
3;Tabellenverzeichnis;13
4;Vorwort;17
5;Vorwort des Projektleiters;21
6;1 Einleitung;23
7;2 Generationensolidarität zwischen Staat und Familie;29
7.1;2.1 Die Altersorientierung von Wohlfahrtsstaaten;30
7.2;2.2 Austauschbeziehungen zwischen familialen Generationen;33
7.3;2.3 Das Verhältnis von Staat und Familie;35
7.4;2.4 Intergenerationale Transmission;42
8;3 Forschungsdesign;47
8.1;3.1 Fragestellungen;49
8.2;3.2 Definition und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes;51
8.3;3.3 Methoden;57
8.4;3.4 Daten;60
9;4 Die vier Wohlfahrtsregime im Vergleich;67
9.1;4.1 Grundlegende Prinzipien und Charakteristika der ausgewählten Wohlfahrtsregime;67
9.2;4.2 Generationenverhältnis in der Sozialpolitik: Altersorientierung und Rentenlastigkeit von Wohlfahrtsstaaten;90
9.3;4.3 Generationenbeziehungen: Kontakthäufigkeit und Einstellungen zur Familie;95
10;5 Rentensysteme und die materielle Lebenssituation älterer Menschen;105
10.1;5.1 Institutionelle Regelungen der Rentensysteme und ihre Reformen im Vergleich;105
10.2;5.2 Die materielle Lebenssituation älterer Menschen;133
10.3;5.3 Private Transfers an ältere Menschen;158
10.4;5.4 Zentrale Befunde und rentenpolitische Implikationen des Vergleichs;160
11;6 Die Pflege älterer Menschen;171
11.1;6.1 Vergleich der staatlichen Pflegeleistungen;174
11.2;6.2 Vergleich der Pflegeleistungen in der Familie;196
11.3;6.3 Fazit;213
12;7 Transferleistungen für Familien;219
12.1;7.1 Direkte und indirekte Transferleistungen für Familien;220
12.2;7.2 Die Einkommenssituation von Familien;235
12.3;7.3 Private Transfers an die Kinder;258
12.4;7.4 Fazit;269
13;8 Kinderbetreuung zwischen Familie und Staat;275
13.1;8.1 Familienbezogene Sachleistungen;275
13.2;8.2 Kinderbetreuung und Erwerbsbeteiligung von Müttern;293
13.3;8.3 Fazit;311
14;9 Gibt es einen Generationenkonflikt? Einstellungsunterschiede zwischen Altersgruppen in empirischen Studien;315
14.1;9.1 Mögliche Konfliktlinien zwischen Generationen;316
14.2;9.2 Konzepte, Daten und Methoden;322
14.3;9.3 Einstellungsunterschiede zwischen Altersgruppen und den Geschlechtern;324
14.4;9.4 Wahrgenommene Spannungen zwischen den Generationen;331
14.5;9.5 Fazit;335
15;10 Alt und Jung im Wohlfahrtsstaat – Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?;337
15.1;10.1 Vom Ausland lernen? Die prekäre Übertragbarkeit von Modellen des „ best practice“;337
15.2;10.2 Rentnerlastigkeit oder Investitionen in die Jugend?;340
15.3;10.3 Staat oder Familie – Staat und Familie?;353
15.4;10.4 Weichenstellungen für die Zukunft;356
15.5;10.5 Kaum Anzeichen für einen Generationenkonflikt;362
16;Literaturverzeichnis;365
17;Anhang;399
Generationensolidarität zwischen Staat und Familie.- Forschungsdesign.- Die vier Wohlfahrtsregime im Vergleich.- Rentensysteme und die materielle Lebenssituation älterer Menschen.- Die Pflege älterer Menschen.- Transferleistungen für Familien.- Kinderbetreuung zwischen Familie und Staat.- Gibt es einen Generationenkonflikt? Einstellungsunterschiede zwischen Altersgruppen in empirischen Studien.- Alt und Jung im Wohlfahrtsstaat — Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?.
1 Einleitung (S. 23)
Der demografische Wandel und seine Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Generationenbeziehungen rücken zunehmend ins Zentrum öffentlicher Debatten. Nicht wenige Autoren vertreten die Auffassung, die Gesellschaft der Zukunft werde von Generationenkonflikten geprägt sein. Unsere Studie zeigt, was wir aufgrund empirischer Daten über die Lebensbedingungen und Beziehungsmuster verschiedener Altersgruppen in unterschiedlich gestalteten Sozialstaaten wissen.
Im Zentrum steht die Frage, wie Staat und Familie die Lebensbedingungen von Generationen prägen und wie sich dieses Wechselspiel auf die sozialpolitischen Einstellungen von Altersgruppen in vier strategisch ausgewählten Ländern – Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden – auswirkt. Der Vergleich dieser Länder soll darüber Aufschluss geben, wie verschiedenartig das Zusammenleben zwischen Generationen organisiert sein kann und welche Strategien sich vor dem Hintergrund alternder Gesellschaften als zukunftsfähig erweisen.
Der doppelte Trend sinkender Geburtenraten und steigender Lebenserwartung führt fast überall in Europa zu einer beträchtlichen Alterung der Gesellschaft (Grundy 1996, Kaufmann 2005, United Nations 1956). Durchschnittlich werden in Europa derzeit nur 1,5 Kinder pro Frau1 geboren, während die Lebenserwartung eines Neugeborenen 78 Jahre beträgt. Damit verschiebt sich das Generationengefüge.
Der Anteil der über 65-Jährigen wird in Relation zum Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis 2030 von derzeit 24 Prozent auf etwa 38 Prozent steigen. Diese Entwicklung stellt die Gesellschaften Europas vor neue Herausforderungen. Zu den zentralen Dimensionen des anstehenden sozialen Wandels zählen neben der nachhaltigen Finanzierung der sozialen Sicherung Strukturwandlungen der Familie, Arbeitsmarktanpassungen, ein neuer Umgang mit Migration und Integration, neue Siedlungsstrukturen und regionale Unterschiede sowie veränderte Konsummuster (Hauff und Bachmann 2006).
Für das Zusammenleben der Generationen hat die Alterung der Bevölkerung weitreichende Konsequenzen, die vor allem die Familienbeziehungen sowie die sozialrechtliche Stellung verschiedener Altersgruppen betreffen. Mit der niedrigen Kinderzahl schrumpft innerhalb der Familien die Zahl der Seitenver- wandten, während die Generationen für längere Lebensphasen zusammenleben. Damit werden die Familien „länger und dünner.
Das verlängerte Zusammenleben und die verringerte Anzahl der Beziehungsverhältnisse machen eine Intensivierung der Beziehungen zwischen den Generationen in der Familie wahrscheinlich (Bengtson 2001, Hondrich 1999). Auf der Seite des Sozialstaats geht es darum, für eine nachhaltige Balance zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen.
Der steigende Anteil älterer Menschen und der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stellen insbesondere die Renten- und Pflegesysteme vor eine Bewährungsprobe, weil sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Leistungsempfängern bzw. Pflegern und Pflegebedürftigen drastisch verschiebt (Bäcker und Koch 2003, Holzmann et al. 2003, Myles 2002). 1950 kamen in Europa auf eine Person über 65 Jahre rund acht Personen im erwerbsfähigen Alter.
Im Jahr 2000 betrug das Verhältnis 1:5, und im Jahr 2030 wird es bei 1:3 liegen.2 Noch stärker wirken sich die demografischen Veränderungen auf die Pflegesituation aus, da der größte Bevölkerungszuwachs bei den hochbetagten Personen zu erwarten ist. Auch wenn ältere Menschen künftig im Alter länger gesund bleiben mögen, geht man aktuell doch von einer Zunahme des Pflegebedarfs aus (Garg 1995, McGlone und Cronin 1994, Schulz et al. 2001).
Die erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels beschränken sich jedoch nicht auf die Pflege- und Rentenpolitik. Auch die Familien-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik können die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherung stärken, indem sie eine Erhöhung der Zahl der Geburten fördern, die Beschäftigungschancen und Produktivität auf dem Arbeitsmarkt verbessern oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern (Esping- Andersen 2002, Bothfeld 2004, OECD 2002).